Neonazi attackiert 16-Jährigen Arzt kritisiert Polizei für Umgang mit dem Opfer

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Berlin/Magdeburg – Ein offenbar rechtsextremes Gewaltverbrechen in Sachsen-Anhalt hat nicht nur schwere Folgen für das jugendliche Opfer, auch die Polizei gerät unter Druck. Bei einem „Heimatfest“ in Zerbst hatte am 30. Juli ein mutmaßlicher Neonazi einen 16-jährigen Punk attackiert, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Gegen Nazis“ trug. Der Schläger rammte dem Opfer ein Bierglas ins Gesicht. Ein Splitter des berstenden Glases drang ins rechte Auge des Jugendlichen. Er wurde inzwischen dreimal operiert, doch die Prognose der Universitätsaugenklinik Magdeburg ist schlecht. Es sei zu erwarten, dass der Patient mit dem verletzten Auge höchstens hell und dunkel unterscheiden kann, sagte Stationsarzt Wolfram Schreiber dem Tagesspiegel.
Schreiber kritisierte außerdem das Verhalten der Polizei. Ein Beamter hatte am Donnerstag den Jugendlichen im Krankenzimmer aufgesucht, um ihn das Protokoll einer früheren Vernehmung zu der Gewalttat unterschreiben zu lassen. Der Polizist informierte weder einen Arzt oder eine Schwester, noch wartete er das Eintreffen der Mutter des Minderjährigen ab. Stationsarzt Schreiber nannte das Verhalten des Beamten „nicht korrekt“. Außerdem sagte der Jugendliche dem Tagesspiegel, er habe das Protokoll nicht mehr lesen können, da er angesichts der bevorstehenden dritten Operation eine Beruhigungstablette bekommen hatte und schon schläfrig war. Der Berliner Anwalt des Jugendlichen, Wolfgang Kaleck, sprach von einem „unglaublichen Fall“ und kündigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizisten an.
Die Polizei in Zerbst verwies am Freitag nur auf zwei Presseerklärungen, in denen unter anderem von einem ruhigen Verlauf des Heimatfestes die Rede ist. Außerdem führe, so der Sprecher des Polizeireviers Anhalt-Zerbst, die Staatsanwaltschaft Dessau die Ermittlungen zur Gewalttat. Bei der Staatsanwaltschaft hieß es jedoch, es sei noch kein Vorgang eingetroffen. Eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung in Sachsen-Anhalt hielt der Polizei „Zustände wie in den wirren Zeiten nach der Wende“ vor.
Unterdessen berichtete Sachsen-Anhalts Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU), im ersten Halbjahr 2005 sei die Zahl der im Land verübten fremdenfeindlichen Straftaten auf 48 gestiegen. In den ersten sechs Monaten 2004 waren es 45.


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