Wenn die Bevölkerung das Atomprogramm nicht mehr mitträgt…

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Wenn die Bevölkerung das Atomprogramm nicht mehr mitträgt…

 

 

Shirsad war Mitglied des sechsten islamistischen Parlaments und Universitätsprofessor. Er hielt einen Vortrag über das iranische Atomprogramm, das auszugsweise in Roozonline veröffentlicht wurde. Der Sozialwissenschaftler kommt zu dem Schluss, dass bisher in einigen Punkten Einigung über das Atomprogramm bestanden habe. Wenn aber die Bevölkerung den Preis des Konflikts mit dem Westen zahlen müsste, dann würde die Bevölkerung sich nicht mehr für das Atomprogramm mobilisieren lassen….

 

 

Ein iranischer Universitätsprofessor kritisiert Ahmadinejad

 

Ahmad Shirsad, Professor an der Teheraner Universität sagte über das iranische Atomprogramm: „Die Parole – die Atomenergie ist unser selbstverständliches Recht –  hat einen sehr begrenzten Nutzen. Es ist nicht klar, was die Regierung in wenigen Jahren antworten wird, wenn die Bevölkerung doch nichts von dem Atomprogramm hatte.“ 

 

Weiterhin sagte er: „Seit drei Jahren wird im Iran eine Diskussion über den geschlossenen Atomkreislauf geführt. Dies hat dazu geführt, dass die westlichen Staaten den Iran verschiedentlich kritisierten. Die Vorwürfe haben dazu beigetragen, dass unsere Beziehung mit der Welt sich zu unserem Nachteil verändert haben. Zumal nicht klar ist, wie wir einen geschlossenen Atomkreislauf anstreben sollen, wenn die Uranressourcen begrenzt sind. Wir haben nicht mehr als 400 Tausend Tonnen Uranreserven. Diese befinden sich in Bandar Abbas und Sagand/Yasd. Es gibt Staaten, die Hundertmal mehr Uranreserven haben und doch zu dem Schluss gekommen sind, dass die Reserven dennoch nicht ausreichen und die Kosten sehr hoch sind, so dass ein geschlossener Kreislauf nicht profitabel sei.

 

Der Iran hat sehr geringe Uranressourcen, zudem ist die Qualität des Urans sehr niedrig, dennoch wird das Ziel eines geschlossenen Atomkreislaufs verfolgt. Dabei sind die wirtschaftlichen und politischen Kosten dieses Programms sehr hoch. Schon im sechsten Majless wurde sehr viel über die Effektivität des iranischen Atomprogramms geforscht. Es gibt lediglich eine fachliche Arbeit, die von einem Mitarbeiter der iranischen Energiebehörde stammt, der ein einfaches Diplom hat. In dieser Arbeit wird die Stromerzeugung empfohlen, aber auch in dieser Expertise wurden verschiedene Eingriffe vorgenommen. Dies hat dazu geführt, dass jeder Experte, der etwas schreiben will, automatisch zu dem Ergebnis kommt, dass die Atomenergie unser natürliches Recht sei. Denn irgendwann haben wir es mit den Sicherheitsinstitutionen zu tun, so dass sich niemand mehr äußern kann. Ich weiß nicht, wie so eine Behauptung von Herrn Aqasadeh aufgestellt werden konnte. Es gibt auch niemanden, der sich trauen würde, zu sagen, dass Herr Aqasadeh unrecht hatte. Wir müssen fragen, wer davon profitiert, wenn wir unter der Erde eine Fläche von 34 Tausend Metern ausbauen? Wer profitiert von den iranisch-chinesischen und russischen Beziehungen?

 

In diesen Jahren haben manche Leute mit besorgten Gesichtern, Leute von der Hizbullah und Sicherheitskräfte, Dinge gesagt, die uns so weit gebracht haben. Die Atomenergie ist in der Tat für Dritte-Welt-Staaten interessant. Warum? Sie glauben, mit der Atomenergie die Macht zu erlangen. Die Regierungen, die über Nacht die Nicht-Entwicklung nachholen wollen, greifen zu dieser Methode. Und manche Leute liefern Analysen, die ihrem Geschmack entsprechen. Bestimmte Interessen führen dann dazu, dass 800 Zentrifugen, die im letzten Jahr von den Inspekteuren kontrolliert wurden, als inländische Produktion deklariert wurden, aber die Untersuchungen haben ergeben, dass sie mit 50 Prozent angereichertem Uran verunreinigt waren. Dafür haben wir auch einen hohen Preis bezahlt. Erst nach drei Jahren wurde zugegeben, dass die Zentrifugen aus dem Ausland stammen. Ich frage nun, wer eigentlich die Zentrifugen gekauft hat und wie viel wurde dafür ausgegeben? Es muss doch eines Tages geklärt werden, welche Bande in Malaysia handelte, was das für Leute sind? Aber stattdessen werden Kritiker wie ich und andere Intellektuelle und Experten mit neuen Vorwürfen beschuldigt. […]

 

Irgendwann haben wir erfahren, dass die Europäer über alle Informationen zu den Beziehungen zwischen Iran und Russland und China verfügen. Sie wussten darüber mehr, als die verantwortlichen Instanzen unseres Staates. Sie hatten ihre Informationen auch keineswegs über Spionage erhalten. […] Nehmen wir an, dass das Atomprogramm für das Volk nicht nützlich ist, aber Herr Ahmadinejad weicht kein bisschen von seinem Standpunkt zurück. Wir wollen doch nur wissen, wofür sie so viel Geld ausgeben? Was bringt es der Bevölkerung? Wenn Herr Aqasadeh sagt, dass täglich ca. 8.540.000 Euro dafür ausgegeben wird, was bedeutet dies? Wenn wir nach ein paar Jahren trotz allem weder Strom noch irgendeine Energie erzeugen werden, was sollen wir dann der Bevölkerung sagen?

 

Wir können doch nicht einfach mit den Achseln zucken und sagen, dass wir die Atomenergie brauchen. Wir könnten doch mit einer genauen Berechnung unsere Interessen sichern und von Europa Vorteile bekommen. Aber wir nutzen nicht dieses Potential. Natürlich ging es im Dialog mit Europa um andere Themen, wie Menschenrechte und den Friedensprozess zwischen Arabern und den Israelis. Da wir uns aber über diese Themen in der iranischen Innenpolitik nicht einig waren, haben wir uns auf das Atomprogramm gestürzt. Über das Atomprogramm gab es von Anfang an Einigkeit. Speziell weil diese Einigkeit mit der Parole „die Atomenergie ist unser selbstverständliches Recht“ erzeugt wurde. Aber wie lange hält diese Einigung an? Wenn wir wirklich irgendwelche Vorteile im Dialog bekommen hätten, wäre es gut gewesen. Aber wir hatten keine Vorteile. D.h. man kann eine solche Einigung nicht auf Dauer aufrecht erhalten. Wir können sicher sein, dass wenn die Bevölkerung den Preis dieser Einigung zahlen muss, dann wird die Atomenergie nicht mehr die Bevölkerung mobilisieren können.“ 

 

  

[Roozonline, 1.3.2007, http://www.roozonline.com/archives/2007/03/002799.php ]

 

 

 


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