Kühne Thesen

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Kühne Thesen*
Orientalist Hans-Peter Raddatz zu Gast bei B´nai Brith 
 
 
Von Ralf Balke
 


„Where do I belong?“ lautet das Motto einer Veranstaltung für jüdische Jugendliche aus ganz Europa,die von der B’nai B’rith in Frankfurt in dieser Woche ausgerichtet wird. Viel Politprominenz hat ihr Kommen zugesagt, Stoff für Diskussionen wird reichlich geboten. Etwa durch die Anwesenheit des Orientalisten Hans-Peter Raddatz, der über anti-israelische und anti-amerikanische Tendenzen in der Politik referieren soll. Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend, denn Vertreter seines Faches zeichnen sich in der Regel nicht gerade durch Zuneigung zu Israel aus.

In seinem jüngsten Buch Allah und die Juden beschreibt Raddatz die Renaissance des Antisemitismus in der islamischen Welt. Entgegen der landläufigen Meinung, dass der Judenhass zwischen Marokko und Indonesien ein Import aus Europa ist, belegt er überzeugend,dass dieser bereits seit den Tagen Mohammeds virulent ist. Doch ein genauerer Blick auf Raddatz und seine Bücher wirft einige Fragen auf. Zum einen irritiert der inflationäre Gebrauch von Nazivergleichen oder die reichlich unfreundliche Etikettierung homosexueller Liebe als „nichtproduktive Sexualform“, zum anderen der geradezu obsessive Grundton: Hinter der Einwanderung von Muslimen nach Europa vermutet Raddatz einen Masterplan von EU-Bürokraten. Das ist schon bemerkenswert, denn während er das Verschwörungsdenken vieler Muslime anprangert, die hinter jedem Missstand fremde Kräfte am Werk sehen, konstruiert Raddatz munter seine eigenen Komplotte. Ein Höhepunkt ist seine Rechtfertigung der Deportation von Hunderttausenden Muslimen aus dem frühneuzeitlichen Spanien: „Die iberische Vertreibung war in dieser massierten Form nur erforderlich, weil die damaligen ,Verantwortlichen‘ zu spät handelten. Heute wird jede Maßnahme zugunsten der Bevölkerung gänzlich verhindert, weil sie als ,populistisch‘, wenn nicht ,rassistisch‘ gilt.“ In dem 2002 erschienenen Buch Von Allah zum Terrorheißt es: „Amerika unter Führung der Rockefeller-Familie“ und „Europa unter Führung der Rothschild-Familie“ betrieben „die Förderung, Installation und Finanzierung von Lenin und Hitler“. Und hinter allem und jedem stünden die Freimaurer. Ein Klassiker unter den Verschwörungstheorien.

Auch zur „Vergangenheitsbewältigung“ hat Raddatz etwas zu sagen: „Aus ernsthaften Anfängen der Schuldaufarbeitung entwickelte sich eine universale Schablone des Schoa-Missbrauchs, mit der sich alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Religion, Politik, Bildung und Medien die deutsche Schuld als Instrument der Indoktrination aneigneten. So wie nationalsozialistische Deutsche den Massenmord zu einer Industrie der Vernichtung entwickelt hatten, so bauten die ,demokratischen‘ Deutschen die Schuld zu einer Industrie totalitärer Erinnerung aus“ (Von Gott zu Allah?). Kein Wunder, dass die Rechtsaußen-Postille Junge Freiheit regelmäßig Texte von Raddatz veröffentlicht hat. Gleichzeitig sucht Raddatz die Präsenz auf jüdischen Veranstaltungen. „Where do I belong?“ – bei Raddatz lässt sich diese Frage stellen. Gerade auch auf einem B’nai-B’rith-Forum.

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Hans-Peter, Allah und die Juden 
Zitate aus dem allerletzten der Elaborate

Die Mullahs haben recht: im dekadenten Westen geht Eigennutz über Gemeinwohl: 
„Solange westliche Elitenpolitik eigene Interessen über das Gemeinwohl stellt, entspricht sie der islamischen Selbstdefinition gegen den »Unglauben«, verstärkt die laufende Islamisierung und mit ihr den Verdrängungsdruck auf die europäischen Bevölkerungen, den wir »Demophobie« (Volksfeindlichkeit) nennen.“ (Allah und die Juden, S. 10)

Der Untergang des Abendlandes aus dem Geist der Homoehe: 
„Aus der Umkehrung aller herkömmlichen Wirklichkeit und Werte erwächst auch heute wieder eine Gegenmacht. die Verbote verbietet. Im Kostüm des »anything goes« wandelt sich die scheinbar lockere Freiheit zum harten Zwang, der das geltende Gesetz bekämpft, Kriminelle zu Opfern, gleichgeschlechtliche Familien zu sozialen Keimzellen und den mafiösen Islam zur Leitkultur macht.“ (Allah und die Juden, S. 12)

Gegen den Islam: Widerstand, Rückbesinnung und Gewalt 
„Allerdings ist damit (d.h. mit dem Ende der europäischen Kultur durch den Islam) kaum zu rechnen. Denn es ist gerade die monströse Dimension dieses Vorgangs und der elitären Korruption, die sich nicht endlos fortsetzen. Man braucht Narzissten, »provoziert« aber Widerstand und Rückbesinnung, wenn die Realität in die Utopie gezwungen wird. Auch dies ist ein Muster der Geschichte, die ebenso alt und automatisch ist wie der Antisemitismus selbst, und daher nicht ohne Gewalt ablaufen wird.“ (Allah und die Juden, S. 14)

Die Deportation von Muslimen als Modell für das heutige Europa: 
„Nach langem Zögern ergingen schließlich 1609 und 1614 die Dekrete zur Ausweisung von 300.000 Muslimen nach Nordafrika. Die spanische Hinhaltetaktik hatte zu dem Vorwurf der Zentraleuropäer geführt, »dass die für den Staat Verantwortlichen nicht einfach untätig zusehen konnten, wie eine diesem Staat abgeneigte Minderheit immer stärker wurde.« Wie die ähnliche Zuwanderungslage im heutigen Zentraleuropa beweist, hat dort seit Jahren kein »Verantwortlicher« mehr gewagt, eine derart »provozierende« Aussage zu machen. Denn sie wäre nur geeignet gewesen, wie es heißt, »Ängste zu schüren«. Die iberische Vertreibung war in dieser massierten Form nur erforderlich, weil die damaligen »Verantwortlichen« zu spät handelten. Heute wird jede Maßnahme zugunsten der Bevölkerung gänzlich verhindert, weil sie als »populistisch«, wenn nicht »rassistisch« gilt. Die Folgen werden daher weitaus dramatischer sein als seinerzeit in Spanien.“ (Allah und die Juden, S. 114)

Ethik im Judentum: gutes Volk und böse Eliten  
„Die Propheten sind das Sprachrohr Jahwes, der seinem Volk ins soziale Gewissen redet und die Umkehr aus Machtgier, Bereicherung und Heuchelei in das Ethiknetz des einfachen, praktischen Glaubens fordert.“ (Allah und die Juden, S. 23) 
„Denn von daher verknüpfte sich die Existenz des Volkes Israel so grundlegend mit Jahwes geschichtlichem Wirken und seinen prophetischen Kräften, dass es den Eliten unmöglich war, sich vom Interesse des Volkes zu distanzieren.“ (Allah und die Juden, S. 25) 
„Im Judentum ist die Problematik der elitären Macht nicht weniger ausgeprägt als in einigen anderen Kulturen. Sie ist den Juden nur bewusster, weil Jahwe das ganze Volk geschichtlich auf sich verpflichtet. Politsoziale Fehlentwicklungen erscheinen als Folgen religiösen Ungehorsams, der zuallererst den Eliten angelastet wird.“ (Allah und die Juden, S. 31)

Jüdische Eigenschaften befeuern den Antisemitismus: 
„Indem die Juden ihre sittlich-ökonomische Praxisreligion pflegten und deren Regeln mit Kreativität und Disziplin in der Diaspora praktizierten, provozieren sie bei den Menschen eine fatale Gewissensmischung aus Schuld, Inferiorität und Neid – eine der Wurzeln des Antisemitismus…“ (Allah und die Juden, S. 32) 
„Da der Gegensatz zum Nichtjüdischen zur Selbstbesinnung auf Gott und Gemeinschaft, d.h. zur Vervollkommnung des Jüdischen antreibt, entsteht ein endloser Regress, der die metaphysische Spirale zwischen Antisemitismus sowie jüdischer Kreativität und Optimierung der Talente bildet…“ (Allah und die Juden, S. 38)

Antisemitismus und Pogrome als göttliche Strafe für das Fehlverhalten der jüdischen Eliten: 
„Jedesmal jedoch, wenn sie (die jüdischen Eliten) in Glauben und Leben diese Aufgabe vernachlässigten, wenn sie die individuellen Freiheiten des Wissens, Könnens und Vorteils missbrauchten und nicht ausreichend in den Dienst des Gemeinschaftsinteresses stellten, bewirkten sie warnende Beispiele mit existenziellen Folgen.“ (Allah und die Juden, S. 44) 

 Wenn Juden sich wie Muslime benehmen, dass bekommt der Antisemitismus eine gewisse Rechtfertigung: 
„Etablierte Judenfamilien (im Spanien des Mittelalters) waren oft mächtig genug, kleinere Städte zu Erbhöfen zu machen – eine von den Muslimen übernommene Praxis, die mit den »Kronrabbis« und Maßnahmen zugunsten der jüdischen Selbstverwaltung (aljama) kollidierte. Sie sorgten dafür, dass das Klischee vom »beutegierigen und machthungrigen Juden« eine gewisse Rechtfertigung erhielt.“ (Allah und die Juden, S. 105)

Die jüdische Oligarchie: über jedem Gesetz, ohne jedes Maß: 
„Man braucht nicht religiös zu sein, um die Entfernung der jüdischen Oligarchie (im Spanien des Mittelalters) von der Ethikbasis der Gemeinschaft festzustellen. Da sie über jedem Gesetz stand, fehlte ihr auch jedes Maß, zu dem sie der jüdische Kodex jedoch in besonderem Maße verpflichtete. Aus der sprichwörtlichen Intelligenz und Wirtschaftskraft der Juden schöpfend, war ihr im Grunde nur ein Januskopf der Extreme möglich, der sich zwischen materieller Niedrigkeit oder geistigen Gipfeln wendete. So kam ein judenfeindlicher, in Spanien bislang wenig gebräuchlicher Ton auf…“ (Allah und die Juden, S. 111) 
„Manche dieser »Erleuchteten« wähnten sich in direkter Linie von König David und sahen die Disapora nicht als Verdammnis Jahwes, sondern als Segen, weil sie nur so ihren »Vorsehung« erfüllen zu können glaubten, nämlich sich als »Elite der Elite« über die Gesetze aller Völker zu erheben.“ (Allah und die Juden, S. 112)

Jüdische Elitendekadenz als Vorlage für die Protokolle der Weisen von Zion: 
„Dennoch warnten die Realisten (die Eliten) vor unkluger Übertreibung, die ein Zeichen von Dekadenz und Vorbote neuer Unterdrückung sein könne, wie die Propheten Israels es seit je geweissagt hätten. Den moderneren Radikalen wird sie später als Vorläufer der »jüdischen Weltverschwörung« in den »Protokollen« dienen. (Allah und die Juden, S. 112)

»Christlicher« Antisemitismus in Anführungszeichen, weil aus Nähe zum islamischen generiert: 
„Indem sich Luthers Ego zunehmend anal-narzisstisch deformiert, kann sich der Kreis zum offenen Judenhass schließen, der ihn einmal mehr in die Nähe zum Islam, speziell zu Mohammed rückt.“ (Allah und die Juden, S. 142)

Antidemokratische Anthropologie: 
„Es ist ein ehernes Gesetz der Geschichte, dass die Macht über dem Gesetzt steht. Ihr ist das Menschliche fremd, es sei denn, es nützt ihren Interessen oder muss aus anderen Gründen berücksichtigt werden.“ (Allah und die Juden, S. 67) 
„…an den Asymmetrien der Menschheit wie Mann-Frau und Elite-Masse hat auch die Moderne wenig geändert.“ (Allah und die Juden, S. 101)

Oj wej, die Freimaurer: 
„Noch kurz vor seinem Tod (gemeint ist Philipp IV.) – in den Jahren 1306 und 1313 – vernichtete bzw. vertrieb der rigorose Herrscher sowohl die Juden als auch die Angehörigen des berühmten Templerordens. Während erstere ins »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« (Burgund, Savoyen) flüchteten, wandten sich viele Templer nach Schottland. Dort verband sich ihr gnostischer Geldglaube mit dem keltischen Gralsglauben zum »Schottischen Ritus«, einem geheimen Ordens-Mystizismus, der über die Zwischenstation der Freimaurerei in die organisierte Eliten-Esoterik unserer Zeit überleitete. (Allah und die Juden, S. 124)

 
 
 
 
*Jüdische Allgemeine vom 29. November 2007
 
 
 
 
 
 

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