Experten: Antisemitismus gibt es auch in der Mitte der Gesellschaft

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BUNDESTAGhib-Meldung – 175/2008 – Datum: 16.06.2008 – Experten: Antisemitismus gibt es auch in der Mitte der Gesellschaft
Innenausschuss (Anhörung)/Berlin: (hib/HAU) Die Anstrengungen im Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland müssen weiter vorangetrieben werden. Darin waren sich die Sachverständigen während einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am Montagnachmittag einig. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass Antisemitismus in allen Altergruppen und sozialen Schichten anzutreffen sei. Laut Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sprechen sozialwissenschaftliche Studien von einem „latent antisemitischen Einstellungspotenzial“ in der Bevölkerung von 20 Prozent. Deidre Berger vom American Jewish Committee lobte die Bundesregierung für ihre führende Rolle im internationalen Kampf gegen Antisemitismus und plädierte dafür, auf parlamentarischer Ebene das Amt eines Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus zu schaffen. Die zunehmende Ablehnung einer Verantwortung aufgrund der deutschen Vergangenheit – wie sie in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen sei – führt nach Ansicht von Professor Werner Bergmann von der Technischen Universität Berlin zu einer Abschwächung der Tabuisierung des Antisemitismus. Als Folge würden derartige Einstellungen offener geäußert als früher – und dies nicht nur am „rechtsextremen Rand der Gesellschaft“. Aus Sicht des Publizisten Henryk M. Broder habe man beim Antisemitismus nicht mit einem Vorurteil, sondern mit einem Ressentiment zu tun. „Der Antisemit nimmt dem Juden nicht übel, wie er ist, sondern, dass er existiert“, so Broder. Es bringe nichts, mit Antisemiten zu diskutieren. Vielmehr müsse man sie ausgrenzen. „Die Gesellschaft muss klar machen, dass sie Antisemitismus verachtet“, forderte Broder, der insbesondere vor dem „modernen Antisemit ohne Glatze, dafür aber mit guten Manieren“ warnte. Für Aycan Demirel von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus handelt es sich weder um ein neues Problem noch um ein Problem der Einwanderungsgesellschaft. Zu einer erfolgreichen Bekämpfung des Phänomens könnten auch Politiker beitragen, indem sie sich geschlossen gegen Israelfeindschaft und Antisemitismus positionieren und somit den Stellenwert lokaler Initiativen hervorheben und ihre Arbeit unterstützen. Die neue Förderpraxis des Bundesprogramms „Vielfalt“, stelle jedoch gerade viele kleine Initiativen aus dem lokalen Umfeld vor große Hürden, kritisierte Demirel. Elke Gryglewski von der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz forderte dazu auf, Jugendliche „ernst zu nehmen und wertzuschätzen“. Dann käme es ihrer Ansicht nach nicht zu antisemitischen Äußerungen. Die präventive Arbeit von Gedenkstätten könne nur erfolgreich sein, wenn es auch Veränderungen im Bildungssystem gebe, machte Gryglewski deutlich. Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland erhob ebenfalls die Forderung nach einem Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, der jährlich einen Bericht über die Entwicklungen in diesem Bereich vorlegen müsste. Für einen jährlichen Antisemitismusbericht sprach sich auch Professor Julius Schoeps von der Universität Potsdam aus. Dieser solle durch eine vom Parlament einzusetzende Expertenkommission erstellt werden und müsse Handlungsempfehlungen entwickeln. Die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen Extremismus und Antisemitismus einsetzen, sei eines der zentralen Anliegen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), sagte deren Vorsitzender, Thomas Krüger. Gefördert werde daher beispielsweise die Initiative „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“. Dieses Netzwerk umfasse 435 Schulen mit rund 350.000 Schülern. Außerdem unterstütze die bpb die Qualifizierung von Fachkräften der politischen Bildungsarbeit sowie die Bildung von Kompetenzzentren.

 
 

  1. Tagesspiegel – Gefahr der Gegenwart  – Bundestag und Bundesregierung wollen stärker gegen Judenfeindlichkeit vorgehen. Wie groß ist das Problem des Antisemitismus in Deutschland? 
    Jörg Ziercke neigt nicht dazu, sich in der Öffentlichkeit aufzuregen. Doch gerade der nüchterne Ton, den der Präsident des Bundeskriminalamts am Montag im Bundestag anschlug, verdeutlicht die latente Gefahr, der die jüdischen Gemeinden in Deutschland ausgesetzt sind. Pro Tag registriere die Polizei im Schnitt vier antisemitische Straftaten, ein Teil davon sind gewaltsame Attacken – laut Ziercke etwa fünf im Monat. Und: Im vergangenen Jahr wurden 30 jüdische Friedhöfe geschändet. Die Zahlen „belegen ein ernst zu nehmendes Potenzial“, sagte Ziercke in der öffentlichen Anhörung, die der Innenausschuss in Berlin im Reichstagsgebäude zum Thema „Antisemitismus in Deutschland“ veranstaltet hatte. Schon die Bilanz des BKA-Präsidenten verdeutlichte den Parlamentariern die Notwendigkeit, stärker als bisher gegen den Hass auf Juden vorzugehen.
    Die Anhörung mit insgesamt zehn Experten zeugte allerdings auch von den Mühen, das Problem Antisemitismus in seiner gesellschaftlichen Dimension präzise zu benennen. Ressentiments gegen Juden grassierten auch in der bürgerlichen Mitte, warnte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer. Der Publizist Henryk M. Broder hielt sogar den Antisemitismus von Neonazis wie Horst Mahler für „politisch irrelevant“ und für einen „Nachruf auf sich selbst“. Der moderne Antisemit, ob konservativ, liberal oder links, trauere um die Holocaust-Opfer, bekenne sich aber „ganz unbefangen zum Antizionismus“ und störe sich daran, „dass es Israel gibt“….
     

     

  2. Jüdische Gemeinde zu Berlin – PRESSEMITTEILUNG zur Sachverständigenanhörung zum Antisemitismus im Bundestag: Wir unterstützen die Forderung nach einem jährlichen Bericht der Bundesregierung zur Antisemtismusbekämpfung
    Am 16. Juni 2008 fand im Innenausschuss des Deutschen Bundestags eine Anhörung zum Thema „Antisemitismus in Deutschland“ statt. Vier Stunden lang wurden 10 Sachverständige zu diesem Thema gehört. In den Beratungen mit den Sachverständigen zeichnete sich die Möglichkeit einer Konsensbildung für die Forderung nach einem jährlichen Bericht der Bundesregierung an den Bundestag zur Antisemitismusbekämpfung ab, die sich auf das bewährte Vorbild anderer Staaten stützt. Auf der Sachverständigenseite vertraten diese Forderung vor allem der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland Stephan Kramer, Prof. Dr. Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam, und Deidre Berger, Leiterin des Berlinbüros des American Jewish Committee.
    Die Jüdische Gemeinde zu Berlin unterstützt diese Forderungen, die sie bereits bei früheren Gelegenheiten in zwei Schreiben an den Bundesinnenminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble zusammen mit dem Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus und dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus erhoben hatte. Der Bericht sollte, unter Beteiligung des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes und unter Nutzung wissenschaftlichen Sachverstandes sowie zivilgesellschaftlichen Engagements, über die Verbreitung antisemitischer Strömungen in allen Gesellschaftsteilen und –institutionen einschließlich der Medien Auskunft geben, also über den Antisemitismus rechts, links und in der Mitte der Gesellschaft, sowie darlegen, welche Gegenmaßnahmen notwendig sind und eingeleitet wurden. Er sollte sich mit allen politischen, strafrechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Antisemitismusfacetten befassen und kein Problem ausblenden. Aufgenommen werden sollte ebenso die Berichterstattung über die antisemitische Agitation in den Herkunftsländern der muslimischen Einwanderer, die uns über viele Wege – u. a. über Satelliten, über das Internet, über den Buch- und Zeitschriftenimport oder sogar über Schulen – erreicht, und über die Maßnahmen, die die Bundesregierung dagegen ergreift oder ergreifen wird.
    Levi Salomon                                                              Maya Zehden
    Beauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin            Jüdische Gemeinde zu Berlin
    für die Bekämpfung des Antisemitismus                        Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit

  3. Bundestag – Video-on-Demand-Dienst des Parlaments Öffentliche Anhörung des Innenausschusses zum Thema „Antisemitismus in Deutschland“,
    vom 16.06.2008
    Modem, DSL (Dauer: 3h, 54min) 

     
  4. HC – Juni 16, 2008 – Innenausschuss: Öffentliche Anhörung von Sachverständigen am Montag, dem 16. Juni 2008 zum Thema Antisemitismus in Deutschland – Stellungnahme von Henryk M. Broder: ANTISEMITISMUS OHNE ANTISEMITEN 
    Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, sehr geehrte Frau Köhler, sehr geehrter Herr Edathy,
    ich danke Ihnen für die Einladung zu dieser Anhörung. Es ist mir eine Ehre, zu Ihnen sprechen zu dürfen. Ich weiß, dass es einige Irritationen wegen meiner Teilnahme gegeben hat. Aber ich bin sicher, dass Sie am Ende meines Statements es nicht bereuen werden, mich eingeladen zu haben.
    Es ist nicht die erste Anhörung zum Thema Antisemitismus, und es wird nicht die letzte bleiben. Seit der Schriftsteller und bekennende Judenfeind Wilhelm Marr im Jahre 1879 die Schrift „Der Sieg des Germanenthums über das Judenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet“ veröffentlichte und damit zum Wortführer des politischen Antisemitismus im Kaiserreich avancierte, hat es zahllose Versuche gegeben, den Antisemitismus zu definieren, zu erklären und zu neutralisierten – sie sind alle gescheitert. Wäre dem nicht so, säßen wir heute nicht hier. Jede Diskussion über den Antisemitismus fängt mit einer Begriffsbestimmung an, viele kommen nicht darüber hinaus, und am Ende aller Bemühungen, das Phänomen in den Griff zu bekommen, steht die Erkenntnis: „Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich notwendig ist.“…

  5. HC – Juni 18, 2008 – Innenausschuss: Öffentliche Anhörung von Sachverständigen am Montag, dem 16. Juni 2008 zum Thema Antisemitismus in Deutschland Stellungnahme von Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee Berlin

    Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Ausschussmitglieder!

    Es ehrt mich sehr, dass Sie mich gebeten haben, heute meine Vorstellungen zum Kampf gegen Antisemitismus darzulegen. Menschen- und Bürgerrechte als Grundlage einer demokratischen Regierungsform werden von diesem uraltem Hass fundamental angegriffen. Der Schwelbrand des Hasses muss gelöscht/erstickt werden, bevor er, wie sooft in der Vergangenheit, Flammen schlägt. Ich gratuliere Ihnen zur Abhaltung dieser Anhörung. 

    Der schockierende Ausbruch antisemitischer Gewalt im Jahre 2000 in Europa und die unselige anti-israelische Agenda vieler Staaten bei der Durban-Konferenz 2001 waren Weckrufe, den Kampf gegen Antisemitismus mit aktiveren und besser strukturierten Mitteln zu intensivieren.

    Es ist erfreulich, dass die deutsche Regierung in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der Zivilgesellschaft energisch auf diese Krise reagiert hat. Die deutsche Regierung war die treibende Kraft in der Verankerung von Antisemitismus als eine Priorität in der Arbeit multilateraler Organisationen, einschließlich der OSZE, als Resultat einer denkwürdigen Konferenz 2004. Die „Berliner Erklärung“ definierte den Kampf gegen Antisemitismus. Dazu gehörte dezidiert das Aufzeigen der Gefahren immer virulenterer Formen des Antisemitismus, einschließlich einseitiger Kritik an Israel, Hetze gegenüber Juden durch islamische Extremisten und Verschwörungstheorien gegen angebliche jüdische Mächte.

  6. HC – Juni 18, 2008 – Innenausschuss: Öffentliche Anhörung von Sachverständigen am Montag, dem 16. Juni 2008 zum Thema Antisemitismus in Deutschland Stellungnahme von Stephan J. Kramer, Generalsekretär Zentralrat der Juden K.d.ö.R.
    Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
    Sehr geehrte Frau Köhler,
    Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
    Dank!
    Beispiel 1
    Von: wolfgang steiger [mailto:
    steigerwolfgang@hotmail.com ]
    Gesendet: Donnerstag, 5. Juni 2008 13:32
    An: Calik, Kemal
    Cc:
    kemal.calik@gmx.de; SPIEGEL, Leserbriefe; sekretariat@zentralrat.de
    Betreff: „DER SPIEGEL“ 17/2008 „WIE TICKEN DIE DEUTSCHEN?“ IHR LESERBRIEF IN“DER SPIEGEL“ 18/2008, S. 6
    Efendi Calik:
    Wie, vor allem, die „neu“ deutsche Generation und alle, die sich neuerdings für Deutsche halten, ticken, frage ich mich in letzter Zeit immer öfter. Ich will Ihnen auch erklären, warum:
    O. e. SPIEGEL-Artikel wurde mir erst jetzt von deutsch gesinnten Landsleuten zugeschickt. Unter Landsleuten verstehe ich dabei ausschließlich Angehörige meines eigenen Volkes, deren Vorfahren nachweislich schon seit Jahrhunderten in Deutschland ansässig waren, d.h. keine von irgendwoher Dahergelaufenen bzw. sog. „Passdeutsche“, denen man schon an ihren krummen Nasen ansieht, woher sie kommen, und denen durch die mir vollkommen unverständliche Gewährung dieses Dokumentes doch bestimmt nicht automatisch auch noch deutsche Gene zuwachsen!
    Ihre Freude darüber, dass einige „Deutsche“ auf dem von Ihnen „cover“genannten Titelbild gar nicht so „deutsch“ aussehen, kann ich ganz und gar nicht teilen.
    Am Ende Ihres Leserbriefe jedoch von „WIR Durchschnittsgermanen“ zu faseln, schlägt dem Fass den Boden aus und stellt eine nicht zu überbietende Anmaßung, Frechheit und Provokation jedes echten Deutschen dar! In Ihrem (soweit vorhanden!) Hirn hat wohl jemand seine Fäkalien abgeladen ¿!?¡
    Was glauben Sie eigentlich, wer und was Sie in den Augen von uns Deutschen sind? Es ist doch immer wieder dasselbe mit Euch rotzfrechen Mittelmeeranwohnern, ob Ihr nun Juden, Katalanen, Südfranzosen, Sizilianer, Türken oder sonstwas seid!….

  7. bundestag.de Innenausschuss: Stellungnahmen der Sachverständigen

  8. Leider scheinen auch nach 3 Jahren, nur die Wenigsten, die ausgesprochen gute, EUMC-Antisemitismusdefintion zu kennen….
    CFCA  
    Working Definition of Antisemitism

  9. LIZASWELT  Antisemitismus ohne Antisemiten
    [Gleichsetzung.jpg] 
    Dass Gremienarbeit in der Regel eine sterbensöde Angelegenheit ist, weiß jeder, der schon einmal selbst mit ihr befasst war oder sich auch nur der Mühe unterzogen hat, eine öffentliche Ausschusssitzung zu verfolgen. Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages bildet da keine Ausnahme, denn er beschäftigt sich zumeist mit so überaus weltbewegenden Dingen wie der „Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechtes“, der „Reform der Bundespolizei“ oder dem „Richtlinienumsetzungsgesetz“ der EU. Heute jedoch versprach etwas mehr Leben in die Bude zu kommen, denn auf der Tagesordnung stand eine mehrstündige Anhörung zum Thema „Kampf gegen Antisemitismus“. Dazu waren zehn Sachverständige geladen, die ihre Erkenntnisse und Vorschläge unterbreiten sollten.
    Die meisten Redner
    legten ihren Schwerpunkt auf eine Betrachtung des rechtsextremistischen Antisemitismus‘, wie er sich etwa in neonazistischen Hetzschriften, Friedhofsschändungen und Übergriffen äußert; der muslimische Judenhass hingegen kam nur am Rande zur Sprache, wie auch der hierzulande höchst mainstreamfähige Antizionismus oder die allgegenwärtige „Israelkritik“ nebensächlich waren. Viel war von „Vorurteilen“ und „sozialen Hintergründen“ die Rede, von „Prävention“ und „Aufklärung“, von „Menschenrechtserziehung“ und „zivilgesellschaftlichem Engagement“. 

     

    1. JUEDISCHE– „Antisemitismus ist, wenn man die Juden noch weniger leiden kann, als es an sich notwendig ist„.
      Henryk M. Broder spricht bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages zum Thema Antisemitismus bei der auch „Expertinnen“ wie Deidre Berger das Wort hatten.  
       

    2. ACHGUT  Ein neues Phänomen: Antisemitismus ohne Antisemiten  –
      Henryk Broders heutiger Redebeitrag vor dem Innenausschuss des Bundestages: 
 
 

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