Kann sich Israel auf Deutschland in der UNO verlassen?

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Analyse von Benjamin Weinthal 
Übersetzt von Daniela Marcus
 

 

Jerusalem Post, 24.08.2011

 

Englische Version: http://www.jpost.com/International/Article.aspx?id=235177

 

Kritiker werfen Berlin vor, sich mit „anti-israelischen, antisemitischen Kräften“ innerhalb der UNO zusammenzuschließen; Außenminister Westerwelle ist mit einem „neuen demokratischen Test“ konfrontiert.

 

BERLIN – Deutschlands diffuse und unberechenbare UNO-Politik wirft einige Fragen auf angesichts Außenminister Guido Westerwelles Zusage an Israels Sicherheitsinteressen, Bestrebungen zur Bekämpfung von Antisemitismus, der durch die UNO unterstützt wird, und die Förderung demokratischer Bewegungen in der arabischen Welt.

Im März sah sich Deutschland einem wichtigen demokratischen Lackmus-Test in der UNO gegenüber: entweder mit den führenden Demokratien –den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich– zu wählen, um eine Flugverbotszone über Libyen zu verhängen, oder sich mit Russland und China der Stimme zu enthalten. Westerwelle wies Deutschlands UNO-Botschafter Peter Wittig an, sich den nicht-demokratischen Ländern anzuschließen.

Nun sieht sich Westerwelle –so kann argumentiert werden– mit einem neuen demokratischen Test konfrontiert. Werden Deutschlands Diplomaten an der anti-israelischen UNO-Gedenkkonferenz Durban III teilnehmen? Das politische Dokument von Durban I wurde dazu genutzt, Israel zu attackieren. Die geplante Durban-III-Veranstaltung, die dieses Dokument würdigt, wird am 22. September in New York City stattfinden.

Die erste Anti-Rassismus-Konferenz der UNO, die im Jahr 2001 in Durban, Südafrika, stattfand, artete in eine pro-rassistische und anti-semitische Veranstaltung aus: Teilnehmer verteilten Flugblätter mit einem Hitler-Bild, das konstatierte: „Was wäre, wenn ich gewonnen hätte? Das Gute daran wäre, dass es kein Israel gäbe.“

Die australische Premierministerin Julia Gillard entschied am Dienstag, das Durban-III-Ereignis zu verlassen. Ihr Sprecher verteidigte diese Entscheidung und sagte: „Wir konnten nicht davon überzeugt werden, dass das hochrangige Treffen unausgewogene Kritik gegenüber Israel und das Verlautbaren antisemitischer Ansichten verhindern wird.“

Australien ist nun Teil des Anti-Durban-Lagers, in dem sich bereits Italien, die Niederlande, Kanada, Israel, die Vereinigten Staaten und die Tschechische Republik befinden.

Was Kritiker an Deutschlands Pro-Durban-Standpunkt so sehr irritiert, ist die oft wiederholte Erklärung der Kanzlerin Angela Merkel, nach der Israels Sicherheitsinteressen für die Bundesrepublik „nicht verhandelbar“ seien.

Deutschlands Absicht, seine Teilnahme an Durban III voranzutreiben, veranlasste Dieter Graumann, den Präsidenten von Deutschlands 105.000 Mitglieder zählender jüdischer Gemeinde, am Montag Westerwelle zu drängen, nicht an diesem „widerlichen Schauprozess“ teilzunehmen. Graumann wollte mit seiner Frustration und Kritik an die Öffentlichkeit gehen, weil Westerwelle nicht auf einen Brief des Zentralrates der Juden in Deutschland reagiert hatte. In diesem Brief hatte sich der Zentralrat über den Standpunkt des Außenministeriums bezüglich Durban III beklagt.

„Doch Deutschland hat bisher geschwiegen“, sagte Graumann. Er rief Westerwelle dazu auf, sich nicht dem „Festival der Anfeindungen gegen Juden“ anzuschließen und fügte hinzu: „Deutschland darf dieser Hasskampagne nicht den Anschein der Legitimität geben.“

Nach dem Brief befragt, sagte ein Sprecher des Außenministeriums gegenüber der Jerusalem Post: „Graumanns Brief kam gestern an und wird unverzüglich beantwortet werden.“ Der Sprecher des Außenministeriums wiederholte Deutschlands Standpunkt, es werde „verhindern, den Ablauf in Durban dazu zu nutzen, Israel an den Pranger zu stellen“. Gemäß Kritikern ist exakt die Anprangerung Israels der Einbaumechanismus der Durban-Konferenz seit ihrer Gründung im Jahr 2001.

Durch Graumanns öffentliche Zurechtweisung Westerwelles steht Deutschland nun sowohl nationaler als auch internationaler Kritik gegenüber. Anne Bayefsky, die gemeinsam mit dem Friedensnobelpreisträger und Schoah-Überlebenden Elie Wiesel Hauptorganisatorin einer gegen Durban III gerichteten Veranstaltung ist, sagte am Dienstag gegenüber der Post: „Deutschlands Verhalten in Bezug auf die bevorstehende Durban-III-Konferenz sendet beunruhigende Signale aus. Indem sie sich mit den schlimmsten anti-israelischen und antisemitischen Kräften bei der UNO zusammenschließt, spielt die deutsche Regierung mit dem Feuer.“ Bayefsky, Rektorin des Touro College Instituts für Menschenrechte und die Schoah, sagte: „Dies ist weit entfernt von der Führungsrolle im Kampf gegen anti-jüdische Diskriminierung, die Deutschlands Markenzeichen sein sollte.“

Sacha Stawski, der die pro-israelische Nichtregierungsorganisation Honestly Concerned in Frankfurt leitet, sagte am Dienstag gegenüber der Post: „Australien ist genauso ausgestiegen wie Kanada, die Tschechische Republik, Israel, Italien, die Niederlande und die Vereinigten Staaten. Warum also gelobt Israels angeblich „bester Freund“ immer noch, eine Konferenz zu besuchen, an der der Schoah-leugnende iranische Präsident eine Rede halten wird? Für mich gibt es absolut keine Entschuldigung dafür, dass Deutschland seine Beteiligung an Durban III noch nicht zurückgezogen hat. Durban I und Durban II haben sich als antisemitische Hass-Festspiele erwiesen. Diese Gedenkveranstaltung verspricht, nicht anders zu werden.“

Der Graben zwischen Westerwelles berichtetem Mangel an Sympathie für den jüdischen Staat und Kanzlerin Merkels pro-israelischen Reflexen wurde von Stawski, der Europas größte Pro-Israel-Konferenz im Oktober plant, betont. 3.000 Besucher werden bei der Veranstaltung in Frankfurt erwartet.

Stawski sagte: „Da die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in dem Ruf steht, eine „wahre Freundin Israels“ zu sein, ist es nun an der Zeit, Worte in Taten zu kehren und dies zu beweisen. Nun ist es an der Zeit, dem Außenminister zu sagen, er solle nach ihren Worten und Versprechen handeln und unmissverständlich in der Verurteilung von einseitigen Angriffen auf den jüdischen Staat sein. Nun ist es an der Zeit, Außenminister Westerwelle, der selbst in seinen inneren Kreisen eine kontroverse Historie hat, wenn es um die Verurteilung und Beendigung von Antisemitismus geht, in Einklang zu bringen mit Deutschlands Staatsräson, Israels Sicherheit zu verteidigen.“

In Interviews der Post mit Alex Feuerherdt und Nasrin Amirsedghi –zwei von drei Gründern einer deutschen Initiative aus dem Jahr 2009, die den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier unter Druck setzte, Durban II in Genf zu verlassen– kritisierten beide Deutschlands Regierung wegen deren Teilnahme an einer Veranstaltung, bei der Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad sprechen und Unterstützung von anderen UNO-Mitgliedern erhalten wird.

Feuerherdt, ein Journalist, der ausgiebig über Israel und den Nahen Osten schreibt, nannte Deutschlands Solidaritätsbekundungen für Israel „reines Lippenbekenntnis“. Er sagte, wenn es Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle Ernst sei mit ihrer Unterstützung für Israel, hätten die beiden Politiker Durban III lange vor Ländern wie der Tschechischen Republik, Italien und den Niederlanden boykottieren und die UNO-Veranstaltung verlassen müssen.

Amirsedghi, eine bekannte deutsch-iranische Wissenschaftlerin und Autorin, sieht in Deutschlands Behandlung Israels und seiner Entscheidung, an Durban III teilzunehmen, eine Form der „Pathologie“.  Sie sagte, die deutsche Außenpolitik unterstütze die „Bande von Mördern im Iran und bei der Hamas“ und dränge gleichzeitig Israel, nach Frieden zu streben.

Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verkündet hat, sie lehne die palästinensischen Bemühungen ab, im September die Anerkennung als 194. Mitglied der UNO zu erhalten, ist ihre sprunghafte UNO-Politik ein guter Grund für Israel, Zweifel daran zu haben, ob sich der jüdische Staat wirklich auf Deutschland verlassen kann.


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