Iran: Pragmatisch, aber machtbewusst

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Nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Hassan Rohani wird auch in iranischen Politforen über einen möglichen iranisch-amerikanischen Dialog diskutiert, allerdings nur in dem engen Rahmen, den das islamistische Regime vorgibt. Es gibt jedoch offenbar Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob man überhaupt mit den USA reden solle und wenn ja, mit welchem Ziel. Der iranische Experte für internationale Beziehungen Kayhan Barzegar hat in einem Beitrag die Möglichkeiten eines iranisch-US-amerikanischen Dialoges analysiert. Barzegar lehrt an der Teheraner „Freien Universität“ und ist Direktor des Forschungsinstituts für strategische Studien des Mittleren Ostens. Seine Analyse erschien am 13. August 2013 in der Nachrichtenagentur Tabnak.

Barzegar schreibt, dass manche für einen Dialog seien, weil sie sich davon die Aufhebung der Sanktionen und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Iran erhoffen. Manche Iraner seien aber auch gänzlich gegen einen Dialog mit den USA. Solche Gespräche würden die politisch-ideologischen Interessen des Iran gefährden, argumentierten sie. Somit habe sich die Frage, ob ein Dialog mit den USA geführt werden soll, zu einem sehr komplizierten Thema entwickelt. Ein Dialog sei nur dann möglich, wenn zwischen den verschiedenen im Iran vorherrschenden Positionen ein Konsens gefunden werden könne.

Barzegar schreibt, dass aus der Perspektive der Reformer, gemeint sind die Reformislamisten, „Amerika eine Supermacht“ sei, die die „Schlüsselrolle bei den Atomverhandlungen mit der Gruppe 5+1″, den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland, spiele. Die USA sei die „Hauptkraft, die hinter der Weltkoalition für die Bewilligung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran steht“. Diese Gruppe denke, dass eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Iran von den Beziehungen zu den USA abhänge.

Die Prinzipialisten, die man im Iran „Osulgara“ nennt, würden dagegen jenseits der Wirtschaftsprobleme das Atomprogramm in den Mittelpunkt stellen und betrachteten es als ein politisch-ideologisches Problem, das die iranisch-amerikanischen Beziehungen berühre. Die Prinzipialisten gehen Barzegar zufolge davon aus, dass das Hauptziel der US-Regierung die „Schwächung der islamischen Revolution“ sei. Die US-Regierung benutze das Atomthema als ein Vorwand, um ein Regime Change im Iran zu realisieren.

Barzegar zufolge gibt es zudem einen dritten „gemäßigten“ Weg, der von dem neuen Präsidenten Rohani vertreten werde. Rohani würde zwar den iranisch-amerikanischen Dialog als ein „notwendiges“ Problem betrachten. Er sei aber bestrebt, zwischen den beiden ersten Positionen ein „Gleichgewicht“ herzustellen. Der neue Präsident werde versuchen einen „Zwischenweg“ einzuschlagen, der „allmählich den Dialog mit Amerika verfolgt.“ Barzegar fügt hinzu, dass wenn die amerikanische und die iranische Regierung sich auf das Atomprogramm konzentrieren würden, dies „spürbare sicherheitspolitische und wirtschaftliche Vorteile in kurzer Zeit mit sich bringen würde“.

Iran könnte in dem Fall sein Atomprogramm transparenter gestalten, betont Barzegar. Gleichzeitig könnte Rohani versuchen, innenpolitisch Punkte zu machen, wenn der Erfolg seiner Strategie langsam sichtbar werde. Wenn schließlich die sicherheitspolitische Bedrohung des Iran durch das Ausland abgenommen haben, müsse Rohani versuchen, Probleme des Atomprogramms zu lösen, in dem er ein Gleichgewicht herstelle zwischen dem „Recht auf Urananreicherung auf iranischem Boden“, was eine iranische Forderung sei und der Verhinderung eines militärischen Atomprogramms, was amerikanischen Interessen entspräche. Das Problem sei ferner, ob die US-Regierung oder der Iran den ersten Schritt zum Dialog gehen werde. Iran jedenfalls werde nur im Falle einer Win-win-Situation in einen Dialog eintreten.

Dank seiner Erfahrung im Nationalen Sicherheitsrat des Iran und als Diplomat wisse Rohani sehr gut, wie er die „Interessen und die nationale Sicherheit des Iran vertritt“, schreibt Barzegar. Der iranische Politikwissenschaftler hebt auch hervor, dass manche Experten im Iran der Meinung seien, dass der Dialog zunächst über weniger brisante Themen wie über Syrien oder Afghanistan geführt werden sollte.

Barzegar meint, dass der Iran seine strategischen Interessen gegenüber den USA nur aus einer Position der Stärke durchsetzen könne. Er stellt die „Islamische Republik Iran“ und die USA auf die gleiche Stufe. Beide Staaten hätten entgegengesetzte ideologische und sicherheitspolitische Interessen und solange sie versuchten, die Machtposition des jeweils anderen in der Region zu schwächen und sie sich gegenseitig bedrohten, würden sie sich voneinander entfernen und nicht einander annähern.

Barzegar hebt hervor, dass die „aktive Präsenz des Iran in der Region direkt mit den nationalen Sicherheitsinteressen des Iran zusammenhängt“. Zudem würden auch die „geopolitischen Vorteile“ des Iran zum Zug kommen. Er schlussfolgert, dass die „Regionalpolitik des Iran komplizierter ist, als dass diese nach dem Willen der USA verändert werden könnte“. Daher schlägt er vor, dass diese Interessen nicht in den iranisch-amerikanischen Dialog eingebracht werden sollten, denn dies würde die „Gespräche schwächen“. Wenn die US-Regierung aber bei den Atomverhandlungen den Iran davon überzeugt, dass keine Bedrohung für den Iran existiert, d.h. wenn die USA für Vertrauen sorgten, dann könnten auch andere Themen diskutiert werden.

Barzegar schlägt vor, die Gespräche mit der US-Regierung nur auf das Atomprogramm zu beschränken. Barsegar meint, dass Rohani „ernsthaft bereit ist, mit der US-Regierung zu diskutieren“. Die Obama-Regierung müsse diese Gelegenheit nutzen. Sie müsse die ersten Schritte machen, die Sanktionen gegen den Iran aufheben, damit ein „Gleichgewicht in der iranischen Innenpolitik hergestellt werde und Grundlagen geschaffen werden, damit bilaterale Gespräche zwischen der amerikanischen und der iranischen Regierung stattfinden können.“ Ansonsten würden sich sehr bald diejenigen Kräfte im Iran durchsetzen, die gegen einen Dialog mit den USA seien.

Barzegars Ideal ist ein Gleichgewicht der Macht der totalitären Diktatur und eine Anerkennung der totalitären Diktatur als gleichberechtigter Partner. Schon Mohammad Khatami und sogar Ahmadinejad sahen einen potentiellen Dialog mit der US-Regierung als eine Herausforderung für die Machtposition der islamistischen Diktatur. Dank der Fortschritte des iranischen Atomprogramms fühlt sich die islamistische Diktatur des Iran heute stärker als jemals zuvor. Es ist weniger die Frage nach Pragmatismus oder ideologisches Handeln, sondern eine reine Machtfrage, die am Ende zwei Fliegen mit einem Schlag erledigen will: Rohani will als Atommachtpolitiker pragmatisch handeln, einen Dialog führen, um die Macht der ideologischen und totalitären Diktatur des Islamismus zu stabilisieren.
Die Hauptverlierer dieses diplomatischen Spiels werden diejenigen Iraner sein, die sich nach Freiheit sehnen.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.

 


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