ULRICH W. SAHM – Netanjahu will Infrastruktur der Hamas zerschlagen

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Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm

Jerusalem, 17. Juni 2014  – Die Suche nach drei vermissten jugendlichen Israelis, die am Donnerstag von Palästinensern entführt worden sind, zieht immer weitere Kreise.

Die umfassende Berichterstattung in den israelischen Medien geht seit Freitag unvermindert weiter. Doch viele Informationen werden zurückgehalten. Aus Erklärungen des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu geht hervor, dass die israelischen Sicherheitsbehörden klare Hinweise zur Hamas als Entführer hätten. Einzelheiten nannte er nicht, rechtfertigte so aber Hausdurchsuchungen in der Gegend von Hebron und in Flüchtlingslagern wie Jenin, Balata bei Nablus und Dehaische in Bethlehem. Mehr als 200 Kämpfer der Hamas und andere sind zwecks Verhör verhaftet worden, darunter Parlamentsabgeordnete der Hamas, ein hoher Offizier der Palästinensischen Polizei, freigelassene Gefangene des Austausches für den fünf Jahre in Geiselhaft der Hamas festgehaltenen Soldaten Gilad Schalit. Die Israelis argumentieren, dass die Hamas das Abkommen zur Amnestierung der Gefangenen gebrochen habe, indem die nun doch wieder mit der Entführung „Terror“ verübt habe.

In Ramallah, dem Sitz der „Einheitsregierung“ wurden ähnliche Töne laut. Dem Präsidenten Mahmoud Abbas nahestehende Berater redeten von einem  „Dolch in den Rücken“ der Einheitsregierung, da die Hamas im Rahmen der gemeinschaftlichen Technokratenregierung versprochen hätte, keinen Terror zu verüben.

Die israelische Regierung und das Militär gehen weiterhin von der „Arbeitshypothese“ aus, dass die drei Entführten am Leben seien und irgendwo im Westjordanland versteckt gehalten würden. Das erkläre die umfassenden Ausgangssperren, die Erneuerung der Straßensperren und vor allem die systematischen Hausdurchsuchungen, was die palästinensische Seite als „Kollektivbestrafung“ bezeichnet.

2012 wurde im Dorf Urif ein unterirdisches „Gefängnis“ der Hamas entdeckt mit eingelagerten Nahrungsmitteln für zwei Jahre und Waffen. Der Zugang zu den in den Fels gehauenen Gängen und Gewölben befand sich unter dem Waschbecken der Küche eines Wohnhauses.

Israelischen Reportern wurde von Sicherheitskreisen mitgeteilt, dass die israelische Armee jetzt die „Ställe komplett säubern“ wolle und gegen alles vorgehe, was „grün bemalt“ sei, womit die Farben der Hamasorganisation gemeint sind. Neben der gründlichen Suche nach den Vermissten wolle Israel auch die Infrastruktur der Hamas im Westjordanland zerschlagen, die Finanzierungswege zertrennen und Familienbesuche bei Häftlingen in israelischen Gefängnissen unterbinden. Zudem ist Männer im Alter zwischen 14 und 50 Jahren aus der Gegend von Hebron die Ausreise über die Allenbybrücke nach Jordanien verboten worden.

Hinter vorgehaltener Hand wird gesagt, dass die Autonomiebehörde „nicht unglücklich“ sei über die Aktionen der israelischen Sicherheitsbehörden. Denn die palästinensische Polizei habe im frommen und von der Hamas kontrollierten Hebron kaum Zugang. „Tausende“ Hamas-Aktivisten sitzen immer noch in palästinensischen Gefängnissen. Weiter wurde in Ramallah behauptet, dass die Hamas in Gaza nicht nur wiederholt zur Entführung von Israelis als effektivstes Mittel aufgerufen habe, „alle“ palästinensischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freizupressen. Kurz vor der Entführung habe der Auslandschef der Hamas, Chaled Mashal, den Gefangenen eine „Antwort in wenigen Tagen“ versprochen. Das alles gilt als Hinweis für die Beteiligung der Hamas an der Entführung, obgleich weiterhin niemand die Verantwortung auf sich genommen hat oder Forderungen für eine Freilassung der Jugendlichen geäußert hat.

Israelis und Palästinenser machen sich gegenseitige Vorwürfe. So behaupten Palästinenser, dass die Entführung im vollständig von Israel kontrolliert C-Gebiet passiert sei, weshalb den Palästinensern oder gar der Hamas keine Vorwürfe gemacht werden könnten. Die Israelis, darunter der Premierminister, entgegnen, dass die Täter aus den palästinensisch kontrollierten A-Gebieten gekommen seien und mutmaßlich die Entführten dort auch versteckt hielten.

Die Hamas im Gazastreifen bezeichnet die Jugendlichen als „israelische Soldaten“, obgleich zwei von ihnen nur 16 Jahre alt sind. In den Medien im Ausland werden sie als „Siedlerkinder“ dargestellt, obgleich einer aus Elad stammt, einer Ortschaft bei Petach Tikwa im Kernland Israels. Gregor Gysi hat in einer Pressemitteilung von „Die Linke“ und auf seiner Facebook-Seite behauptet, dass die Jugendlichen in Hebron entführt worden seien. Tatsächlich fand die Entführung bei Kfar Etzion statt, 30 Kilometer nördlich von Hebron. Weiter behauptete der Politiker nach einem Besuch in Israel, dass Hebron von Israel völkerrechtswidrig besetzt gehalten werde. Korrekt behauptet er dann, dass sich der Vorfall in der C-Zone des Westjordanlandes ereignet habe, in der allein Israel die Kontrolle ausübt. Doch Hebron befindet sich in der A-Zone, also unter voller palästinensischer Kontrolle und der Sicherheitsverantwortung der palästinensischen Polizei. „Als Zwischenschritt sollte Israel wenigstens Polizeistrukturen Palästinas auch in dieser Zone zulassen, um notwendige Hilfe zur Vermeidung oder Aufklärung von Verbrechen zu erhalten.“ Genau das hat Israel seit den Osloer Verträgen 1994 getan, was aber Übergriffe auf Israelis, Verbrechen und die Entsendung von Selbstmordattentätern mehrere Jahre lang, bis zum Bau der Sperrmauer, nicht verhindert hat. Gysi scheint einiges durcheinander gebracht zu haben.

 

 


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