ULRICH W. SAHM – Die perfekte Arierin war Jüdin

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Hessy Taft zeigt die Nazi-Postille mit ihrem Babyfoto Foto: ohad zwigenberg

Hessy Taft zeigt die Nazi-Postille mit ihrem Babyfoto. Foto: Ohad Zwigenberg

Jerusalem, 2. Juli 2014 – Josef Goebbels, der Nazi Propaganda Minister, soll das Babyphoto einer „typischen Arierin“ persönlich ausgewählt haben, um damit den Titel der illustrierten Familienzeitschrift „Sonne im Haus“ Heft 24 des Jahrgangs 1935 zu schmücken. Doch die Nazis wussten nicht, dass das ausgewählte Baby mit den Pausbacken in Wirklichkeit jüdisch war und Hessy Levinson hieß. Das Kleinkind von damals ist heute Chemie-Professorin in New York und heißt Hessy Taft. Ihre Eltern, Jacob und Pauline Levinson, kamen 1928 von Lettland nach Berlin. Sie waren Sänger. Wegen dem grassierenden Antisemitismus in Berlin verlor der Vater seine Anstellung bei der Oper. Mutter Pauline nahm 1935 ihr sechs Monate altes Baby zum bekannten Fotografen Hans Ballin, um ein gutes Foto machen zu lassen. Monate später entdeckte sie zu ihrem Schrecken das Bild auf der Titelseite der Nazi-Zeitschrift.

Die Mutter wandte sich empört an den Fotografen. Ballin wisse doch, dass die Familie jüdisch sei. „Ich weiß, aber ich wollte die Nazis lächerlich machen. Ich wollte mir den Spaß erlauben,“ zitiert Taft die Geschichte, wie sie Ihr von den Eltern erzählt worden war. Die Nazis hatten aus dem Bild auch Postkarten gemacht. Eine entfernte Tante in Memel im heutigen Litauen erkannte das Kind wieder.

Die Eltern hatten Angst, dass ihr Baby auf der Straße wiedererkannt werden könnte und versteckten es in ihrem Heim. 1938, nachdem der Vater von der Gestapo verhaftet worden war und wieder frei gekommen war, floh die Familie über Paris und Kuba in die USA.

Die heute 80-jährige Tessy Heft hat jetzt ihre originalen Babyfotos und eine Ausgabe der Zeitschrift „Sonne ins Haus“ mit ihrem Abbild auf der Titelseite der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem übergeben.

Dabei sagte Taft der Bild-Zeitung, dass sie heute „Hochachtung“ für den Fotografen habe. „Und ich empfinde ein bisschen Rache, so etwas wie Genugtuung.“

Die Geschichte, die Bild unter dem Titel “Ich war Hitlers Propaganda-Baby” veröffentlicht hat, wurde inzwischen von jüdischen Zeitschriften in aller Welt und israelischen Zeitungen aufgegriffen. „Jetzt kann ich darüber lachen. Aber hätten die Nazis erfahren, wer ich wirklich bin, wäre ich heute nicht am Leben.“

Taft hat die Dokumente der Jerusalemer Gedenkstätte im Rahmen der Kampagne „Fragmente sammeln“ gestiftet. Fotos und andere Erinnerungsstücke mit Zusammenhang zum Holocaust sollten in Jad Vaschem „für alle Ewigkeit“ aufbewahrt werden.

 

 

 

 


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