Ein persönlicher Erfahrungbericht von einem Selbstversuch in Berlin-Neukölln: Beschimpft, bespuckt, bedroht: „Du bist tot!“

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Photo: Beschimpft, bespuckt, bedroht: "Du bist tot!"<br />
Ich möchte all meinen Facebook-Freunden gern von einem Selbstversuch berichten. Montag, 11.8.2014, Berlin-Neukölln.<br />
Aus Solidarität mit den in Deutschland lebenden Juden, die in den vergangenen, die antisemitischen Übergriffen ausgesetzt waren bzw. sind, habe ich an meinem Auto zwei kleine Fan-Fähnchen. Eine schwarz-rot-goldene und eine israelische mit dem Davidsstern. Damit bin ich nach Neukölln-Nord gefahren, zu einem Termin bei der AOK. Ab Bhf. Neukölln zog das nicht nur irritierte Blicke nach sich, sondern an Ampeln auf Beschimpfungen. "Juden-Schwein", Mörder, Wixer ... alles dabei. Tür-Verriegelung runter. Aus insgesamt drei nachfolgenden Autos wurde ich gefilmt oder fotografiert. An einem Fußgänger-Überweg von türkischen oder arabischen Jugendlichen bespuckt. Wäre die Ampel nicht auf grün gesprungen, hätten sie mir die Fahne abgerissen. In der Karl-Marx-Straße: Geschäfte mit T-Shirts "Free Palestine" auf dem Gehsteig. Daran ein DIN A4-Zettel "10 Euro als Spende für Gaza". Weitere Shirts mit Kindern mit Kalaschnikov. Landkarten ohne Israel. Vor der AOK mache ich die Fahne lieber ab. Drinnen von über 30 Kunden nur zwei Nicht-Migranten. Da kann man nicht mal erzählen, mit der Hoffnung auf Verständnis. Noch ein kurzer Termin in Kreuzberg Ritterstraße. Ich fahre nicht über Kottbusser Tor. Zu lange Wartezeiten an den Ampeln. Angst. Angst? In Berlin?<br />
Am Straßenrand drei arabische Jungs. ca. 10 bis 12 Jahre. Sie bleiben wie angewurzelt stehen, zeigen auf die Fahne. Beschimpfen mich. Einer zieht sich vorn die Hose runter (Unterhose an). Ein zweiter zeigt auf mich und setzt die andere Hand an die Kehle. Weiterfahrt. Prinzenstraße. Ein Mann mit Vollbart bleibt stehen,  läuft auf mich zu: "Du bist tot!" Grün.<br />
Ich fühle mich wie im Feindesland. In fremder Uniform hinter der Front abgesetzt. Im Krieg. Unfassbar.<br />
Ich bin in Deutschland im Jahr 2014. In der toleranten, multikulturellen Hauptstadt Berlin. Wahnsinn.<br />
Ich fahre nach Hause Richtung Britz. Jetzt noch den Falafel-Test. Ich halte direkt vor dem Imbiss in der Hermannstraße. "Was soll die Scheiße?" werde ich begrüßt. "Verpiss disch". Ok. Da hat sich jede Frage oder Diskussion erledigt. Den Test bei "meinem" Döner-Stand mache ich nicht. Weiß nicht warum? Weil er mich dann nie mehr bedient?<br />
Ich ärgere mich über mich selbst.<br />
Als ich einparke, bin ich sauer, verzweifelt, fassungslos.<br />
Ich kann einfach nach Hause fahren. Die Fahne abmachen. Nur noch "neutraler" Deutscher sein.<br />
Aber die Juden, die Israelis, die täglich an Leib und Leben Bedrohten? Die das nicht können. Und wie muss das erst 1933 gewesen sein. Wenn deine Heimat zum Feindesland wird ...?<br />
Wie soll das weitergehen?</p>
<p>Ich empfehle dieses oder ähnliche Versuche allen Politikern und Journalisten, die sich die Welt schönreden und -schreiben. Setzt euch eine Kippa auf, tragt einen Davidsstern oder gar einen schwarzen Mantel. Und dann auf in die Vielfalt, Friedfertigkeit und Toleranz des Islam. Allein. Ohne Begleitschutz.<br />
Und dann diskutieren wir weiter. </p>
<p>Ich fahre weiter mit der Fahne. Nicht immer und nicht überall. Aber in dem Bewusstsein, auf der richtigen Seite zu stehen.<br />
ShalomIch möchte gern von einem Selbstversuch berichten…

Montag, 11.8.2014, Berlin-Neukölln.

Aus Solidarität mit den in Deutschland lebenden Juden, die in den vergangenen Tagen und Wochen antisemitischen Übergriffen ausgesetzt waren bzw. sind, habe ich an meinem Auto zwei kleine Fan-Fähnchen. Eine schwarz-rot-goldene und eine israelische mit dem Davidsstern. Damit bin ich nach Neukölln-Nord gefahren, zu einem Termin bei der AOK.

Ab Bhf. Neukölln zog das nicht nur irritierte Blicke nach sich, sondern an Ampeln auf Beschimpfungen. „Juden-Schwein“, Mörder, Wixer … alles dabei. Tür-Verriegelung runter. Aus insgesamt drei nachfolgenden Autos wurde ich gefilmt oder fotografiert. An einem Fußgänger-Überweg von türkischen oder arabischen Jugendlichen bespuckt. Wäre die Ampel nicht auf grün gesprungen, hätten sie mir die Fahne abgerissen. In der Karl-Marx-Straße: Geschäfte mit T-Shirts „Free Palestine“ auf dem Gehsteig. Daran ein DIN A4-Zettel „10 Euro als Spende für Gaza“. Weitere Shirts mit Kindern mit Kalaschnikov. Landkarten ohne Israel. Vor der AOK mache ich die Fahne lieber ab. Drinnen von über 30 Kunden nur zwei Nicht-Migranten. Da kann man nicht mal erzählen, mit der Hoffnung auf Verständnis. Noch ein kurzer Termin in Kreuzberg Ritterstraße. Ich fahre nicht über Kottbusser Tor. Zu lange Wartezeiten an den Ampeln. Angst. Angst? In Berlin? 

Am Straßenrand drei arabische Jungs. ca. 10 bis 12 Jahre. Sie bleiben wie angewurzelt stehen, zeigen auf die Fahne. Beschimpfen mich. Einer zieht sich vorn die Hose runter (Unterhose an). Ein zweiter zeigt auf mich und setzt die andere Hand an die Kehle. Weiterfahrt. Prinzenstraße. Ein Mann mit Vollbart bleibt stehen, läuft auf mich zu: „Du bist tot!“ Grün.

Ich fühle mich wie im Feindesland. In fremder Uniform hinter der Front abgesetzt. Im Krieg. Unfassbar.

Ich bin in Deutschland im Jahr 2014. In der toleranten, multikulturellen Hauptstadt Berlin. Wahnsinn. 

Ich fahre nach Hause Richtung Britz. Jetzt noch den Falafel-Test. Ich halte direkt vor dem Imbiss in der Hermannstraße. „Was soll die Scheiße?“ werde ich begrüßt. „Verpiss disch“. Ok. Da hat sich jede Frage oder Diskussion erledigt. Den Test bei „meinem“ Döner-Stand mache ich nicht. Weiß nicht warum? Weil er mich dann nie mehr bedient?

Ich ärgere mich über mich selbst.

Als ich einparke, bin ich sauer, verzweifelt, fassungslos.

Ich kann einfach nach Hause fahren. Die Fahne abmachen. Nur noch „neutraler“ Deutscher sein.

Aber die Juden, die Israelis, die täglich an Leib und Leben Bedrohten? Die das nicht können. Und wie muss das erst 1933 gewesen sein. Wenn deine Heimat zum Feindesland wird …?

Wie soll das weitergehen?

Ich empfehle dieses oder ähnliche Versuche allen Politikern und Journalisten, die sich die Welt schönreden und -schreiben. Setzt euch eine Kippa auf, tragt einen Davidsstern oder gar einen schwarzen Mantel. Und dann auf in die Vielfalt, Friedfertigkeit und Toleranz des Islam. Allein. Ohne Begleitschutz. Und dann diskutieren wir weiter.

Ich fahre weiter mit der Fahne. Nicht immer und nicht überall. Aber in dem Bewusstsein, auf der richtigen Seite zu stehen.

Shalom


351 Kommentare
  • Sven

    Die Palistinänser werden seit Jahren unterdrückt. Diese selbstgebastelten
    Raketen mit denen die rumballern sind kein Vergleich zu den
    schrecklichen Vernichtungswaffen Israels. Ein Polizeieinsatz wäre eher
    angebracht. Was Israel da macht ist eine Menschenrechtsverletzung! Und
    hätten nicht alle Politiker Angst als Antisemitisch zu gelten würden
    scharfe Sanktionen folgen. Aber leider darf Israel wie so oft mal wieder
    die Menschenrechte mit Füßen treten.

  • Selim

    Man muss auch sehen können, dass man selber auf Konfrontation aus ist. 
    Ich will das Verhalten dieser Menschen nicht verteidigen, aber man geht auch nicht in BVB Montur bei den Bayern in die Fankurve. 
    Und so ticken Menschen nunmal, sie sind für die eine oder die andere Mannschaft. 
    Es kann nicht darum gehen, dass eine Mannschaft recht hat und die andere nicht, der eine böse ist und der andere gut. Es ist nicht möglich Konflikte auf diese Art zu lösen.

  • osito

    Wahrscheinlich kann man mit den deutschen den israelischen & den palästinensischen Fähnchen am Auto egal wo auf der Welt besser Verwirrung stiften als mit nur 1 oder 2 dieser Fähnchen. Anstatt stereotype Emotionen hervorzurufen und ungesunde Positionen zu verfestigen, wünsche ich mir, dass der öffentliche Raum ein internationaler Denkraum bleibt/wird und unsere Denkorgane anregt Meinungen zu bilden/ändern/äußern. Ich wäre natürlich froh wenn einerseits weniger verbrecherische Meinungen zu hören wären, andererseits ist es mir 1000 & 1x lieber zu „wissen“, was in den Köpfen und Herzen der Mitmenschen so vor sich geht, als zornig kalte strafende Blicke zu ernten und von menschenverachtender Stille umschlossen zu werden. Die Anonymität in Großstädten kann wie ein Schutzschild sein aber auch wie ein gleichgültiges Monster. Ich versuche bodenständig zu bleiben und warum sollte ich meinen Kopf nicht in/über den Wolken haben? Heiterkeit ist meine Devise. Ein Lachen/Lächeln zwischen zwei Seelen entwaffnet und baut Brücken – reißt Mauern ein. 

    Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten! Du wirst nicht alle Menschen lieben / verstehen können, aber du solltest respektieren, dass jede/r/s Mann/Frau/Kind – auch der/die/das von dir ungeliebte! – der/die/das dir unbekannte! – der/die/das dich nicht liebende! – das Recht hat, ihre/seine individuellen Vorstellungen von „gutem Leben (und Sterben) im Diesseits“ zu verwirklichen, sofern er/sie/es dadurch nicht gegen die gleichberechtigten Interessen Anderer verstößt.

    Im Buddelkasten wird gern mit Sand geschmissen, 
    auf die Straßen wird nicht nur von Hunden geschissen, 
    die Ratten der Lüfte gurren,
    die Opas & Omas murren,
    die Füchse tollen über Friedhof und Wiese,
    in der U-Bahn stößt den Kopf sich ein Riese,
    ein obdachloser Schlucker jault auf und 
    mit seinem Geblubber vergrault er uns,
    durch die hohen Lüfte die alten Schwalben 
    und die frisch Geschlüpften sausen, 
    übern Asphalt die Auto-/Fahrradjunkies brausen,
    auf dem Bordstein die Buggys und Hackenporsches, 
    in den trüben Gewässern schwimmt was Morsches,
    die Tempelhofer Freiheit wird erobert und entdeckt,
    der blaue Himmel sich mit weißen Wolken bedeckt,
    aus dem All scheint der ewige Feuerball,
    von der ISS funkt es: „ihr habt alle einen KNALL“!

    veganize yourselves

  • PaulGoldmann

    Ich
    kann es nicht mehr hören! Wenn wir über die im Artikel geschilderten
    Ereignisse sprechen, dann muss dies möglich sein, ohne dabei permanent
    auf den Krieg in Gaza zu rekurrieren. Es macht überhaupt keinen Sinn,
    wie einer meiner Vorredner auf der Seite,
    zu Beginn relativierend anzumerken, dass man nicht vorhabe, das
    Verhalten der Berliner Migranten zu billigen, und im Anschluss daran,
    dann doch zu realtivieren, indem man darauf verweist, dass sie eben
    nunmal Israel nicht mögen. Worum es dem Autor hier eigentlich geht,
    liegt doch auf der Hand: Eine Person, die weder etwas mit dem
    Gazakonflikt noch mit den Migranten zu tun hat, wird massiv bedroht,
    weil sie eine israelische Flagge am Auto durch Neuköln fährt. Das ist
    völlig inakzeptabel. Mal angenommen, ein Palästinenser, dessen Familie
    vom Krieg betroffen wäre, würde abweisend bzw. zornig auf die
    Isrealfahne reagieren: Das könnte ich nachvollziehen; den nächsten
    Schritt aber, nämlich den, zu körperlicher Gewalt überzugehen,
    akzeptiere ich hingegen nicht. Egal, von wem. Und genau dieses Maß an
    Selbstbeherrschung haben die Jungs aus dem Orient nun einmal nicht.
    Kurioserweise handelt es sich bei den Migranten aus Berlin aber um
    Menschen, die weder vom Krieg betroffen sind (und kommt mir jetzt nicht
    mit etwaigen Ausnahmen – zwölfjährige Präpotente, die an einer Ampel
    Drohgebärden vollführen, wissen rein gar nichts vom Gazakonflikt, ich
    würde mich sogar wundern, wenn sie überhapt wüssten, was das Wort
    „Konflikt“ bedeutet. Die Migranten, die in europäischen Städten leben,
    hier alle Vorteile genießen, mit ihrem fetten Arsch im Sessel sitzend,
    große Reden schwingen und meinen, sie müssten die Ehre der Palästinenser
    verteidigen, indem sie jedem aufs Maul hauen, der es wagt, einer
    Israelflagge zu schwingen, sind nichts weiter als Heuchler. Ich
    wiederhole: Die geschilderten Anfeindungen haben in Wahrheit gar nichts
    mit politischen Überzeugungen zu tun, sondern sind die Manifestation von
    transportiertem Hass gegenüber Israel. Genauso wie bei völlig
    verblödeten Skins: „Ich weiß nicht, warum ich Juden hasse, aber ich
    hasse sie.“ Man müsste sich mal 100 von diesen Leuten nehmen und sie zu
    ihreren politischen Ansichten in Bezug auf Gaza befragen: Es würde
    nichts als Gestammel rauskommen:“ Isch, äh, isch schwör, die Ehre der
    Palästinenser, Du Opfer!“ Der Bezug auf Israel ist bei der totalen
    Mehrheit nichts weiter als die Legitimation für Gewalt gegen andere.
    Dabei ist es sogar völlig egal, gegen wen. Das Führen der Israelfahne
    reicht bereits aus – verdammt noch mal, wo sind wir hier eigentlich? Im
    Übrigen: Weder die arabische Liga noch die reichen und dekadenten
    Golfstaaten unternehmen Versuche, um ihren „Brüdern“ in Gaza zu helfen.
    Der Chef der Hamas lebt in einer Villa in Katar und spielt Tischtennis,
    sofern er nicht gerade im Fitnessstudio trainiert, vor der Kamera mit
    seinen Enkeln betet, oder sich einfach nur darüber wundert, dass die
    Khassam-Brigarden seine Befehle nicht ausführen.
    Ganz
    ehrlich: Das, was hier in Berlin abgeht, ist ein Skandal. Man muss
    dagehen vorgehen. No-Go-Areas dürfen in Deutschland nicht toleriert
    werden. Jeder muss sich überall frei bewegen können, ohne Angst um seine
    Gesundheit zu haben.
    Wären
    die Migranten Skinheads, würden sich hier wahrscheinlich alle extrem darüber
    aufregen, wenn ich sagte:“ Hey, das ist nicht repräsentativ für den
    Stadtteil“. Schon ein paar Tage später wäre die Antifa mit tausend Mann
    vor Ort.
    Fickt Euch alle!!

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