ULRICH W. SAHM – Palästina auf Sinai ausweiten

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P1030612Jerusalem, 9. September 2014 –  Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat den Palästinensern angeblich einen Plan unterbreitet, im Norden der Sinaihalbinsel 1.600 Km² zwischen dem Gazastreifen und El Arisch zu überlassen. Dieses Gebiet wäre fünfmal so groß wie der Gazastreifen. Dort sollten palästinensische Flüchtlinge angesiedelt werden und ein blühendes entmilitarisiertes Staatsgebiet mitsamt Tiefseehafen und Touristenstränden unter der Kontrolle der palästinensischen Verwaltungsbehörde mit Sitz in Ramallah entstehen. Im Tausch für dieses territoriale „Geschenk“ sollte sich Präsident Mahmoud Abbas mit den ohnehin unter palästinensischer Verwaltung stehenden Städten wie Nablus, Bethlehem, Ramallah und Hebron begnügen. Ein Rückzug Israels auf die Waffenstillstandslinien von 1949 würden sich erübrigen. Die meisten israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland könnten bei Israel bleiben.

Was arabische Medien als Idee des ägyptischen Präsidenten verbreitet haben und viele offene Fragen des Nahostkonflikts lösen könnte, wurde postwendend von Präsident Abbas als inakzeptabel zurückgewiesen. Israelische Politiker reagierten trotz offener Fragen wie die Zukunft Jerusalems überwiegend positiv. Premierminister  Benjamin Netanjahu sei von den Ägyptern unterrichtet worden und die Amerikaner fanden angeblich Gefallen an der Idee.

Der Plan ist nach Angaben der Nachrichtenagentur afp nicht ganz neu und wurde schon 1956 vorgebracht, als Ägypten Besatzer im Gazastreifen war. Damals hatten sich die heutigen Palästinenser noch nicht konstituiert und daher auch noch keinen Staat für sich beansprucht. Mit Zustimmung von Ägypten und Jordanien, hätten die Palästinenser dort ihren Staat längst errichten können. Doch vor 1968 hat niemand von Palästinensern oder gar einem palästinensischen Staat im heutigen Westjordanland und Gazastreifen geredet. Damals wie heute ging es darum, Israel wieder verschwinden zu lassen und an seiner Stelle einen arabischen Staat zu errichten.

Die Popularität von Präsident Abbas unter den Palästinensern ist unter 30 % gesunken, während Ismail Hanije, der ehemalige Hamas-Regierungschef aus Gaza, sogar im Westjordanland mehr als 60 % der Wählerstimmen erhielte. Zudem leidet der 2006 zuletzt demokratisch gewählte Abbas unter mangelnder politischer Legitimität.

In dieser innenpolitischer Lage könnte Abbas es sich gar nicht leisten, die wahre „Kernfrage“ des Nahostkonflikts, nämlich die Rückkehr von über 5 Millionen Flüchtlingen in ihre alten Heime in Israel ausgerechnet im ägyptischen Sinai zu lösen. Israelis wie Palästinensern ist klar, dass eine Überschwemmung des jüdischen Staates mit 5 Millionen Arabern ein Ende Israels mit demografischen Mitteln bedeutet.

Die UNO hält mit der allein für die „arabischen Flüchtlinge aus Palästina“ geschaffenen Organisation UNRWA an dem „Rückkehrrecht“ fest, und verewigt so mit das Flüchtlingsleid der Palästinenser in Libanon, Syrien, Jordanien und sogar im Gazastreifen und dem Westjordanland. Alle anderen Flüchtlinge in der Welt genießen kein „Rückkehrrecht“.  Laut UNO-Prinzipien sollen sie „umgehend einem normalen Leben, im Gastland oder in ihrer Heimat“ zugeführt werden. Allein bei den Palästinensern vererbt sich der Flüchtlingsstatus auf Kinder und Urenkel.

Alle Versuche Israels, die Flüchtlingslager in den besetzten Gebieten aufzulösen, scheiterten am Widerstand Ägyptens, der internationalen Gemeinschaft und der Palästinenser.

So verlangte Ägypten vor dem israelischen Rückzug aus dem Sinai 1982 im Rahmen des Friedensvertrags, alle in das UNO-Lager „Camp Canada“ im Sinai umgesiedelten Flüchtlinge aus Gaza wieder in den überfüllten Gazastreifen zurückzunehmen. Bei Nablus, gegenüber des Flüchtlingslagers Balata, hatte Israel ein Wohnviertel mit Infrastruktur errichtet. Doch die Flüchtlinge von Balata wurden mit Drohungen daran gehindert, umzuziehen. Später zogen dort Bonzen der PLO ein.

Abbas hat ein Zeichen gesetzt, als palästinensische Flüchtlinge aus dem Yarmuk-Camp bei Damaskus Zuflucht in den „Palästinensergebieten“ gesucht haben, nachdem viele von ihnen verhungert und zwischen die Fronten des brutalen Bürgerkriegs in Syrien geraten waren. Jordanien hatte ihnen die Einreise verweigert während Libanon nur Syrer einlässt, aber von Palästinensern aus Syrien unbezahlbare Visumsgebühren verlangt.

Die Israelis stimmten einer Aufnahme der Flüchtlinge aus Syrien in den Autonomiegebieten zu, forderten aber, dass sie per Unterschrift auf das „Rückkehrrecht“ verzichten. Das konnte Abbas nicht akzeptieren. Also verweigerte er ihnen die Einreise und überließ sie ihrem Schicksal in Syrien, dem Hungertod oder bei den Kämpfen getötet zu werden.

Die Idee des ägyptischen Präsidenten einer Erweiterung des Gazastreifens auf den Norden des Sinai hätte das schwierigste humanitäre Problem des Nahen Ostens seit 66 Jahre lösen und den Konflikt entschärfen oder gar beenden können. Doch die Absage von Abbas beweist erneut, dass es der palästinensischen Führung nicht um die Menschen und eine Lösung humanitärer Probleme geht, sondern allein um „Palästina“ und um die „Heimkehr“ aller Palästinenser in das Gebiet des heutigen Israel. Im Klartext ist Abbas eine Vernichtung Israels als jüdischer Staat wichtiger, als das Wohlergehen der unterdrückten Flüchtlinge in Libanon, Syrien, Jordanien und sogar in Gaza und im Westjordanland.

Inzwischen hat Al Sisi laut der ägyptischen Zeitung Al Ahram die Meldungen dementiert und vor dem nationalen Lehrertag gemeint, dass niemand derartige Vorschläge machen dürfe. So ist eine verlockende Idee wohl gestorben, noch ehe sie ernsthaft diskutiert werden konnte.


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