ULRICH W. SAHM – Spannungen im Länderdreieck Libanon-Israel-Syrien

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Neues Bild (7)Jerusalem, 22. Januar 2015 – Die amerikanische Botschaft hat vorsorglich mal wieder eine Reisewarnung ausgegeben. Wegen des Messeranschlags in einem Tel Aviver Bus und der Spannungen im Norden Israels dürfen Botschaftsmitarbeiter nicht mehr öffentliche Busse benutzen oder sich der Grenzen zu Libanon oder Syrien nähern. Als ob amerikanische Diplomaten jemals ihre gepanzerten Limousinen verlassen, um in einen Linienbus zu steigen. Die letzte Reisewarnung war erst vor knapp zwei Wochen ausgegeben worden, als die Wetterfrösche Schnee für Jerusalem vorhersagten. Die Amerikaner haben daraufhin US-Touristen und Diplomaten empfohlen, Schaufeln, warme Kleidung und Nahrungsmittel in den Kofferraum ihrer Autos zu packen.

Die letzten biblischen Propheten sind zwar schon vor zweitausend Jahren ausgestorben, heißt es. Aber vielleicht verhält es sich mit den „Spannungen im Norden Israels“ ähnlich, wie mit den Reisewarnungen. Nicht einmal die Fakten lassen sich zuverlässig feststellen, außer der Tatsache, dass bei einem Angriff nahe Kuneitra auf den Golanhöhen ein hoher iranischer General und der Sohn des ehemaligen Hisbollah-Militärchefs Imad Murghnije getötet worden sind. Beide wurden inzwischen, von Tausenden Demonstranten mit „Tod den Israelis“ Rufen begleitet, in Beirut und Teheran feierlich begraben.

Erst hatte es geheißen, dass israelische Hubschrauber am helligten Tag eine Autokolonne mit zwei gezielten Raketen angegriffen hätten. Im Internet kursierten „dramatische“ Bilder. Außer einer unscharfen Rauchwolke hinter einem Hügel war aber nichts zu sehen. Etwas später hieß es, dass Drohnen die Fahrzeuge mit der „Militärdelegation“ angegriffen hätten. Derartige Widersprüche zeugen von Unwissen, auch wenn dazu Kondensstreifen am Himmel gezeigt werden, die man überall hätte filmen können. Das offizielle Israel hüllte sich wie üblich in Schweigen. Doch auch jetzt noch, wenn der Herr Verteidigungsminister Bougie Jaalon oder hohe israelische Generale detailreich rechtfertigen, wieso Israel ein „Recht“ habe, Offiziere der Hisbollah oder gar des Iran anzugreifen, berufen die sich weiterhin auf „ausländische Quellen“. Der iranische Brigadegeneral Mohammad Ali Allahdadi wurde als hochrangiger iranischer Offizier dargestellt, der mit viel Geld die Aktionen der Hisbollah koordiniere, um das Regime des Baschar Assad in Syrien zu schützen. Angeblich hätten die Israelis gewusst, dass der Iraner in einem der Autos mit weiteren iranischen Offizieren gesessen habe. Der junge Dschihad Murgnijeh hingegen, ein Liebling des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah, sei ein „Zufallstreffer“ gewesen. Manchmal wird es auch andersherum dargestellt. Erwartungsgemäß kommen jetzt die Racherufe, der Hisbollah im Libanon wie des Iran. Israel müsse mit einem „Gewittersturm mit vielen Blitzen“ rechnen.

Darauf bereitet sich vorsorglich die israelische Armee vor, nicht mit Regenschirmen, sondern mit einer „Eisenkappe“ Batterie im Norden und einer „Verstärkung der Truppen“. Zu sehen sind lange Reihen ziviler Sattelschlepper mit Panzern auf der Ladefläche. Die Bewohner des Nordens wurden wegen einer „erheblichen Zunahme des Militärverkehrs“ am Wochenende vorgewarnt. Bauern dürfen schon seit Tagen nicht mehr ihre Felder in Sichtweite des Libanon bestellen. Die Straße entlang der Grenze zum Libanon ist für Zivilverkehr gesperrt. Ob das nur Vorsichtsmaßnahmen sind, Beruhigungspillen für die Bevölkerung, oder israelisches Säbelrasseln, lässt sich nicht ermitteln. Vielleicht wird ja tatsächlich mit einem Angriff aus Libanon gerechnet.

Die Grenzbewohner fürchten sich weniger vor rund 50.000 Raketen, in den Arsenalen der Hisbollah und „jeden Punkt in Israel, auch jenseits von Tel Aviv“ treffen könnten, wie Nasrallah protzt. Vielmehr wollen sie Klopfgeräusche aus dem Abfluss ihrer Waschbecken gehört haben. Ist die Hisbollah damit beschäftigt, Angriffstunnel unter der Grenze hinweg in Richtung israelisches Territorium vorzutreiben? Israelische Militärs behaupten, von nichts zu wissen. Aber die Grenzbewohner lassen sich nicht beirren. Sie hätten sich an einen internationalen Konzern aus Finnland gewandt, um nach Tunnelgräbern zu suchen. Die Anwohner hoffen, dass die Armee sie nicht daran hindert, selber nach Tunnels zu suchen. Denn wie am Gazastreifen sind diese Tunnels sehr gefürchtet. Aus ihnen könnten auf einen Schlag hunderte feindliche Kämpfer hervorkommen, mitten in einer Ortschaft, um die Israelis abzuschlachten.

Natürlich kann jederzeit ein Krieg ausbrechen. Widersacher von Premier Benjamin Netanjahu behaupten, dass ihm jetzt beim Wahlkampf ein Krieg willkommen sei. Syrien hingegen sei mit dem Bürgerkrieg so sehr beschäftigt, dass Assad an einem Krieg gegen Israel nicht gelegen sein könnte. Die Hisbollah sei bis zum Hals in den Bürgerkrieg in Syrien involviert. Doch was hatten dann Murgnijeh und der iranische General im Grenzgebiet zu suchen? Sehenswürdigkeiten gibt es dort keine. Und ob die israelischen Angaben zu einem „unmittelbar bevorstehenden Anschlag auf die Grenze“ wirklich stimmen, lässt sich nicht nachprüfen, solange Iran und Hisbollah nicht verraten, was das Ziel der „Inspektionsfahrt“ war.

 

 


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