ULRICH W. SAHM – Posttrauma des Holocaust

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Ulrich W. Sahm

Jerusalem, 16. April 2015 – Erwachsene Kinder von Holcaustüberlebenden in Israel tendieren dazu, als existentiell empfundene Gefahren, wie etwa eine iranische Atombombe, ernster zu nehmen als die Nachkommen von Juden, die den Holocaust nicht miterlebt haben. Das ergab eine Studie des Trauma-Experten der Bar Ilan Universität Amit Schrira.

Die Nachkommen der Überlebenden sehen die Welt als einen gefährlichen Ort, und spüren Gefahren, die symbolisch mit der Schoah, dem Völkermord der Nazis an den Juden, verknüpft werden können. Die Studie zeige, dass die Überlebenden eine „weniger positive Weltanschauungen an ihre Kinder vererben.“ Die Studie wurde schon 2012 durchgeführt, als sich die Medien und die öffentliche Meinung in Israel besonders intensiv mit den iranischen Bemühungen um eine Atombombe befassten. Bei der Studie wurden Kinder von Überlebenden befragt und zum Vergleich Kinder von Juden, die keine Erfahrung mit dem Genozid gemacht haben.  Die Kinder der Holocaustüberlebenden seien deutlich stärker von dem „Feindselige Welt Szenario“ erfasst und beschäftigen sich intensiver mit Überlebensängsten. Sogar bei den Enkeln, also in der dritten Generation, könnten Symptome eines „Post-Trauma“ ermittelt werden. 550 Israelis seien für die Studie befragt worden. Die Teilnehmer seien nicht nach ihrer heutigen politischen Ausrichtung befragt worden, berichtet die linksliberale Zeitung Haaretz.

Eine frühere Studie ergab, dass Überlebende von ihren Kindern als „kalt, unerreichbar und distanziert“ wahrgenommen worden seien. Die Eltern seien „over-protective“ und hätten ihre Kinder nicht alleine auf die Straße oder zu Treffen mit anderen Kindern gehen lassen.

Der Staat Israel hat seit seiner traumatischen Gründung 1948, als die Armeen arabischer Staaten einen Vernichtungskrieg führten, um den jüdischen Staat sofort wieder auszulöschen, mehrfach eine existentielle Bedrohung erlebt. 1967, vor dem 6-Tage-Krieg, den Israel dann sehr schnell gegen Syrien, Ägypten, Irak und Jordanien gewonnen hatte, wurden Stadtparks wie in Ramat Gan für Massengräber vorbereitet. 1973, nach dem Überraschungsangriff von Ägypten und Syrien, gab es in Israel das verbreitete Gefühl, dass dieser Krieg das Ende des Staates bedeuten könnte. General Mosche Dajan soll in Anwesenheit von amerikanischen Diplomaten mit dem Einsatz der „ultimativen Waffe“ gegen Ägypten gedroht haben, was den US-Außenminister Henry Kissinger zu Waffenlieferungen per Luftbrücke bewegt haben soll, um Israel zu retten. Der deutsche Kanzler Willy Brandt soll zuvor von den Angriff gewusst, die Informationen aber nicht an die israelische Regierung weitergegeben haben. Brandt hat den amerikanischen Frachtflugzeugen die Zwischenlandung in Deutschland zwecks Auftanken verboten.

Dennoch wurden EL AL Flugzeuge in Frankfurt vor ihrem Abflug bis an den Rand gefüllt mit länglichen Kisten, während den Passagieren die Koffer erst nach dem Krieg zugeschickt worden sind. (Eigene Beobachtung).

1991 schließlich, vor Ausbruch des Irak-Kriegs, hatte der irakische Diktator Saddam Hussein damit gedroht, „halb Israel zu verbrennen“. Während des Irakkriegs wurden etwa 26 Scudraketen auf Israel abgeschossen, während die gesamte Bevölkerung bei jedem Raketenalarm rechtzeitig ausgelieferte Gasmasken überzog und in speziell abgedichteten Zimmern in höheren Stockwerken Schutz suchte. Nachdem Hussein in Halabscha Kurden mit Giftgas bombardiert hatte, befürchteten auch die Israels, mit giftgas-bestückten Raketen beschossen zu werden. Das alles erweckte automatische Assoziationen mit dem Holocaust. Und wegen dieser historischen Erfahrungen, nehmen viele Israel Völkermord-Rhetorik etwa des iranischen Regimes durchaus wörtlich.

 

 


1 Kommentar
  • Rumo Matero

    Wohl dem, der sich den Nachwirkungen als Kind/Jugendliche nicht aussetzen musste;
    wohl dem, der wenigstens deshalb daheim mit Vater und Mutter aufwachsen konnte.
    Das gab es nicht nur in Israel.
    Nachsatz, wohl dem, wenn sich die Eltern nach der Shoah mit dem Kinderkriegen etwas Zeit gelassen haben.
    Ach ja, Selbstdarstellung……

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