Berlin, 6. August 2015 – AJC (American Jewish Comittee) hat sich gegen das Atomabkommen zwischen den P5+1-Staaten und dem Iran positioniert und ruft den US-Kongress dazu auf, das Abkommen abzulehnen. Die komplette Stellungnahme des AJC auf Deutsch finden Sie weiter unten.
Zur Entscheidung, das Abkommen abzulehnen, sagte AJC Berlin Direktorin Deidre Berger: „Die Risiken, die der Deal für die Sicherheit der USA, Europas, Israels und sunnitischer Staaten im Nahen Osten birgt, überwiegen die Vorteile bei Weitem. Die nukleare Infrastruktur des Irans wird nicht abgebaut, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum eingefroren, die Verifikationsmechanismen stellen nicht sicher, dass der Iran die internationale Gemeinschaft über sein Atomprogramm nicht auch weiterhin täuscht, und die Gefahr, dass durch den Sanktionsabbau freiwerdende Gelder von Teheran für die weitere Unterstützung des Terrorismus in der Region und weltweit genutzt werden, ist nicht gebannt. Es ist bedauerlich, dass im Abkommen die entscheidenden Fragen über die militärischen Dimensionen des iranischen Atomprogramms sowie die Terrorunterstützung Teherans in der Region ausgeklammert wurden. Die vom Iran ausgehende Bedrohung für die Region wird durch das Abkommen nicht gemindert. Ganz im Gegenteil sind noch mehr destabilisierende Aktivitäten Teherans in der Region zu erwarten.“
AJC zum Atomabkommen mit dem Iran
New York, 5. August 2015 – David Harris, Geschäftsführender Direktor des AJC (American Jewish Committee), gab heute folgende Erklärung zum Abkommen zwischen den P5+1-Staaten und dem Iran ab:
Nach der Verkündung des Comprehensive Plan of Action (JCPOA) am 14. Juli in Wien, vermeldete AJC in einer Pressemitteilung, den gesamten Text und seine Implikationen eingehend zu prüfen und erst dann Position zum Abkommen zu beziehen. Zeitgleich hat der 60-tägige Zeitraum zur Überprüfung des Abkommens durch den US-Kongress begonnen.
In den vergangenen drei Wochen hat AJC einen intensiven, ergebnisoffenen und gründlichen Prozess externer Beratungen und interner Erwägungen durchlaufen, an dem eine Vielzahl hochrangiger AJC-Mitarbeiter und ehrenamtlich tätiger Kollegen beteiligt war.
Im Rahmen dieses Prozesses hatten wir die Möglichkeit, uns in privaten Treffen in unserem New Yorker Hauptquartier mit Außenminister John Kerry sowie Staatssekretärin Wendy Sherman auszutauschen. Wir hatten auch die Gelegenheit, mit Kongressabgeordneten von Demokraten und Republikanern, Diplomaten aus Europa, der arabischen Welt und aus Israel, sowie mit Analysten der nuklearen Diplomatie und iranbezogenen Themen zu sprechen. Weiterhin waren wir zur Teilnahme an Diskussionen mit Präsident Barack Obama und Energieminister Ernest Moniz eingeladen. Für diese Möglichkeiten sind wir dankbar.
Gleich zu Beginn haben wir verstanden, dass das Abkommen mit dem Iran keine einfache Angelegenheit ist, sondern eines der folgenschwersten Themen unserer Zeit. Es war daher nicht möglich, sich reflexartig für oder gegen das Abkommen auszusprechen oder eine simple Ein-Satz-Antwort darauf zu geben.
Wir haben uns die Argumente derjenigen, die sich für das Abkommen aussprechen und, unter Anderem, versichern, dass der Deal Irans Weg zur Atombombe für mindestens 10 bis 15 Jahre versperrt; dass der starke Zufluss großer Geldmengen durch das Freiwerden bislang eingefrorenen Kapitals und als Folge der Aufhebung von Sanktionen zum Großteil für inländische Zwecke verwendet würde; dass es im Nahen und Mittleren Osten nicht zu einem nuklearen Wettrüsten kommen würde, dass das gemeinsam mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) entwickelte Inspektions- Verifikationsprogramm das bis dato weitreichendste seiner Art wäre, inklusive der Überprüfung möglicher militärischer Dimensionen des iranischen Atomprogramms; und dass der Iran sich im Laufe der Zeit möglicherweise für einen positiven Wandel und größere Zusammenarbeit öffnen würde, genau angehört.
Wir haben auch die Gegner angehört, die unter Anderem davon überzeugt sind, dass dieses Abkommen die atomare Infrastruktur des Irans, wenn überhaupt, lediglich in seiner Entwicklung verlangsamt statt sie abzubauen; dass das Abkommen es dem Iran faktisch ermöglicht, zu einer atomaren Schwellenmacht zu werden, ohne den Deal auch nur einmal zu verletzen; dass Teheran zumindest einen Teil des frischen Geldes zur Unterstützung von Terror und Instabilität in der Region und darüber hinaus einsetzen wird; dass Verbündete der USA durch das Abkommen und seiner breiteren Implikationen zutiefst verunsichert sind; und dass Sorgen über die Fähigkeit des Irans bestehen, die internationale Gemeinschaft zu täuschen, so wie es in der Vergangenheit in Natans und Fordow und auch in anderen Staaten, z.B. Nordkorea und Syrien, der Fall war.
Letztendlich entschied die Führungsebene des AJC mit großer Mehrheit, dass wir dieses Abkommen ablehnen müssen.
Wir hegen großen Respekt für die P5+1, die unter der Führung der Vereinigen Staaten von Amerika das Abkommen über Jahre gewissenhaft verhandelten und zahlreichen Herausforderungen entgegentraten. Auch ist darauf hinzuweisen, dass selbst innerhalb der P5+1 eine komplexe Auseinanderansetzung mit dem Thema stattfand. Dennoch birgt das Abkommen zu viele Risiken und Mehrdeutigkeiten, sodass wir diesem unsere Unterstützung nicht aussprechen können.
Die ursprüngliche Verhandlungshaltung, wonach eine Lockerung der Sanktionen nur bei gleichzeitigem Rückbau der nuklearen Infrastruktur zustande kam, wurde diese durch ein mehr oder weniger vorübergehendes Einfrieren der Atomprogramme ersetzt. Damit haben die P5+1 Irans künftigen Status als atomare Schwellenmacht bestätigt. US-Präsident Obama bestätigte dies selbst in einem Interview.
Mit Blick auf das Wesen des iranischen Regimes und seiner zugrundeliegenden Ideologie, kann AJC diese Perspektive nicht akzeptieren. Die Folgen des Abkommens birgen unheilvolle Konsequenzen, die zu Recht eine Antwort von Irans besorgten Nachbarn zur Folge haben, die selbst den Besitz von Nuklearwaffen und, dies offenbar noch unmittelbarer und wahrscheinlicher, von hochentwickelten konventionellen Waffen anstreben. Dies fügt eine neue Bedrohungsebene in der unbeständigsten und hochgerüstetesten Region der Welt hinzu. Gewiss kann dies nicht im Sinne eines langfristigen Sicherheitsinteresses der USA sein.
Der Besuch des deutschen Vizekanzlers und Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel, der erste eines westlichen Regierungsvertreters nach dem Abkommen, steht exemplarisch dafür, dass die schnelle Freigabe bislang eingefrorenen Kapitals und der Abbau der Sanktionen eine lange Reihe weiterer Besuche in Teheran zur Folge haben wird. Ein Ende des Waffenembargos sowie des Exportverbots für Raketentechnologie, die für das iranische Interkontinentalraketenprogramm genutzt werden kann, in fünf respektive acht Jahren, wird dem iranischen Regime enormen Nutzen bringen – ohne dass im Gegenzug vom Iran verlangt wurde, seine gefährliche und destabilisierende Politik zu verändern. Dies schließt dessen regelmäßige Aufforderungen „Tod den USA und Israel“ sowie die hegemonialen Ambitionen im Irak, Syrien, Libanon, Bahrain und dem Jemen mit ein. Auch diesen Ausblick kann AJC nicht akzeptieren.
Von den Unterstützern des Abkommens wird uns mitgeteilt, dass die einzige Alternativ hierzu ein Krieg sei. Dem können wir nicht zustimmen. Weder unterstützen wir einen Krieg mit dem Iran, noch haben wir uns jemals für einen militärischen Einsatz stark gemacht, wenngleich wir immer der Ansicht waren, dass eine glaubhafte militärische Option den Iran von der Ernsthaftigkeit unserer Absichten hätte überzeugen können. Die Verhandlungsführer der P5+1 teilten uns bis vor kurzem mit: „Die Alternative zu einem schlechten Abkommen ist kein Abkommen“. Was ist aus dieser Formulierung geworden und warum hat sie sich geändert?
Wir können die Konsequenzen, die unsere Ablehnung des Abkommens mit sich bringen werden, nicht voraussehen. Dennoch denken wir, dass der Iran, im Angesicht einer starken amerikanischen Führung, aus eigenem Interesse wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Was wir mit größerer Sicherheit wissen, ist, dass dieses Abkommen mehr verhängnisvolle Fragen für die Zukunft aufwerfen wird.
Daher lehnt AJC das Abkommen ab und fordert die Abgeordneten des US-Kongress dazu auf, dies auch zu tun.
In diesem Zusammenhang möchten wir noch zwei weitere Anliegen hervorbringen.
Erstens sind wir uns vollkommen bewusst darüber, dass das Abkommen für beiden Seiten der Debatte ein hochemotionales Thema ist. Dieser Umstand kann jedoch keine Entschuldigung für persönliche Angriffe oder hetzerische Kommentare, die nicht auf Fakten basieren, sein, egal, ob diese von Befürwortern oder Gegnern des Abkommens geäußert werden. Nötig ist eine gründliche und respektvoll geführte Debatte über Inhalte, nicht persönliche Anschuldigungen.
Zweitens liegt es jetzt mehr als je zuvor im strategischen Interesse der USA, die Beziehungen mit unseren langjährigen Verbündeten in der Region, darunter Israel, Ägypten, Jordanien und die Mitglieder des Golf-Kooperationsrates, so eng wie möglich zu halten. Durch ihre jeweilige unveränderbare geographische liegen sie an vorderster Front. Ihre anhaltenden politischen und sicherheitsbezogenen Sorgen – manchmal öffentlich, manchmal hinter verschlossenen Türen geäußert – müssen gewissenhaft in Betracht gezogen werden, sowohl jetzt als auch in der Zukunft. Unsere Verbündeten brauchen uns – genau so, wie wir sie brauchen.
Sacha Stawski
https://www.facebook.com/TheJerusalemPost/photos/a.167063636748650.35351.159050394216641/810620465726294/?type=1&theater