Anlass für diesen Kommentar war ursprünglich ein Posting in dem behauptet wurde, dass Osama Abdul Mohsen – der Vater, dem mit seinem Kind auf dem Arm, während der Flucht von einer Journalistin ein Bein gestellt wurde – Anhänger extremistischer Gruppen gewesen sei. Wahrscheinlich eine Propagandabehauptung, mit der Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht werden soll, wie leider ach so viele Meldungen. Denn tatsächlich ist es schwer bei diesem Thema eine sachliche Diskussion zu führen, ohne dabei entweder selber in die Rechte Ecke gestellt zu werden, oder gegen rechtslastige Kommentare vorgehen zu müssen.
Unter die vielen herzzerreißenden Beiträge über die Mehrzahl der zurecht nach Hilfe suchenden Flüchtlinge, mischen sich immer wieder Einzelmeldungen über islamistische Vorkommnisse, egal ob im Extremfall in Form von versuchten Anschlägen, „Vorkommnissen“ in den Flüchtlingsunterkünften, Meldungen über angebliche Vergewaltigungen, Kleiderordnungsvorschriften für Frauen und Mädchen, homophobe Übergriffe, usw.. Und in sehr vielen Fällen werden Einzelvorkommnisse, die z.T. schon Monate oder gar Jahre zurück liegen wieder hervorgeholt und als angeblich aktuelle Meldungen verbreitet. Andere Meldungen sind frei erfunden und werden bewusst lanciert, um Stimmung zu machen. Aber, natürlich gibt es real existierende Probleme, wenn Menschen aus einer anderen Kultur in großer Anzahl plötzlich in ein komplett neues Umfeld kommen, und das gilt es frei von irgendwelchen Vorurteilen zu diskutieren und zu problematisieren.
Das wirklich Traurige ist, dass die Meldung über Osama Abdul Mohsen gut wahr sein könnte – entweder weil viele der Flüchtlinge in ihren Heimatländern tatsächlich Anhänger von solchen Gruppen waren – entweder weil sie es sein wollten, oder sich weil sie sich als Anhänger der lokal dominierenden Gruppen hatten ausgegeben müssen, ganz einfach um zu überleben. In jedem Fall, gibt es auch in diesem Zusammenhang – über die normalen Integrationsaufgaben hinaus – viel aufzuarbeiten. Viele dieser Menschen haben Schreckliches erlebt, oder waren in Grausames verwickelt – egal ob als Opfer, oder eben einige leider aber auch in irgend einer Bündelung mit den Tätern.
Menschen die jahrelang auf verschiedenste Weisen misshandelt wurden, egal ob physisch, oder psychisch, sind dadurch auf unterschiedlichste Weise geschädigt worden. Dazu zählt auch, dass wenn Menschen ihr Leben lang, oder zumindest viele Jahre lang, eingetrichtert wurde, dass gewisse Lebensweisen oder Religionen verabscheuungswürdig sein, dass diese Einstellung, diese Intoleranz und sogar Hass, nicht von heute auf morgen verschwinden werden, nur weil diese Menschen jetzt in Deutschland sind. Das muss man verstehen und darauf muss man sich einfach einrichten.
Wenn die deutsche Politik hier weiterhin versagt, wie sie dies leider zum (großen) Teil bislang getan hat, wie man gut am Beispiel der Hassdemonstrationen vom Sommer 2014 sehen kann, dann wird sich dieses Land tatsächlich weiter auf äußerst beunruhigende und i.B. auch für Juden äußerst beängstigende Weise weiter verändern. Das Problem wird weit größer sein, als nur einige No-Go Areas, oder Parallelgesellschaften in einzelnen Städten. Hier geht es, um das Leben in Deutschland insgesamt.
Deshalb mein Plädoyer: Flüchtlingen Helfen – unbedingt und ohne jeden Zweifel! ABER: Damit darf man nicht aufhören!
Man muß sich a.) unbedingt die Zeit nehmen, sich mit der Geschichte eines jeden Einzelnen tiefergehend auseinanderzusetzen, um die Beweggründe für die Flucht zu verstehen und zu prüfen und b.) gleichzeitig mit der Ersthilfe einen individuell abgestimmten und umfassenden Plan zur Integration der Menschen ausarbeiten, der weit über Sprachschulungen, oder andere Schulungen hinaus geht. (Hiervon ausgenommen sind selbstverständlich diejenigen, die terroristischen Organisationen angehört haben, oder die sich aus den falschen Gründen als Flüchtlinge ausgeben, die möglichst schnell herausgefiltert und abgeschoben werden sollten).
Zu den individuellen Hilfestellungen gehört mehr als nur psychologische Hilfe. Manche brauchen Toleranztraining. Anderen müssen Schulungen gegen Antisemitismus oder z.B. Homophobie durchlaufen. Auch die Aufarbeitung deutscher Geschichte muss dazu gehören, neben anderen allgemeinen Integrationsmaßnahmen, usw., usw..
Die Herausforderungen für Deutschland, für Europa insgesamt, sind enorm. Um so mehr gilt es diesen Aufgaben von Anfang an gerecht zu werden und diese nicht schleifen zu lassen und auf irgendwann später einmal aufschieben zu wollen.
Verschiebe nicht auf morgen, was Du heute kannst besorgen – bzw. in diesem Fall MUSST!
Und zu dieser Debatte gehört natürlich auch die Frage, wer welche Aufgaben übernehmen könnte. Welche Rolle könnten zum Beispiel der Zentralrat der Muslime, andere Islamverbände, oder auch der Zentralrat der Juden übernehmen? Welche Rolle die Jüdischen Gemeinden? Welche Rolle jeder Einzelne von uns?
Der Ruf nach mehr Verantwortung innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland ist nicht neu. Schon oft haben wir auf das Ausbleiben effektiver Maßnahmen in Sachen Integration, Toleranztraining und Extremismus-, wie auch Antisemitismusbekämpfung der mit Sicherheit großen Mehrheit der friedliebenden Muslime in Deutschland hingewiesen. (Siehe dazu auch dieser Artikel aus dem Tagesspiegel vom Januar 2015: Kampf gegen Antisemitismus – Zentralratspräsident Schuster fordert mehr Engagement von islamischen Verbänden). Doch wie also sollen die Islamverbände noch mehr in die Pflicht genommen werden, wenn sie mit den bestehenden Strukturen bereits überfordert sind…?!? Mit netten Demonstrationen, wie der am Brandenburger Tor, im Januar 2015, bei der zwar die ganze Deutsche Politprominenz anwesend war, aber nur einige sehr wenige der rund 250.000 Berliner Muslimen – der rund 4,2 Millionen bereits in Deutschland lebenden Muslime – ist es ganz sicher nicht getan.
In diesem Sinne, was meint Ihr? Was für Ideen habt Ihr? Die Antwort kann sicherlich nicht sein, dass man einfach die Grenzen dicht macht, und Hilfe für diejenigen verweigert, die diese tatsächlich brauchen, (wobei ein Lösungsansatz sicherlich wäre den Menschen früher zu helfen – am besten noch in ihren Heimatländern!).
Sacha Stawski
http://www.bz-berlin.de/deutschland/aiman-mazyek-duerfen-fluechtlinge-nicht-in-watte-packen