Jerusalem, Mittwoch, 6. April 2016 – Die Bibel, das hebräische “Alte Testament”, ist eine Anthologie, verfasst von vielen Autoren. Erste Hinweise auf die Zusammensetzung des Canons der ganzen Bibel lieferte der römische Historiker Josephus Flavius im 1. Jahrhundert, während komplette Abschriften erst aus jüngerer Zeit erhalten geblieben sind. Schon unter den Schreibern der ersten Büchern Mose haben Forscher einen „Schichtkuchen“ unterschiedlicher Stile und Epochen ausgemacht, am auffälligsten unterschieden sich „Jahwisten“ und „Elohisten“. Bisher wurde vermutet, dass die meisten Bücher der Bibel nach 586 v. Chr. im babylonischen Exil niedergeschrieben worden seien, also nach der Zerstörung Jerusalems und des ersten Tempels des Salomon.
Ein Team der Tel Aviver Universität unter der Leitung des Archäologen Israel Finkelstein, hat nun in Zusammenarbeit mit Mathematikern und Physikern einen originellen Weg eingeschlagen, um Fragen nach den biblischen Autoren zu beantworten. So wollten sie erst einmal erkunden, ob die rund 100.000 Bewohner von Judäa vor dem Jahr 586 überhaupt des Lesens und Schreibens kundig waren, oder ob diese Fähigkeit nur der kleinen Elite vorbehalten war, die Siegel mit der kurzen Inschrift „Für den König“ und Namen der Amtsträger hinterlassen hat.
Mit modernster Technik wurden beschriftete Tonscherben aus einer Festung in Arad im Süden des Landes fotografiert und digitalisiert, berichtet die Zeitung Haaretz. Sie waren schon bei archäologischen Ausgrabungen in den 1960ger Jahren gefunden worden, konnten aber erst jetzt mit moderner Technologie entziffert werden. Auf den Scherben stehen in althebräischer Schrift militärische Befehle zu Truppenbewegungen und Militärversorgung . Die Physiker machten die mit Tinte auf die Tonscherben geschriebenen Texte sichtbar und Mathematiker analysierten anschließend die Schriftweisen. Die Befehle waren um 600 v. Chr. nicht nur an den Kommandeur der Festung, einem gewissen Eliashiv, gerichtet, sondern auch an dessen Stellvertreter. Es stellte sich heraus, dass sich die Handschriften sechs verschiedenen Schreibern zuordnen lassen.
Daraus schlossen die Forscher, dass die Menschen in Judäa durchaus keine Analphabeten waren. Die Schreibkunst musste auch in „unteren Schichten“ verbreitet gewesen sein, was auf ein gutes Erziehungssystem deute. Doch da man Texte meistens auf Papyrus geschrieben hat, ist nichts gefunden worden. Deshalb gehen die Experten auch davon aus, dass Teile der Bibel schon vor 586 im Lande Israel, in Judäa, schriftlich festgehalten worden seien und nicht erst im babylonischen Exil.
Tatsache ist, dass es in der Zeit zwischen 586 und 200 v.Chr. ein großes „Loch“ gibt. Aus dieser Periode wurden bislang keine hebräischen Inschriften gefunden. Erst ab 200 v.Chr. häufen sich die erhaltenen hebräischen Texte, darunter auch Kopien von Textfragmenten aus der Bibel auf Pergament oder Papyrus. Die hat man vor allem in der sehr trocknen Gegend des Toten Meeres entdeckt, wo viel erhalten geblieben ist, was an anderen Orten durch Regenwasser zerstört worden ist.
Die älteste komplett erhaltene Kopien der hebräischen Bibel stammen erst aus den letzten 1.000 Jahren.
Sacha Stawski
http://www.timesofisrael.com/new-look-at-ancient-shards-suggests-bible-even-older-than-thought/