Konzentrationslager in Ostpolen: „Bei der ganzen Sache mit den Juden hat man sich gar nichts dabei gedacht“ – Mathias Döpfner hat in Ostpolen die Todeslager von Sobibor, Belzec und Majdanek besucht. Eine Reise, die eigentlich jeder Deutsche machen sollte. | WELT
„Immer den Bahngleisen nach, so finden Sie Konzentrationslager meistens am besten“, sagt der Ortskundige mit einem bitteren Lächeln, als wir ihn nach dem Weg zum Lager Sobibor fragen. Sobibor, neben Belzec und Treblinka eines der drei zur sofortigen Ermordung von Juden bestimmten Todeslager der Nazis, ist schwer zu finden. Zwei Waldwege führen dorthin. Nur einer von beiden ist mit einem 20 Zentimeter großen Schild „Muzeum Sobibor“ ausgewiesen. Der andere führt parallel zu den Gleisen, auf denen die Todeszüge fuhren, immer tiefer hinein in den Wald. In den hintersten Winkel Ostpolens, ins Jiddischland, in die Landschaft der ehemaligen Schtetl, dorthin, wo ostjüdische Kultur blühte wie nirgends sonst. Damals im 18. und vor allem 19. Jahrhundert, als in Lublin die größte Rabbinerschule der Welt florierte, der Landstrich, in dem die meisten der mehr als drei Millionen polnischen Juden so lange in Frieden lebten. Dort hinten, ganz kurz vor der Grenze am Dreiländereck zwischen Polen, Weißrussland und der Ukraine, im schwarzgrünen Tannenwald liegt: Sobibor. Über 200.000 Juden wurden dort – versteckt hinter Bäumen und umgeben von einem Minenfeld – in wenigen Monaten von 1942 bis 1943 aus Zügen mit jeweils bis zu 60 Frachtwaggons direkt in die Gaskammern getrieben und vernichtet wie Ungeziefer. Sobibor ist schwer zu finden. Einer der Hauptorte des industriellen Völkermordes wurde und wird versteckt – bis heute.
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