Antsemitismus-Streit

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Wehret den Anfängen, haben sich 250 Menschen gedacht und kurz entschlossen eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung “Gegen den Stimmenfang der Liberalen im braunen Sumpf³ veröffentlicht.

Bestürzt über die jüngste Entwicklung innerhalb der FDP seien sie, schreiben die Unterzeichner – darunter deutsch-israelische Vereinigungen, Juden und Nicht-Juden, vor allem Einzelpersonen und auch einige Prominente wie die Schauspielerin Gudrun Landgrebe, die Talkmasterin Bärbel Schäfer oder der ehemalige hessische Kultusminister Hartmut Holzapfel.

„Unverbrämtheit stellt alles in den Schatten“

Sie werfen Jürgen Möllemann, dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP, vor, Stimmen aus dem rechten Lager gewinnen zu wollen, indem er antiisraelische und antijüdische Ressentiments anspreche. „Die Unverbrämtheit, mit der Möllemann dabei seine bereits bekannte Israelfeindlichkeit zutage treten lässt und gleichzeitig historische Tatsachen des Nahostkonfliktes bewusst ignoriert, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten“, steht in der Anzeige.

“Das war eine relativ spontane Angelegenheit“, erzählt Noemi Staszweski, Mitunterzeichnerin des Aufrufs. Die Anzeige ist entstanden aus einer Mailing-Liste mit eben jenen 250 Teilnehmern, die übers Internet die Nahostkrise und die sich wandelnde Stimmung gegenüber den Juden diskutiert haben. Vor einer Woche kam es schließlich zu einem Treffen in Frankfurt. “Dabei haben wir beschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen“, berichtet Staszewski. Aus der Mailing-Liste wurde die Bürgerinitiative „www.honestly-concerned.org“. Ihre Ziele sind im Internet bereits nachzulesen.

Kritik an Medien

“Ernsthaft besorgt“ sind deren Mitglieder über die ihrer Meinung nach einseitige Berichterstattung über Israel und die Palästinenser in den deutschen Medien und den unterschwelligen antisemitischen Tendenzen im Land. Dass Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, als “arroganter und überheblicher Jude“ bezeichnet wurde, finden sie unglaublich. Die Unterstellung, dass alle Juden auf der Welt hinter der Politik des israelischen Premiers Ariel Scharon stünden, regt sie auf. Dass in den Medien mehr sterbende Palästinenser als Israelis gezeigt werden, finden sie unfair. Dass jeder Jude gleich zum Israeli gemacht werde, echauffiert sie. “Die Juden kommen dadurch zunehmend in eine Verteidigungsposition“, sagt Noemi Staszewski.

In der Anzeige wird ausdrücklich betont, dass Kritik an Israel nicht sofort antiisraelisch und antijüdisch sei. Aber die Schuld an der Nahostkrise ausschließlich bei Israel zu suchen, sei falsch. Und wenn Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden, diesen Umstand beklage, dann dürfe Möllemann ihm nicht vorwerfen, dass Spiegel damit erst recht Antisemitismus schüre. “Die gelbe Partei muss Farbe bekennen und Jürgen Möllemann die rote Karte zeigen“, fordern die zahlreichen Unterzeichner.

Anzeige keine Einzelaktion

“Wenn es in demokratischen Parteien salonfähig wird, solche antisemitischen Klischees zu nutzen, um mehr Wählerstimmen zu bekommen, dann ist der demokratische Konsens in Gefahr“, warnt Staszewski. Die deutsche Geschichte sei noch immer tabuisiert und Möllemann nicht der einzige, der sich mit solchen Äußerungen profilieren wolle. Antisemitische Tendenzen seien in allen Parteien punktuell vorhanden und dagegen gelte es, möglichst früh anzugehen.

Um Druck auf die FDP auszuüben, sei die F.A.Z. genau die richtige Zeitung, erklärt Staszewski: “Sie wird überwiegend von Wirtschaftsleuten gelesen und die Liberalen nehmen schließlich für sich in Anspruch, genau diese Leute zu vertreten.“ Ganz offen fordert die Bürgerinitiative die Leser darin auf, eine Stimmabgabe zugunsten der Liberalen bei der kommenden Bundestagswahl zu überdenken. Die Anzeige bleibt keine Einzelaktion, kündigt Noemi Staszewski an: “Wir wollen weiter aktiv sein und an die Öffentlichkeit gehen.“ Dies hänge allerdings davon ab, wie nachhaltig sich die Bürgerinitiative etabliere. Bisher ist „www.honestly-concerned.org“ rein basisdemokratisch organisiert ohne Vorsitzenden, ohne Sprecher, ohne Vereinsstruktur ein Zusammenschluss besorgter Bürger eben.

Erklärung von FDP-Politikern

Derweil haben prominente FDP-Politiker eine Erklärung veröffentlicht, in der sie deutlich machen, dass ihre Partei keinen Rechtspopulismus dulde. „Die FDP ist eine liberale Partei, in der rechtspopulistische Töne nichts zu suchen haben“, heißt es darin. Unterschrieben ist die Erklärung von 16 Bundes- und Landespolitikern – darunter das Präsidiumsmitglied Martin Matz, Ruth Wagner, die hessische Landesvorsitzende, und Andreas Pinkwart, stellvertretender Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen.

In der Erklärung wird der Düsseldorfer Landesvorsitzende Möllemann deutlich kritisiert: „Die Äußerungen von Herrn Möllemann gegenüber Herrn Friedman sind geeignet, von denen als Rechtfertigung verstanden zu werden, die den Juden selbst die Schuld am Antisemitismus geben.“ Mit der Erklärung wollten sich die Unterzeichner dagegen wehren, „dass die FDP von außen oder innen zu einer Partei der Populisten gemacht wird“.


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