FDP-Krisengipfel tagt am Freitag

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29. Mai 2002
Der Stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Jürgen Möllemann, hat seine Antisemitismus-Vorwürfe offiziell zurückgezogen und dem Zentralrat der Juden ein klärendes Gespräch angeboten. Es sei ein Fehler gewesen, den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats „Friedman für die Entstehung von antisemitischen Ressentiments mitverantwortlich zu machen“, schrieb Möllemann am Mittwoch in einem Brief an Zentralratspräsident Paul Spiegel. Darin verwies Möllemann auf einen Beschluss des FDP-Präsidiums, mit dem sich die Partei von jeglichem Antisemitismus abgegrenzt hatte. Friedman müsse seinerseits den Vorwurf aus der Welt schaffen, er – Möllemann – sei wegen seiner israel-kritischen Äußerungen als Antisemit einzustufen.

Kritiker aus den Reihen der Liberalen und vom Zentralrat bezeichneten Möllemanns Versöhnungsversuche als unzureichend. „Wir erwarten nach wie vor eine persönliche Entschuldigung von ihm bei Michel Friedman und mir“, sagte Paul Spiegel am Mittwoch der dpa in Düsseldorf.

Auch der FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher geht das Fehlerbekenntnis Möllemanns nicht weit genug. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hält die Äußerungen Möllemanns ebenfalls nicht für ausreichend, um den Streit beizulegen. Das sei keine Distanzierung, sondern „ein Versuch, das unter den Tisch zu kehren“, sagte Roth.

Der SPD-Vorsitzende, Bundeskanzler Gerhard Schröder, wird am Sonntag beim SPD-Parteitag seine Haltung zur FDP darlegen, kündigte Regierungssprecher Uwe Karsten-Heye an. Nach seiner Ansicht hat die FDP „in ihrer Führung Hasardeure“, die den Eindruck erweckten, als könne man die durch die deutsche Geschichte belasteten Beziehungen zu Israel zu einem „PR-Gag verkommen“ lassen.

Die FDP-Spitze berief den Parteivorstand für Freitag zu einer Sondersitzung ein. Dabei sollen die Ergebnisse der Nahost-Reise Westerwelles sowie der Streit mit dem Zentralrat erörtert werden.

Möllemann: Genscher-Rüge „frei erfunden“
Unterdessen dementierte Möllemann einen Bericht der „Bild“- Zeitung, wonach ihn der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher in mehreren Telefonaten scharf gerügt habe. Möllemann sagte der dpa: „Das ist nach Art und Inhalt frei erfunden.“

„Bild“ schrieb unter Berufung auf einen Genscher-Vertrauten, der Ex-Außenminister habe Möllemann nach dessen anti-jüdischen Äußerungen regelrecht zusammengestaucht und ihn mit den Worten angebrüllt: „Es reicht, Jürgen!“

Laut „Bild“ äußerte Genscher, der als Ziehvater Möllemanns gilt, in Telefonaten mit dem nordrhein-westfälischen FDP-Chef unter anderem wörtlich oder sinngemäß, Möllemann lasse es „an Weitsicht fehlen“.

Genscher habe Möllemann gewarnt: „Du bringst uns um den Erfolg eines fabelhaften Parteitages.“ Wenn Möllemann einen anderen Kurs der FDP wolle, dann müsse er sich die Mehrheiten dafür auf einem Parteitag suchen, habe Genscher ihm angeraten.

Bürgerinitivative gegen Möllemann
Eine „spontan zusammengetretene“ Bürgerinitiative hat am Mittwoch in einer ganzseitigen Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) „gegen den Stimmenfang der Liberalen im braunen Sumpf“ protestiert. Die FDP wird aufgefordert, Jürgen Möllemann die „rote Karte“ zu zeigen. Unter der Regie Möllemanns werde versucht, „Stimmen aus dem rechten Sumpf“ zu gewinnen, indem „antiisraelische und antijüdische Ressentiments unter dem Deckmantel vermeintlicher Kritik an der israelischen Regierung“ angesprochen werden.

Zu den Unterzeichnern, die nach eigenen Angaben „besorgte Bürger“ oder auch „traditionelle FDP-Freunde“ sind, gehören die Schauspielerin Gudrun Landgrebe, TV-Moderatorin Bärbel Schäfer, Konzertveranstalter Marek Lieberberg sowie der ehemalige hessische Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD).

(N24.de, AFP, ddp, dpa)


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