Iran: Debatte über Frauenrechte

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Iran: Debatte über Frauenrechte

Das islamistisch geprägte iranische Parlament (Majless) hat  am 23. Juli mehrheitlich für die Unterzeichnung der UN-Konvention zur Abschaffung jeglicher Form der Diskriminierung von Frauen gestimmt. Allerdings muss diese Entscheidung vom Wächterrat und dem religiösen Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, abgesegnet werden. Es ist davon auszugehen, dass der Wächterrat die Initiative zurückweist. Die Diskussionen über die Frauenrechte im Islam, die im Anschluss an den Majless-Vorschlag geführt wurden, konzentrierten sich auf die Vereinbarkeit von Islam und den demokratischen Normen „des Westens“:

In der Nachrichtenagentur der staatlichen Arbeiteragentur ILNA verteidigte die Anwältin Shirin Ebadi die Majless-Entscheidung und erklärte, dass der Verweis auf den Islam als Begründung für die Nicht-Unterzeichnung der Konvention nur ein Vorwand sei: „Es ist die herrschende patriarchale Kultur, die sich in den Gesetzen niederschlägt und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verhindert. Es ist nicht der Islam. Im Grunde ist der Islam für sie nur ein Vorwand.“ Im Rahmen der  allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sei eine spezielle Konvention mit dem Ziel der Gleichberechtigung der Geschlechter formuliert und von vielen Regierungen unterschreiben worden – leider, so Shirin Ebadi, habe die iranische Regierung diese Konvention aber nicht unterzeichnet. Das Majless habe nun – nachdem der Vorschlag bereits einige Male von der Agenda des Parlaments genommen worden sei und dies Proteste von Frauen hervorgerufen habe -empfohlen, die Konvention zu unterschrieben, wenn ihre Paragraphen nicht gegen Gesetze des Islam verstießen.

„Die Hälfte der iranischen Bevölkerung sind Frauen“, sagte Ebadi. „Frauen machen 63 Prozent unserer Studentenschaft aus. Diese Frauen sind auf gleiche Rechte mit ihren Brüdern angewiesen. Warum soll das Blutgeld [Zahlung an die Familie einer ermordeten Frau; WWH] einer Frau halb so viel wert sein wie das eines Mannes. Warum kann der Mann seine Frau ohne jegliche Begründung verstoßen wann immer er will, und warum bleibt nach der Scheidung das Erziehungsrecht bei den Vätern?“ Ebadi fügte hinzu, dass sich nach einer Unterzeichnung der Konvention niemand mehr das Recht nehmen könne, wegen solcher Fragen in Den Haag ein Verfahren gegen die iranische Regierung zu eröffnen.

Die Gegner der Konvention, so Ebadi, begründeten dies damit, dass einige Prinzipien der Konvention nicht mit dem Islam übereinstimmten, was im Falle einer Unterzeichnung zu Verpflichtungen führen würde, die der Regierung Schwierigkeiten machen könnten. Dem hält sie entgegen: „Natürlich sind wir alle Muslime, aber vergessen wir nicht, dass es eine Bedingung der Parlaments-Empfehlung [die Konvention zu unterschreiben] gewesen sei, dass im Falle von Widersprüchen zum islamischen Gesetz die Konvention nicht ausgeführt werden müsse. Vor dem Hintergrund dieser Bedingung sollte doch kein Grund zur Besorgnis bestehen.“

Ebadi erklärte weiter, dass der Iran auch den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterschrieben habe und einer der Hauptgrundsätze dieser Verträge die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei. Die Iraner seien also schon jetzt zur Erfüllung der Konvention verpflichtet. Und als diese Verträge unterschrieben wurden [das war zu Zeiten des Schahs; WWH], habe es eine Bedingung, dass sie dem Islam entsprechen müssten, nicht gegeben.

Vor diesem Hintergrund, meinte Ebadi, sei es also gleich, ob die vom Majless unterzeichnete Konvention nun vom Wächterrat abgesegnet werde oder nicht – es gäbe ohnehin eine internationale Verpflichtung, die Forderungen nach Gleichberechtigung der Geschlechter zu erfüllen. Eine Ablehnung der Unterzeichnung der Konvention würde lediglich der patriarchalen Kultur entspringen. Nach einer Unterzeichnung müsste aber die Gesetzgebung insgesamt revidiert werden. Beispielhaft führte Ebadi aus: „Bis vor einem Jahr war das Heiratsalter von Mädchen 9 Jahre. Inzwischen ist es 12. Laut offiziellen Statistiken liegt das Heiratsalter von Mädchen aber in mehr als 98 Prozent der Fälle über 15 Jahren. Es gibt keinen Grund für den Erhalt eines Gesetzes, das das Heiratsalter für Mädchen auf 12 setzt.“ Auch im Falle des Blutgeldes [s.o.] kritisiert Ebadi die Anwendung des traditionellen islamischen Rechts, das der Frau nur die Hälfte des „Wertes“ eines Mannes beimisst. „Manche sagen, dass dies ein islamisches Gesetz sei. Aber Fatwas, wie die von Ayatollah Sanei sagen uns, dass das nicht stimmt. Denn der Islam ist gegenüber der Frau nicht so grausam. Der Islam ist die Religion der Gleichberechtigung. Daher müssen wir unter Hinzuziehung von Experten, unabhängig und ohne zu überstürzen die Gesetze neu überprüfen. Woher kommen die Unterschiede? Hat der Islam diese Unterschiede befürwortet? Nein, es ist die patriarchale Kultur, die sich in unseren Gesetzen niederschlägt.“ (1)

Widerspruch gegen Konvention zur Gleichberechtigung

Auf der anderen Seite hat die Entscheidung des Majless Widerspruch hervorgerufen. Eine Gruppe von Ayatollahs und ihre Schülern aus der Stadt Qom haben gegen die Initiative protestiert. Das Majless habe mit seiner Entscheidung gegen die „göttlichen Werte“ verstoßen. In einer Erklärung schrieben sie: „Eine Unterzeichnung dieser Konvention tritt alle Gesetze, die der Islam für Frauen und Männer festgelegt hat, mit Füßen.“ (2)

Dr. Seyyed Mohammad Mirmohammadi, Vertreter der Stadt Qom, zeigt sich überzeugt, dass die Zustimmung zur Konvention eine Tragödie für den Majless darstelle. Noch vor der Entscheidung des Wächterrats hätten die Ayatollahs von Qom die Illegitimität dieser Position klargelegt. Manche, so Mirmohammadi, glaubten aber offensichtlich, dass jede „rückwärtsgewandte Veränderung, die gegen Prinzipien der Religion verstoße und Reform heiße, positiv sei“. Und Frau Ayatollahi, Mitarbeiterin des Büros für Frauenforschung, erklärte, dass das islamische das allen anderen überlegene Gesetz sei. Ihm könne kein anderes Gesetz übergeordnet werden. (3)

Ähnlich argumentierte eine andere Gruppe islamischer Frauen der religiösen Schulen. In einem Schreiben an den religiösen Führer Khamenei kritisieren sie insbesondere den Paragraphen 29 der Konvention, dem zufolge ein internationaler Gerichtshof über Verletzungen der Konvention richte.(4) Auch der stellvertretende Vorsitzende der einflussreichen Jamiate Issargarane Enqelabe Eslami (Gemeinschaft der islamischen Revolution), Ali Darabi, forderte von der Regierung und vom Majless, die Zeit nicht mit unnötigen Diskussionen zu verschwenden und den Antrag auf Unterzeichnung der Konvention gleich zurückzuziehen. Der Geist der Konvention widerspreche dem islamischen Gedanken und ihre Prinzipien beruhten auf Liberalismus, Laizismus und dem westlichen Materialismus – was nichts anderes bedeute, als dass man auf die göttlichen Gesetze gleich ganz verzichten müsse. Darabi: „Die Würde des Islam veranlasst uns, laut zu schreien, dass keine Idee höher ist als der Islam. Der Islam ist der beste Garant der Frauenrechte.“ (5) Ali Shokuhi, Kommentator der Reformzeitung Entekhab, ist der Meinung, dass Humanisten, Liberalisten und Säkularisten von der Trennung von Religion auf der einen und Politik und Staat auf der anderen Seite ausgingen und daher die Ordnung einer Gesellschaft auf der Grundlage einer gemeinsamen Religion nicht nachvollziehen könnten. Daher stünde ihre Sicht derjenigen von religiösen Menschen und insbesondere von Muslimen entgegen. Manche westlich-liberale Wissenschaftler würden sogar die Glaubensvorstellungen von Milliarden Menschen als gegen die Menschenrechte gerichtet betrachten. Er hingegen glaube, dass die Überlegenheit des Westens eine rein technologische sei. So seien der Sicherheitsrat, die Weltbank, IWF und WTO Institutionen der technologisch überlegenen Staaten. Die Unterzeichnung von Konventionen durch Staaten wie dem Iran sei vor diesem Hintergrund nur sekundär. Es sei aber auf keinen Fall möglich, alle Konventionen gänzlich zu erfüllen. Denn dies habe die Verletzung von Glaubensvorstellungen und nationalen Interessen des jeweiligen Landes zu Folge. Es gäbe Konventionen, die den Glaubensvorstellungen in der Islamischen Republik widersprächen: „Und die Unterzeichnung der Konvention zur Abschaffung der Diskriminierung der Frau ist ein solcher Fall.“ Statt jetzt „in abenteuerlicher Hetze“ eine Konvention zu unterschreiben, sei es notwendig, „dass wir von den menschlichen Rechten und den islamischen Rechten der Frauen sprechen.“ Es gehe darum die Wurzel der Ungerechtigkeit [zwischen den Geschlechtern] zu entfernen – und die liege in einem falschen Verständnis der Religion. (6)

1) ILNA, 30. Juli 2003. 2) Aftabe Yasd, 4. August 2003. 3) Resalat, 4. August 2003. 4) Kayhan, 4. August 2003. 5) ISNA, 5. August 2003. 6) Entekhab, 4. August 2003.


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