Reaktionen aus der iranischen Presse über Rezzo Schlauchs Reise nach Teheran

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Reaktionen aus der iranischen Presse über Rezzo Schlauchs Reise nach Teheran

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) Rezzo Schlauch reiste am 3. Oktober in den Iran. Durch die Unterzeichnung des deutsch-iranischen Investitionsschutz- und -fördervertrages im August 2002 haben sich laut der Nordafrika Mittelost Initiative der deutschen Wirtschaft (NMI) neue Perspektiven für deutsche Investoren in einem Land mit 70 Mio. Einwohnern und großen Gas- und Ölreserven (15% bzw. 9% der weltweiten Reserven) eröffnet. Schlauch wurde von einer Gruppe hochrangiger Vertreter aus der deutschen Wirtschaft begleitet. Im folgenden dokumentieren wir Reaktionen aus der iranischen Presse auf den Besuch aus Deutschland:

Wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur (IRNA) berichtete, sagte Rezzo Schlauch während seines Aufenthaltes, dass Deutschland den Iran bei seinen Bemühungen um eine Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation unterstützen werde. Weiterhin befürworte die deutsche Bundesregierung die Unterzeichnung von neuen Handelsverträgen des Iran mit der Europäischen Union. IRNA zufolge kam Schlauch auf die dritte internationale Industriemesse in Teheran zu sprechen und konstatierte, dass die Revision der Gesetzesvorlage über die Auslandsinvestitionen im Iran eine Ausweitung der ökonomischen Kooperation zufolge haben werde.

Deutschland werde [aber] als einer der führenden Käufer iranischer Nicht-Öl-Produkte in der Welt die politischen Entwicklungen im Iran kritisch verfolgen. Der Besuch von Präsident Mohammad Khatami in Deutschland im Jahre 2002 habe die Grundlage für eine Ausweitung der gegenseitigen Beziehungen auf den Gebieten der Wirtschaft, des Bildungswesens und der Kultur beider Länder bereitet. Schlauch hob hervor, dass eine besonders bezeichnende ökonomische Entscheidung in Hinblick auf die Expansion der gegenseitigen Kooperation während eines Treffens der vierten iranisch-deutschen Wirtschaftskommission im Jahre 2001 getroffen worden sei. Damals habe die Wirtschaftskommission beschlossen, die wirtschaftliche Kooperation im industriellen, technischen und petrochemischen Sektor sowie im handwerklichen Bereich, bei der Telekommunikation, beim Bergbau und beim regionalen Aufbau zu verstärken. Bezüglich der Handelsbilanz zwischen dem Iran und Deutschland sagte Schlauch, der Iran solle seineNicht-Öl-Exporte nach Deutschland erhöhen, um seine Handelsbilanz auszugleichen. Weiterhin bezeichnete er die Rolle des privaten Sektors in beiden Ländern als signifikant und wies darauf hin, dass sich der Iran noch nicht am endgültigen Ziel seines gesamten wirtschaftlichen Entwicklungsplanes befinde. Diese Ziele bestünden darin, das Wirtschaftsmonopol der Regierung zu begrenzen, die Steuergesetze zu verbessern und die Aktivitäten der privaten Banken zu beschleunigen. (1)

Die Zeitung Kayhan berichtete, dass Schlauch in Aussicht gestellt habe, dass die kurzfristige Hermesbürgschaft mit einer Geldsumme von bis zu 500 Millionen € innerhalb eines Jahres von deutschen Unternehmen für den Export ihrer Waren in den Iran genutzt werden könne. (2)

Die Zeitung Aftabe Yasd hob die Empfehlung des parlamentarischen Staatsekretärs hervor, der Iran solle seine Investitionsgesetzgebung reformieren. (3)

Die von Schlauch angesprochene Mitgliedschaft des Iran in der WTO und die von ihm erwähnte Exportsteigerung des Iran wurden in den letzten Tagen wiederholt in der iranischen Presse diskutiert:

Der iranische Wirtschaftsminister, Tahmasseb Masaheri, hatte kürzlich in der Zeitung ISNA betont,
dass „die heutige Welt sich in eine Richtung entwickelt, die einem Land keine andere Möglichkeit lässt, als
Mitglied in der WTO zu werden, sobald es einen wirtschaftlichen Fortschritt anvisiert“. Masaheri dazu in
diesem Interview: „Wirtschaftliches Wachstum erfordert die Absorption von ausländischem Kapital, die
Erweiterung technischen Wissens und eine Verminderung des inländischen Konsums“. Er wies darauf
hin, dass der Iran sich an eine zweistellige Inflationsrate gewöhnt habe, die das wirtschaftliche Wachstum
des Landes hemme. Er halte zwar Kritik an der WTO in mancher Hinsicht gerechtfertigt, denke aber,
dass diese Probleme eine Mitgliedschaft des Iran in der WTO nicht behindern dürfe. Zwar bestehe kein
Zweifel, dass die mächtigen Mitglieder der WTO ihre eigenen Interessen verfolgten, aber kein Mitglied in
der WTO zu sein sei zum Nachteil der iranischen Wirtschaft. (4)


Esfandiar Omidbakhsh, Vertreter einer Handelsgesellschaft des Iran, äußerte sich über die Möglichkeiten
einer Mitgliedschaft des Iran in der WTO gegenüber der Zeitung Hamshahri skeptisch. Der Iran werde
im November nun zum fünfzehnten Mal einen Antrag auf eine Mitgliedschaft stellen. (5)


Adolresa Roknoldin Eftekhari, Leiter des Forschungsinstituts für den Außenhandel, geht laut Aftabe
Yasd davon aus, dass es einen Konsens bezüglich der Mitgliedschaft des Iran in der WTO gebe. Kaum
jemand argumentiere für eine Isolation des Iran.
Infolge des dritten Entwicklungsplanes sei der Handel mit vielen Waren freier geworden. Dies bedeute
zum einen eine Erleichterung des Imports vieler Waren und zum anderen die Freiheit der Wahl der
Konsumenten.
Allerdings müsse der Iran eine Exportstrategie entwickeln. Der Anteil des Iran an der Welthandelsbilanz
betrage 0,34 Prozent, obwohl die Bevölkerung des Irans einen Prozent der Weltbevölkerung ausmache.
Daraus ergebe sich, dass der Iran gemäß der Bevölkerungszahl seine Außenhandelsbilanz kräftig steigern
müsse.
Ahmad Mirmotahari, Direktor eines Instituts zur Privatisierung der Wirtschaft, problematisierte in
derselben Ausgabe der Aftabe Yasd die Abhängigkeit der iranischen Wirtschaft vom Eröl. Er kündigte an,
dass Experten einen Gesetzesentwurf zur Privatisierung der Wirtschaft formulierten und er darauf hoffe,
dass der Entwurf später vom Majless, dem islamistischen Parlament, und der Regierung bestätigt werde.


(6)

In der Diskussion über die Privatisierung der Wirtschaft, die ebenfalls von Schlauch thematisiert wurde, meldete sich der iranische Wirtschaftsexperte Dr. Seyyed Mehdi Sahraian zu Wort. „Unsere Wirtschaft ist eine Geburt der Politik“, so Sahraian. Die politischen Fraktionen [innerhalb des Irans] hätten unterschiedliche Wirtschaftskonzepte. In anderen Ländern dagegen stehe die Politik im Dienste der Wirtschaft. Daher habe sich die Zentralbank des Landes zu einem Erholungsgarten für Politiker entwickelt. Wenn sich die Politik [aber] weiterhin isoliere, würde die Wirtschaft von der Politik gefiltert und monopolisiert werden. Sahrian wies auf die weit verbreitete „politische Rente“ in der iranischen Wirtschaft hin: Die politische Gruppierung, die das Parlament beherrsche, bestimme auch die wirtschaftliche Orientierung des Landes. Solange der Iran aber kein [übergreifendes] Wirtschaftskonzept verfolge, werde sich das Land weiterhin in einem Abstiegstrend befinden. (7)

1) IRNA, 2.10.2003. 5) Hamshahri, 1.10.2003. 2) Kayhan, 4.10.2003. 6) Aftabe Yasd, 2.10.2003. 3) Aftabe Yasd, 4.10.2003. 7) ISNA, 3.10.2003. 4) ISNA, 30.9.2003.


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