Annäherung zwischen Ägypten und dem Iran

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Annäherung zwischen Ägypten und dem Iran

In den vergangenen Monaten ist Bewegung in das Verhältnis zwischen dem Iran und den arabischen Staaten gekommen. Besonderes Aufsehen erregte ein Treffen von Husni Mubarak und Mohammad Khatami, das am Rande der Genfer Weltkonferenz zur Informationsgesellschaft am 14.12. stattfand. Im Iran wurde dieses Ereignis als „historisch“ angesehen. So schrieb die reformislamistische Zeitung Sharq, dass die Konferenz „entgegen allen Erwartungen ein positives Ergebnis für den Iran hatte: Tauwetter in den seit 24 Jahren auf Eis gelegten iranisch-ägyptischen Beziehungen.“ Nicht zuletzt haben beide Staaten angekündigt, wieder Botschaften in ihren Hauptstädten eröffnen zu wollen. Im Folgenden dokumentieren wir einen Bericht zum Treffen der beiden Politiker sowie einen Kommentar der Zeitung zu Vergangenheit und Zukunft der iranisch-arabischen Beziehungen:

Am 13.12 schrieb die Zeitung Sharq: „Der Iran hat im Jahre 1979 seine Beziehungen zum ägyptischen Regime auf Befehl des Imam Khomeini abgebrochen. Galt Ägypten doch als der Staat, der als erster Staat ein Friedensabkommen mit Israel unterschrieb. Nach einem einstündigen Gespräch teilte der ägyptische Präsident nun der Presse mit, dass beide Staaten gleiche Positionen hinsichtlich der Probleme im Mittleren Osten haben und gute Beziehungen miteinander pflegten. […] Zwar kann der Iran den ägyptischen Vorstoß beim Friedensvertrag mit Israel nicht vergessen – es scheint aber, als bilde sich nicht nur im Iran, sondern langsam auch in Ägypten ein Konsens für den Aufbau von neuen Beziehungen zwischen beiden Ländern heraus. […]

Bisher hatten die Ägypter als Grund für die Stagnation der bilateralen Verhältnisse einen Straßennamen in Teheran angegeben – die Khaled-Eslamboli-Straße. Khaled Eslamboli hatte den Anschlag auf denehemaligen ägyptischen Ministerpräsidenten Anwar Sadat verübt. Aber jetzt griffen die Ägypter dieses Thema bei den Gesprächen mit dem Iran nicht mehr auf. Man kann also hoffen, dass Kairo begriffen hat, dass der Name einer Straße in Teheran – oder auch in Kairo – bei der Normalisierung der Beziehungen beider Staaten keine Rolle spielen darf.

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass parallel zu dieser wichtigen Begegnung der Iran eine Mitgliedschaft in der Arabischen Liga beantragt hat.[1] Und die hat ihren Sitz schließlich in Kairo. Es wäre nun in der Tat unsinnig, wenn ein Staat Schritte für die Mitgliedschaft in einem regionalen Pakt unternehmen aber keine diplomatischen Beziehungen mit dem Staat unterhalten würde, in dem dieses Bündnis ihren Sitz hat. Es sieht so aus, als hätten die Organe unseres Staates dieses nahe liegende Problem erkannt und würden nun den Weg für die Annahme der Mitgliedschaft des Iran in der Arabischen Liga ebnen.

Allerdings wird die Angelegenheit von inländischen Experten noch mit vielen Wenn-und-Abers versehen. So lässt sich etwa nichts über den Einfluss dieser Entwicklung auf Israel sagen. Natürlich wird sich das israelische Regime über die Verbesserung der Beziehungen zwischen Ägypten und dem Iran nicht freuen ­Israel stört schließlich alles, was die Sicherheit des israelischen Regimes gefährdet. Man kann dieGeschichte aber auch anders betrachten: Israel könnte kraft seiner Beziehungen zu Ägypten Einfluss auf Teheran ausüben, damit sich die iranischen Positionen gegenüber Tel Aviv verändern. Wir müssen abwarten und sehen, welche Analyse sich bewahrheiten wird. […]“

Das Treffen von Mohammad Khatami mit Husni Mubarak greift auch der Kolumnist Mehran Karami in der Sharq vom 13.Dezember auf. Er zeichnet dabei die Geschichte der iranisch-arabischen Beziehungen seit den 50er Jahren nach. Den Sturz Saddam Husseins und die wichtige Rolle Ägyptens in der arabischen Welt sieht er als Ausgangspunkt für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Seiten:

„Das Treffen von Mohammad Khatami mit Husni Mubarak ist der Anfang vom Ende einer 25 jährigenFeindschaft, das Ende von Pessimismus und Distanz zwischen dem Iran und Ägypten. Nun ließen sich diese drei Chrakteristika aber auch auf eine noch weiter zurückliegende Vergangenheit und die Beziehungen zwischen dem Iran und den arabischen Staaten insgesamt übertragen. Vor diesem Hintergrund, könnten die neuen Entwicklungen nicht nur das Ende der frostigen Beziehungen zwischen Iran und Ägypten bedeuten. Vielmehr könnten wir sogar Veränderungen der iranisch-arabischen Beziehungen insgesamt erwarten und müssten nicht länger Zeuge von negativer Propaganda und der kulturell und historisch begründeten Erniedrigungen sein, mit denen sich beite Seiten attackieren.

Es ist lange her, dass Jamal Abdel Nasser nicht nur das Bewusstsein der arabischen Regierungen, sondern auch das öffentliche Bewusstsein in der Hand hatte und den arabischen Nationalismus gegen die nicht­arabischen Staaten in der Region wie den Iran und Israel propagierte. Damals hatten die traditionellen arabischen Staaten die besseren Beziehungen mit dem Iran. Diese reaktionären Staaten mit ihren spezifischen traditionellen Erbmonarchien und Despotien standen neben dem royalistischen Iran gegenStaaten wie Syrien, Ägypten, Irak, Libyen, Algerien oder dem Nord- und Süd-Jemen. Diese als fortschrittlich titulierten Länder der arabischen Welt, die sich auf den arabischen Nationalismus und Sozialismus stützten, wurden diktatorisch regiert, und jeder politische Führer eines arabischen Staates fühlte sich gleichzeitig als alleiniger Führer der arabischen Welt. […]

In den ersten Jahren nach der Revolution kämpfte der Iran dann insbesondere gegen die konservativen arabischen Staaten und bezeichnete diese als reaktionär. In dieser Zeit bestanden gute Beziehungen zu den fortschrittlichen arabischen Staaten – abgesehen vom Irak (acht-jähriger Krieg) und von Ägypten (wegen der Unterzeichnung des Camp-David-Vertrages). Die fortschrittlichen arabischen Staaten standen während des Krieges gegen den Irak eher auf der iranischen Seite, während die konservativen und traditionellen arabischen Länder zu den Hauptunterstützern des Saddam-Regimes gehörten. Das Ende des Iran-Irak-Krieges und vor allem der zweite Golfkrieg im Jahre 1991 führten dann zu einer neuen, eher ursprünglichen Frontbildung in der arabischen Welt: Jetzt verteidigten Staaten wie Ägypten, Syrien, Libyen und der Jemen Saddam Hussein gegen den Westen, und die traditionellen arabischen Staaten standen auf der Seite Kuwaits gegen Saddam Hussein.

In dieser Zeit […] bemühte sich die Islamische Republik Iran um politische Beziehungen mit traditionellen Staaten wie Saudi-Arabien. Schwarze Wolken hingen hingegen über den Beziehungen zu den Frontstaaten. […] Je älter dann die Arabische Liga und je stärker die Konservativen wurden, desto mehr geriet die nationalistische Ideologie und der Panarabismus in Vergessenheit. Der Zusammenbruch des Kommunismus und der UdSSR, die die arabischen Diktaturen unterstützt hatte, änderte das Gleichgewicht zugunsten der Konservativen. Vom versprochenen Sozialismus blieb nichts übrig als die Idee der Machtkonzentration. Die arabischen Konservativen hatten dagegen eine neue Waffe entwickelt: einen Fundamentalismus, der seine Wurzeln in den Ideen von Mohammad Ibn Abdel Wahhab besaß. Mit Petrodollars wurden nun die Fundamentalisten in Tschetschenien, Afghanistan, Palästina und Algerien unterstützt.

Die neue [iranische] Freundschaft mit den konservativen arabischen Staaten beruhte auf zwei Positionen des Fundamentalismus in der islamischen Welt, über die Einigkeit bestand – die ideologische Feindschaft gegen den Westen und gegen den Zionismus. Je mehr sich jedoch die arabischen Staaten radikalisierten und den Terrorismus unterstützten, desto stärker entfernte sich der Iran von dieser Strategie und näherte sich einer gemäßigten Politik fernab der [terroristischen] Fundamentalismen an.[2] Der Iran steht gegenwärtig zwischen einem [gemäßigten] islamischem Fundamentalismus und der Demokratie und fühlt sich der Türkei, wo ein moderater Islamismus an die Macht gekommen ist, viel näher als den konservativen Staaten, die als Motor des Fundamentalismus und Terrorismus in der islamischen Welt gelten.[3]

Auch wenn der Islamismus in Ägypten eine lange Geschichte hat und sogar stärker ist als im Iran und in anderen islamischen Ländern, konnte der Radikalismus hier nie siegen und Gruppen wie die Jamaat Islami konnten sich gegenüber den gemäßigten Kräften der Muslimbrüder nicht behaupten. Diese Tatsache erleichterte die Unterdrückung von Fundamentalismus und Terrorismus durch das Regime von Husni Mubarak. Im Gegensatz zu den meisten arabischen Staaten, wo der Radikalismus sich zu einerislamistischen Strömung entwickelt hat, stellt diese in Ägypten keine Gefahr für die Regierung dar. Wenn sich der Demokratie- und Reformprozess in diesen Ländern verstärken sollte, wird die Hauptkonkurrenz zwischen Islamisten in Form der [türkischen] Gerechtigkeitspartei und Laizisten bestehen.

Ägypten wird jedenfalls die moralische Führung in der arabischen Welt übernehmen. Ägypten galt stets als Herz der arabischen Welt und ist bis heute das intellektuelle Zentrum dieses Teils der islamischen Welt. Die freundschaftliche Hinwendung Ägyptens zum Iran wird dementsprechend Auswirkungen auf andere arabische Staaten haben und auch der Umstand, dass der Hauptsitz der Arabischen Liga in Kairo und ihrVorsitzender ein Ägypter ist, wird die Aussichten des Iran als Mitglied mit einem Beobachterstatus in der Arabischen Liga aufgenommen zu werden, verbessern.

Entgegen der Annahme, dass das Camp-David-Abkommen und der israelisch-arabische Streit den arabisch-iranischen Beziehungen im Wege stehen, ist die negative Sicht der arabischen Staaten auf den Iran vor allem anderen auf die destruktive Rolle des alten irakischen Regimes zurückzuführen. Der Irak hatte im Zuge seiner Bemühungen um die Führungsrolle in der arabischen Welt versucht, den zentralen Konflikt von Palästina auf den Osten der arabischen Welt zu verschieben. Nun aber ist das Regime von Saddam Hussein gestürzt worden und es sieht so aus, dass die Schiiten mit Hilfe der Amerikaner im Irak die Macht übernehmen werden. Vor diesem Hintergrund steht einer Verbesserung der iranisch-arabischen Beziehungen nichts anderes mehr im Weg als die Überwindung der destruktiven kulturellenGewohnheiten. Die Begegnung von Khatami und Mubarak ist ein Schritt auf dem Weg zur Überwindung dieser Gewohnheiten.“

Endnoten:

[1] Es handelt sich um eine Mitgliedschaft des Iran mit Beobachterstatus. Damit erhielte der Iran zwar kein Stimm- aber ein Rederecht in der Arabischen Liga.

[2] Im Verständnis der politischen Führung des Iran sind Jihad Islami, Hamas und Hizbollah keine terroristische, sondern Widerstandsbewegungen. Daher wird die Unterstützung dieser Bewegungen auch gemeinhin nicht als Zusammenarbeit mit terroristischen Bewegungen betrachtet.

[3] Angespielt wird hier auf das Konzept der „religiösen Demokratie“ von Präsident Khatami.


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