Islamischer Antisemitismus rückt ins Blickfeld deutscher Politik

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Berlin – Wenn Schreibmaschinen klackern, dann denkt man an Kisch, den rasenden Reporter, oder an die Wahrheit aufs Papier bringende Recherchen. Die Anschläge, die zu Beginn der syrischen TV-Serie „Diaspora“ weiße Buchstaben an den Bildschirm hämmern, wollen dies nur suggerieren: „Die Juden beschlossen, die Welt zu kontrollieren“, heißt es da, und später erfährt der Zuschauer der Pseudo-Doku, wie Juden Kindern die Kehle aufschlitzen, um mit dem Blut Matzot zu backen – alte antisemitische Klischees, die der 2003 produzierte Film neu auflegt und der seitdem auf arabischen Fernsehsendern läuft; produziert wurde das Machwerk von mehreren syrischen Institutionen. Westliche Medien greifen diese islamische Form des Antisemitismus verstärkt auf und kritisieren sie, die Politik indes reagiert langsamer.

Um dieses Phänomen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, hat am Donnerstag das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie zusammen mit dem Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien und anderen Veranstaltern Forscher und Politiker zu einer Podiumsdiskussion in Berlin versammelt. „Weshalb haben wir so lange weggesehen?“, fragte Klaus Faber, Geschäftsführender Vorsitzender des Wissenschaftsforums und Moderator der Diskussion.

Schnell kristallisierten sich zwei Streitfragen heraus: Wo liegen die Wurzeln für diesen Antisemitismus? Und: Was soll dagegen unternommen werden? Yigal Carmon vom israelischen Middle East Media Research Institute (Memri) sagte, schon im Koran zeigten sich Spuren dieses Antisemitismus. Der Konflikt zwischen dem Propheten Mohammed und jüdischen Stämmen auf der Arabischen Halbinsel sei Ausdruck dieser Gegnerschaft – eine These, die der Korrespondent der israelischen Tageszeitung „Yedioth Aharonoth“, Eldad Beck, unterstützte, welche jedoch von Julius Schoeps angezweifelt wurde. „Diese Geschichte ist nicht so alt“, sagte der Direktor des Mendelssohn-Zentrums mit Blick auf den islamischen Antisemitismus. Sicher sei, dass in den vergangenen Jahrzehnten die europäischen antisemitischen Bilder im Nahen Osten Einkehr gefunden hätten. 1920 erschien die erste arabische Übersetzung der „Protokolle der Weisen von Zion“, einer Fälschung des zaristischen Geheimdienstes zur Diskreditierung von Juden. Es folgten Hitlers „Mein Kampf“ und weitere Bücher, die sich bis heute im Nahen Osten hoher Beliebtheit erfreuen. Arabische Liberale kritisieren zunehmend diesen Antisemitismus, noch sehen sie sich jedoch einer ablehnenden Mehrheit in ihren Gesellschaften gegenüber.

So zweifelte Faber daran, dass „selbst wenn sich Israel auf die Waffenstillstandslinien von 1967 zurückzöge, damit, angesichts der antisemitischen Hasspropaganda, der arabisch-israelische Konflikt beendet wäre“. Sacha Stawski von der Bürgergruppe „Honestly Concerned“ leitete daraus Forderungen ab: Der islamische Antisemitismus solle weltweit verurteilt werden und Regierungen sollten gegen Fernsehsendungen vom Schlage „Diaspora“ protestieren; bisher regte sich nur im französischen Kabinett lauter Unmut über die syrische Produktion. Dieser Protest, sagte Stawski, sollte auch das Verbot solch antisemitischer Verbreitung über das Fernsehen oder Internet einschließen.

Die anwesenden Politiker reagierten auf die Forderungen zurückhaltend. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Sibylle Pfeiffer begrüßte den Vorschlag einer entsprechenden Resolution der UN-Vollversammlung. „Schon jetzt sind Entwicklungshilfegelder an Bedingungen gebunden wie „Good Governance“ und Menschenrechte“, sagte Pfeiffer. „Nach solch einer Resolution könnten die Vereinten Nationen Gelder an die Bedingung knüpfen, gegen Antisemitismus vorzugehen.“ Skeptischer zeigte sich Gert Weißkirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Den Aufstand des Einzelnen gegen Antisemitismus kann man nicht verordnen“, sagte er. Zweifel an der Wirksamkeit von Sanktionen äußerte auch Markus Löning (FDP), Mitglied der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE.

Gegen Verbote sprach sich ebenfalls Schoeps aus. Wichtiger sei, die Bildung stärker zu fördern, sagte er und machte einen konkreten Vorschlag: die Gründung einer Akademie der drei monotheistischen Religionen in Berlin.


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