Demonstration gegen Ahmadinedschad „Hitler des 21. Jahrhunderts“

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Tausend Demonstranten haben anlässlich des WM-Spiels Mexiko-Iran gegen die Politik des iranischen Präsidenten demonstriert. Bayerns Innenminister Günther Beckstein griff Mahmud Ahmadinedschad mit scharfen Worten an.

Nürnberg – Grün war die Farbe des Tages. Die mexikanischen Fans trugen grün, die iranischen auch – und natürlich die Polizisten. Grüne Trikots, grüne Uniformen in der ganzen Stadt. Denn in Nürnberg traten am Abend die Ballsportler aus Mexiko und dem Iran gegeneinander an. Sportlich galt das Spiel nicht als der ganz große WM-Zauber, politisch aber steckte in der Partie Brisanz: Denn Irans umstrittener Staatspräsident Ahmadinedschad schickte seinen Stellvertreter Aliabadi auf die Stadiontribüne nach Nürnberg.


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Foto: SPIEGEL TV
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Die Jüdische Gemeinde hatte deshalb zur Gegendemo aufgerufen: „Keine Gastfreundschaft für Volksverhetzer!“, stand auf der Ankündigung. Gegen 17 Uhr am Sonntag tüftelt Arno Hamburger noch an der kleinen Bühne auf dem Jakobsplatz. Hamburger ist der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde von Nürnberg. Einst ist er als Befreier in die fränkische Heimat zurückgekehrt: 1945 war das, in englischer Uniform.

Dass der iranische Präsident jetzt den Holocaust leugnet, dass er Israels Existenzrecht nicht anerkennt, das verletzt Arno Hamburger. Er hofft auf viele Unterstützer, will ein Zeichen setzen – inmitten all der vorwiegend mexikanischen Fangesänge in der Fußgängerzone. Bevor es losgeht, lässt Hamburger noch ein paar CDs abspielen, „ein bisschen Musik, damit die Leute sich nicht langweilen“, sagt er. Aus den Lautsprechern ertönen die Gitarrenriffs des Mexikaners Carlos Santana.

Eine Stunde später dominieren dann Weiß und Blau den Jakobsplatz: Rund 50 israelische Fahnen mit dem Davidstern wehen über knapp tausend Demonstranten im Sommerwind. Arno Hamburger muss sich keine Sorgen machen. Die Menschen wollen ein Zeichen setzen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) ist gekommen und findet für einen Exekutivpolitiker erstaunlich deutliche Worte: „Wenn der iranische Präsident nach Deutschland kommen sollte, wird ihn allein sein Diplomatenpass vor einer sofortigen Festnahme schützen“. Willkommen sei „ein Verbrecher wie Ahmadinedschad“ nicht in Deutschland.

Günther Beckstein ist die Demonstration in Nürnberg ein besonderes Anliegen. Denn obwohl die Sicherheitslage angespannt ist – die Sicherheitskräfte schätzen die Begegnung Mexiko-Iran als „Risikospiel“ ein – bleibt der Polizeiminister zwei Stunden: „Ich will hier meine uneingeschränkte Solidarität mit den jüdischen Gemeinden zeigen“, sagt er und ruft der Menge zu: „Wir fühlen mit euch!“

Beckstein weist auch auf die Bedeutung Ahmadinedschads für die rechtsextreme Szene in Deutschland hin, er sei bereits „eine Kultfigur der Neonazis“. Die Demokraten stünden „zusammen in der Ablehnung eines solchen Mannes und in der Abwehr gegen Rechtsextreme“. Natürlich müsse man Sport und Politik auseinanderhalten, so Beckstein. Deshalb habe er auch der Kanzlerin versichert, „kein Wort gegen die iranischen Fußballer, kein Wort gegen das iranische Volk“ zu sagen.

Dankesrufe für Beckstein

Michel Friedman steht neben Günther Beckstein. Der eloquente Friedman war einst Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Vielen gilt er als unterkühlt. Von Becksteins Rede hingegen ist er jetzt so beeindruckt, dass er den Minister in den Arm nimmt. Aus dem Publikum erschallen „Danke“-Rufe. Trotzdem widerspricht Friedman dem Vorredner kurz darauf in seiner Rede: Nachdem Ahmadinedschads Stellvertreter zum Fußball nach Deutschland eingereist sei, könnten Sport und Politik nicht mehr getrennt werden, „die WM ist politisch geladen“.

In einer emotionalen und rhetorisch brillanten Rede mahnt Friedman die deutsche Politik, Worten auch Taten folgen zu lassen, der iranische Regierungsvertreter hätte gar nicht erst einreisen dürfen: „Ich frage die Bundesregierung, warum sie ihm ein Visum geben musste, wenn gleichzeitig der weißrussische Präsident doch auch zur unerwünschten Person erklärt werden konnte“, so Friedman. Die EU hat im April ein Einreiseverbot gegen Weißrußlands Präsident Alexander Lukaschenko verhängt.

Friedman fordert in Nürnberg ein entsprechendes Einreiseverbot für Ahmadinedschad: „Wir haben gelernt: Wehret den Anfängen, und Ahmadinedschad ist weit über die Anfänge hinausgegangen.“ Dem „Hitler des 21. Jahrhunderts“ dürfe man nicht „mit einem diplomatischen Schmusekurs begegnen“. In den letzten Tagen hatte bereits die neue Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, die internationale Politik gegenüber Iran als zu nachgiebig kritisiert.

Im israelischen Flaggenmeer auf dem Jakobsplatz tauchen auch iranische Flaggen auf. Es sind allerdings nicht die offiziellen des Mullah-Regimes, sondern jene der Opposition: In der Mitte prangt ein Löwe vor strahlender Sonne: „Die Sonne symbolisiert die Freiheit, der Löwe bedeutet Macht und Gerechtigkeit“, erklärt ein Exil-Iraner.

Und während der kleine Mann die Info-Papiere der Israelitischen Kultusgemeinde gern annimmt, tanzt vor ihm eine Frau mit der israelischen Fahne um den Körper und einer kleinen iranischen Löwenfahne in der Hand.


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