Iranische Reaktionen auf die Hinrichtung von Saddam Hussein

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Iranische Reaktionen auf die Hinrichtung von Saddam Hussein

 

 

Der ehemalige irakische Präsident Saddam Hussein ist am Samstag, den 30. Dezember 2006 um 6 Uhr Ortszeit in Bagdad hingerichtet worden. Nicht nur die Schiiten im Irak jubelten.

Im folgenden werden Meinungen iranischer Politiker dokumentiert. Für die iranischen Machthaber trägt Saddam Hussein die Hauptschuld an dem grausamen Iran-Irak-Krieg [1980-88]. Er wird als ein Diener des Westens, insbesondere der USA und Israels betrachtet. Die iranischen Machthaber fühlen sich selbst keineswegs durch die Hinrichtung Saddam Husseins gefährdet. Im Gegenteil versuchen sie aus der Not eine Tugend zu machen. Das iranische Regime wird nicht als eine Diktatur verstanden. Daher kann auch argumentiert werden, dass die Hinrichtung Saddam Husseins ein gerechter göttlicher Wille war. Gleichzeitig wird aber auch kritisiert, dass die USA und der Westen kein Interesse daran hatten die Verbrechen von Saddam Hussein aufzudecken. Daher habe man ihn auch schnell hingerichtet, um die Wahrheit zu verdecken, so die islamistische Verschwörungstheorie aus dem Iran.

 

 

„In die Hölle geschickt“

Der Vorsitzende der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des islamistischen Parlaments des Iran [Majless], Alaoldin Borujerdi, befasste sich mit der Hinrichtung Saddam Husseins: „Ich gratuliere dem großen iranischen Volk und den Angehörigen der Märtyrer […], dass der eigentliche Verursacher für zahlreiche Verbrechen gegen unser Volk in die Hölle geschickt wurde. Die Verbrechen von Saddam beschränkten sich nicht nur auf den Iran. Er war sogar gegenüber denjenigen, die ihm halfen, erbarmungslos. Seine Verbrechen in Halabche gehören zu den schändlichsten Verbrechen in der Gegenwartsgeschichte. […] Saddam versuchte alles voller Stolz und mit Hilfe einiger Mächte der damaligen Welt gegen die Islamische Republik Iran zu unternehmen, konnte aber nichts anrichten. Das iranische Volk und Imam Khomeini und das politische System der islamischen Republik mussten zwar sehr viel Schaden ertragen, gingen jedoch siegreich und aufrichtig aus dem aufgezwungenen Krieg heraus. […] Die Technologie für den Bau von biochemischen Waffen hat Deutschland dem Irak überlassen. Auch die Amerikaner haben eine herausragende Rolle bei der Anstachelung von Saddam gespielt, damit dieser den Krieg beginnt. Auch die ehemalige Sowjetunion und Frankreich halfen der irakischen Diktatur. Sie ließen auch nicht zu, dass die Wahrheit zum Vorschein kommt.“ […] [1]

 

Der Koordinationsrat der Tabbliqate Eslami, eine staatliche islamische Propagandaorganisation, erklärte, dass die Hinrichtung von Saddam Hussein das „Herz von Millionen Muslimen erfreut“ habe.[2]

 

Qolamali Hadadali Hadad, Vorsitzender des islamistischen Parlaments meinte, „alle, die Zeugen seines Todes waren, können mit Herzen und Verstand bezeugen, dass die rächende Hand Gottes seinen Hals drückte. […] Ich gratuliere den irakischen Sunniten und Schiiten und den Kurden und dem Iran und den Angehörigen der iranischen Märtyrer. […] Aber die Akte seiner Verbrechen und seiner Unterstützer und seiner Herren, insbesondere die amerikanische Regierung, aber auch die der anderen Regierungen, die ihn motivierten den Krieg gegen den Iran zu führen und ihm Waffen gaben, darf nicht geschlossen werden.“[3]

 

Zudem forderten 203 Mitglieder des islamistischen Parlaments, dass die „Akte der Verbrechen Saddams geöffnet bleiben muss und von einem Komitee, in dem Vertreter Irans und Kuwaits vertreten sind, bearbeitet werden muss.“[4]

 

 

Mohammad Khatami fragte: „Wer kann die großen Verbrechen von Saddam Hussein verleugnen? Wer fordert nicht die Bestrafung von Verbrechern? Und vergessen wir nicht, dass diejenigen, die für die Hinrichtung verantwortlich sind, der Meinung sind, dass das Todesurteil nur wegen eines kleinen Teils seiner Verbrechen ausgesprochen worden ist. […] Wir können Gerechtigkeit fordern und dennoch uns eine Welt wünschen, in der es keine Verbrecher gibt.“[5] Zuvor hatte er erklärt, dass das Schicksal Saddam Husseins eine „Lehre für Diktatoren“ sei. [6]

 

„Ein Zeichen der göttlichen Gerechtigkeit“

Hashemi Rafsanjani meint, dass die „Hinrichtung Saddam Husseins ein Zeichen der göttlichen Gerechtigkeit in der Geschichte ist.“ Gott habe stets versprochen „immer, wenn nötig Rache auszuüben.“ Er fuhr fort: „Die Ereignisse in Irak zeigen, dass Gott Gerechtigkeit walten lässt.“ Gott wisse, wann die „Gerechtigkeit erfüllt werden muss.“[7]

 

Der Freitagsimam, Ayatollah Mohammad Emami Kashani setzt sich mit der Hinrichtung Saddam Husseins auseinander: „Wir müssen uns alle auf die Gerechtigkeit vorbereiten. [….] Wenn der Messias [der verschwundene 12.Imam] kommen werde, „werden wir Zeugen von Gerechtigkeit und Liebe weltweit werden.“ [8]

 

 

„Eine Ohrfeige für Amerika“

Ayatollah Alosma Nuri Hamedani urteilte wie folgt: „Saddams Hinrichtung ist eine Ohrfeige für Amerika. Die Macht des Islam wird täglich größer. Die Hinrichtung hat gezeigt, was den Unterdrückern und denjenigen, die unter der Fahne Amerikas handeln, widerfahren kann.“ […] [9]

 

„ …. würde es jetzt kein Israel geben.“

Hojatoleslam walmoslemin Mohssen Heydari meinte: „Saddam hat Israel größte Dienste erwiesen. Wenn der aufgezwungene Krieg nicht stattgefunden hätte, würde es jetzt kein Israel mehr geben. Das revolutionäre Klima, das nach dem Sieg der islamischen Revolution in den islamischen Ländern wuchs, hätte beinahe Israel vernichtet. Aber Saddam Hussein führte seinen Krieg [gegen den Iran], so dass Israel überleben konnte.“ [10]

 

„Die Geschichte wird die Dimensionen der Verbrechen des irakischen Diktators aufklären.“

Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad telefonierte mit dem irakischen Präsidenten Jalal Talebani. Ahmadinejad beklagte, dass „Saddam viele seiner Verbrechen mit ins Grab genommen und verhindert habe, dass diese ans Tageslicht gelangen. Bald wird die Geschichte die Dimensionen der Verbrechen des irakischen Diktators aufklären. Ich hoffe, dass jetzt die Regierung stabil wird und das irakische Volk sehr bald in vollständiger Sicherheit lebt. […] Wir waren sehr besorgt, dass manche Leute versuchen könnten sich gegen das irakische Volk zu verschwören und mit Hilfe der Amerikaner Saddam zu befreien.“ [11]

 

„Die Verbrechen gegen Iran und Kuwait sind nur ein Teil der Morde.“

Seyyed Mohammad Ali Husseini, Sprecher des iranischen Außenministeriums, erklärte:

„Saddam hat eine grausame und dunkle Akte. Die Verbrechen gegen Iran und Kuwait sind nur ein Teil der Morde. […] Die islamische Republik Iran erwartet, dass ein Gericht auch nach dem Tod Saddams die irakischen Verbrechen gegen die Islamische Republik verfolgt.“[12]

 

„…keine Gerechtigkeit gesucht“

Der Jurist, Jussef Molai, meint, dass das irakische Gericht „keine Gerechtigkeit gesucht“ habe. […] Kriegsgefangene, Opfer von chemischen Bomben und des aufgezwungenen Krieges können in einem Gericht als Zeugen auftreten, aber wegen der Abwesenheit Saddam Husseins und seiner engsten Mitarbeiter verlieren die Zeugenaussagen ihre Wirkung. Man hätte die Akte Saddams vor einem unabhängigen internationalen Gericht behandeln müssen, damit auch der Iran darin einen Zugang gefunden hätte.“ [13]

 

 

„Irak muss seine Kriegsreparationen zahlen“

Hussein Nushabadi, Hardliner, ebenfalls Mitglied des Majless fordert, dass der Iran sich an den „internationalen Gerichtshof in Den Haag wenden muss und dort Klage einreichen muss. Die Amerikaner dachten, dass je länger Saddam am Leben bleibt, ihre eigene Mitschuld immer mehr bekannt werde. Die Hinrichtung Saddam Husseins garantiert nur die Sicherung der amerikanischen Interessen. […] Wir konnten noch nicht einmal einen Teil der Reparationszahlungen von den Amerikanern erhalten. Denn sie haben Saddam aufgestachelt.“ [14]

 

Emad Afruq, Majlessmitglied forderte Reparationszahlungen: „Es handelte sich um ein Verbrechen eines politischen Systems. […] Irak muss seine Kriegsreparationen zahlen.“ [15]

 

Der oberste iranische Staatsanwalt, Dori Nahafabadi, glaubt, dass alle „Unterdrücker eines Tages unter göttlicher Gerechtigkeit leiden werden.“ Dennoch müssten „alle, die Saddam Husseins achtjährigen Krieg gegen den Iran unterstützt haben vor einem Gericht zur Verantwortung gezogen werden.“ [16]

 

 

Die wahren Gründe der Hinrichtung Saddam Husseins

 Und das reformislamsitische Mitglied des Majless, Nuroldin Pirmosen, meint, dass das Thema der „irakischen Schulden an den Iran sicherlich mit der Hinrichtung Saddams auch historisch vergessen werden.“ [17]

 

Said Abutaleb, Abgeordneter des islamistischen Parlaments [Majless] kommentierte: „Wenn Saddam geblieben wäre, könnten seine Verbindungen zu den großen westlichen Staaten, wie Amerika, Frankreich und Deutschland und sogar zu den arabischen Regierungen bekannt werden. Die Amerikaner haben den Prozess gegen Saddam in der Form gelenkt, dass seine Verbrechen gar nicht verfolgt werden können.“ [18]

 

Und Javad Tahmassebi, iranischer Jurist, meint, die Hinrichtung Saddam Husseins habe das Ziel verfolgt, dass „die Verbrechen Saddams nie aufgedeckt werden.“ [19]

 

In einer Erklärung der Bassijistudenten der Universität von Urumiye heißt es: „Die Hinrichtung von Saddam Hussein ist ein Balsam auf die Wunden des iranischen Volkes.[…]“ Saddam Hussein sei ein ausgebranntes Element der Amerikaner gewesen und musste deswegen beseitigt werden, meinte die Studentenorganisation. [20]

 

Das Majlessmitglied, Soleiman Jafarsadeh, Mitglied der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik vermutet: „Die Hinrichtung Saddam Husseins, seine Leiche, sogar sein Grab sind nicht mehr als Instrumente der Interessenpolitik der Amerikaner.“ [21]

 

 

„Die Amerikaner werden langfristig versuchen die Baathisten zu instrumentalisieren“

Der Vorsitzender der „Versammlung zur Erkennung der Staatsinteressen“, Mohssen Resai argumentiert wie folgt: „Die Amerikaner glauben, dass die Hinrichtung von Saddam Hussein eine Instrumentalisierung der Baathisten erleichtern wird. Nach der Hinrichtung von Saddam Hussein ist eine amerikanische Zusammenarbeit mit den Kadern der Baathpartei nicht mehr gefährlich. Denn Saddam Hussein steht nicht mehr auf der Seite seiner Anhänger. […] Es ist selbstverständlich, dass man nicht wollte, dass alle Wahrheiten über die Verbrechen Saddam Husseins bekannt werden. Deswegen wurde doch seine Akte nicht vollständig geöffnet und deswegen sollte er auch schnell hingerichtet werden. […] Man wollte nicht, dass die Rolle der Europäer, der Amerikaner, der Russen und sogar der Chinesen bei der Unterstützung Saddams öffentlich wird. Tatsächlich hätte die Weltöffentlichkeit dann über die unmenschliche Politik dieser Länder in den letzten zwei Dekaden urteilen können. Wenn beispielsweise die Hintergründe der Zusammenarbeit der Deutschen mit Saddam Hussein im Hinblick auf den Bau von chemischen Waffen bekannt geworden wäre, wenn klar geworden wäre, welche deutschen Unternehmen die Materialien für chemische Waffen an Irak verkauft haben, welche Rolle die deutsche Regierung dabei gespielt hatte, wie die Materialien dorthin gelangt sind und wo diese Materialien zu chemischen Waffen umgerüstet wurden, wären einige Fragen beantwortet worden. […] Auch hätte dann die Rolle der Franzosen beim Verkauf von Kampfflugzeugen geklärt werden können. Ein Großteil der Umwelt im persischen Golf ist durch französische Flugzeuge zerstört worden.“ […]  Resai sagt voraus: „In den kommenden Monaten werden die Amerikaner noch mehr Probleme in Irak bekommen. Die Anhänger von Saddam Hussein werden ihre Angriffe gegen die Amerikaner verstärken. Später wird sich das aber legen. Aber wahrscheinlich werden sie noch mehr die irakischen Schiiten angreifen. Und die Amerikaner werden versuchen die irakisch-iranischen Beziehungen so begrenzt wir möglich zu halten. […] Die Amerikaner werden langfristig versuchen die Baathisten zu instrumentalisieren und werden sich sogar für eine Änderung der gegenwärtigen Regierung einsetzen und dabei die Machtstrukturen ändern. Sie werden sogar die Verfassung ändern, um die Baathisten und die alten Kader wieder einzusetzen. Die Amerikaner denken, dass sie auf die Partizipation der Sunniten angewiesen sind, um eine Gegenmacht zur Präsenz der Schiiten und Kurden aufzubauen. [..] Für die Amerikaner wird es langsam gefährlich, dass die Schiiten an der Macht sind, aber die Sunniten nicht. [..] Die Amerikaner können Irak nicht teilen. Die Türkei, Syrien und Saudi-Arabien sind gegen eine Teilung Iraks. […] Eine Teilung Iraks kann auch für die Amerikaner gefährlich werden. Denn eine Sicherung der Interessen der Amerikaner ist nach einer Teilung keineswegs gesichert. Es gibt die Möglichkeit, dass im Falle einer Teilung die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden direkt und schnell ihre Beziehungen mit dem Iran verbessern und vertiefen. Und die Sunniten werden auch nicht unbedingt mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Daher werden die Amerikaner die Einheit Iraks bewahren und die Rolle der Kader der früheren irakischen Regierung stärken, damit diese der iranischen Regierung Paroli bieten. So können sie den gesamten Irak unter ihrer Kontrolle behalten.“[22] 

 

 

 

 




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