Berlin, 28. Januar 2007
Deutschland muss sich entscheiden…
Redebeitrag auf der Demonstration gegen Ahmadinejad
am 28. Januar 2007 in Berlin
Von Matthias Küntzel
Deutschland muss sich entscheiden, ob es an der Seite des Iran Partei gegen die USA ergreifen will, oder an der Seite der USA Partei gegen den Iran.
Ahmadinejad plus Atomwaffen: Das ist der zweite Holocaust.
Dieser Mann ist von der Vorstellung besessen, durch die Vernichtung Israels die Welt zu befreien. Deshalb wird er im März dieses Jahres 3.000 Uranzentrifugen in Betrieb nehmen, genug für zwei Atombomben pro Jahr. Er ist der Mann, der für Israels Zerstörung alles auf eine Karte setzt. Die Konsequenzen des Atomkriegs gegen Israel wären derart schrecklich, dass das Reden über Wahrscheinlichkeiten sich verbietet, solang die Möglichkeit besteht.
Deswegen hatte die Bundeskanzlerin recht, als sie vor einem Jahr die Gefahr der iranischen Bombe mit der Nazi-Gefahr der Dreißiger Jahre auf eine Stufe stellte und erklärte: „Wir müssen die Rhetorik des iranischen Präsident ernst nehmen. Wie müssen den Anfängen wehren.”
Heute aber wird die Parole „Wehret den Anfängen” nicht gegen das Mullah-Regime, sondern gegen die USA in Anschlag gebracht, um die amerikanische Sanktionspolitik gegen deutsche Banken und Konzern – Todeshändler, die mit dem antisemitischen Regime Geschäfte machen – schon in „den Anfängen abzuwehren”.
Heute ist auf der Homepage des Auswärtigen Amts beim Stichwort Iran nicht von Holocaust-Leugnung und von Vernichtungsdrohungen die Rede. Stattdessen wird auf dieser Homepage – auch gegenwärtig! – von der „Lebendigkeit des deutsch-iranischen Kulturaustauschs” und von dem „Aufwärtstrend in den deutsch-iranischen Handelsbeziehungen” geschwärmt.
Heute gilt es in Deutschland als selbstverständlich, dass das Land der Holocaust-Täter mit dem Land der Holocaust-Leugner Geschäfte macht.
Selbst noch im Jahr 2006 – als jeder in der Welt den Vernichtungswunsch und die Vernichtungsvorbereitungen des iranischen Präsidenten kannte – hat die Bundesregierung die Neu-Investitionen deutscher Konzerne im Iran mit üppigen Hermes-Bürgschaften belohnt. Hermes-Bürgschaften garantieren, dass der Staat die Verluste deutscher Firmen im Iran aus Steuermitteln ersetzt. Sie lenken deutsche Investitionen dahin, wo man sie aus politischen Gründen haben will. So wurden mit Unterstützung der Bundesregierung allein in der ersten Jahreshälfte 2006 Waren im Wert von 2,3 Milliarden Euro in den Iran exportiert.
70 Prozent der iranischen Industrie gehört dem staatlichen Sektor an. Die von der Bundesregierung geförderten Geschäfte werden nicht mit unabhängigen Firmen, sondern mit eben jenem Regime gemacht, das die Auslöschung Israels vorbereitet.
Diesem Land ist der moralische Kompass abhanden gekommen: Das Land der Holocaust-Täter ist für das Land der Holocaust-Leugner der wirtschaftspolitische Komplize Nr. 1. Man scheint sich hierüber noch nicht einmal zu schämen – sondern fühlt sich wohl dabei! Als im Dezember der israelische Premier Ehud Olmert diese Hermes-Bürgschaften kritisierte, griff kein Politiker und keine Zeitung diese Anklage ernsthaft auf. Olmerts Forderung wurde ignoriert oder ausgelacht. „Israel wirft Deutschland gerne vor, es denke eher ans Geschäft als an die Moral” – mokierte sich beispielsweise die FAZ, so als handele es sich um ein durchtriebenes Spielchen, um einen fiesen jüdischen Trick.
Deutschland setzt sich zwar für das geschlossene Vorgehen der Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat ein, wo der größte Zauderer das Tempo bestimmt. Doch alle Schritte, die darüber hinaus gehen, werden abgeblockt. Berlin tut alles, um die Bemühungen der USA zu torpedieren, die darauf abzielen, das iranische Regime mit wirksamen Sanktionen und Boykotts, mit friedlichen Mitteln also, zur Umkehr zu zwingen.
Wenn aber ein Land den iranischen Kriegstreibern mit dem Mittel des Boykotts in den Arm fallen könnte, dann Deutschland. Nach Auskunft des Geschäftsführers der deutsch-iranischen Handelskammer in Teheran, Michael Tockuss, sind „rund zwei Drittel der iranischen Industrie maßgeblich mit Maschinen und Anlagen deutschen Ursprungs ausgerüstet. Die Iraner sind durchaus auf deutsche Ersatzteile und Zulieferer angewiesen.”
Kann deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, über welch unglaubliche Möglichkeiten die Bundesrepublik – und zwar hauptsächlich sie! – verfügt, um die sich anbahnende Katastrophe abzuwenden?
Die Bundesregierung muss sich entscheiden. Wer sich der Welt als besonders enger Freund von Israel präsentiert und als eine Nation, die die Lehren der Geschichte begriffen hat, kann nicht gleichzeitig der beste westliche Freund eines Regimes sein, das Israel vernichten will.
Die Bundeskanzlerin muss sich entscheiden, ob sie ihrem „Wehret den Anfängen” Taten folgen lassen will, oder ob ihre Worte die internationale Öffentlichkeit täuschen sollten – als eine Kulisse, hinter der das „business as usual” ungestört weitergeht. Der Deutsche Bundestag und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der die Öffentlichkeit mit der Behauptung, Ahmadinejad nehme im Iran „eher die Funktion eines Innenministers wahr” zu täuschen sucht, und der sich dafür einsetzt, dem Iran die Anreicherung von Uran zu gestatten – alle gewählten Abgeordneten dieses Landes müssen sich entscheiden, ob sie ein Zeichen setzen und dem Beispiel des schwedischen Parlaments folgen wollen, das aus Protest gegen die Holocaust-Leugnung alle Beziehungen mit dem iranischen Parlament abgebrochen hat, oder nicht.
Sie müssen sich entscheiden, mit wem sie die sogenannte „strategische Partnerschaft” eingehen wollen. Wollen sie, wie dies der Direktor der „Stiftung Wissenschaft und Politik”, Volker Perthes, empfiehlt diese „strategische Partnerschaft” mit dem Mullah-Regime eingehen, oder meinen sie es ernst mit der Verteidigung von Israels Existenz. Beides gleichzeitig geht nicht.
Und zuletzt die deutschen Medien, die deutsche Friedensbewegung, die deutsche Linke und alles, was dazu gehört. Diese sogenannte „Zivilgesellschaft” sollte sich vor allen Dingen schämen.
Sich schämen darüber, – und ich sage dies als Nicht-Jude – dass man den eliminatorischen Antisemitismus eines Ahmadinejads ignoriert und den Kampf dagegen erneut den Juden überlässt, wie wir heute sehen.
Sich schämen darüber, dass nicht sie es ist, die den deutschen Konzernen und Banken das Iran-Geschäft vermiest, sondern einzig und allein das Finanzministerium der USA.
„Scham ist eine Art Zorn, der in sich gekehrte. Und wenn eine ganze Nation sich wirklich schämte, so wäre sie der Löwe, der sich zum Sprunge in sich zurückzieht”, schrieb ein gewisser Herr Marx vor 160 Jahren. „Ich gebe zu”, fügte er hinzu, „sogar die Scham ist in Deutschland noch nicht vorhanden; im Gegenteil, diese Elenden sind noch Patrioten.”
Liebe Freundinnen und Freunde – lasst uns alles tun, um diese Große Koalition der Komplizenschaft zu sprengen. Heute ist das jüdische Interesse das universelle Interesse. Wem Israels Existenz am Herzen liegt, wer einen neuen gigantischen Krieg vermeiden will, muss heute – in welcher Position und an welchem Schalthebel auch immer – alles, aber wirklich alles tun, um eine rasche und durchgreifende Veränderung der deutschen Iranpolitik zu erzwingen.
Wenn Teheran nicht unverzüglich massiv unter Druck gesetzt und vor die Alternative gestellt wird, entweder seinen Kurs zu ändern oder aber verheerende ökonomische Schäden zu erleiden, bleibt nur die Wahl zwischen einer schlechten Lösung – die militärische Option – oder einer schrecklichen, der iranischen Bombe.
Wenn sich aber Israel – auch wegen der Haltung von Politik und Öffentlichkeit in Deutschland – gezwungen sehen sollte, die Entwicklung der iranischen Bombe gewaltsam zu verzögern, dann hat niemand hierzulande das Recht, dies zu kritisieren.
Solidarität mit Israel. Stoppt Ahmadinejad!
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