Über die gesetzliche Diskriminierung der iranischen Frauen (Teil 4)

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Über die gesetzliche Diskriminierung der iranischen Frauen (Teil 4)

 

 

Kein 8. März in der Islamischen Republik Iran

 

 

Wie Roozonline berichtete, wurden einige der am 4.3.2007 festgenommenen Demonstranten wieder freigelassen. In Haft befinden sich noch die Anwältin Shadi Sadr, Frau Jila Bani Yaqub und Frau Mahbube Abasqolisadeh, die sich in Einzelhaft befinden. Die anderen Demonstranten wurden unter der Bedingung freigelassen, dass sie eine schriftliche Garantie geben, nicht an einer  Demonstration aus Anlass des internationalen Frauentages teilzunehmen. Dabei haben die iranischen Frauen immer wieder in Bezug auf den 8. März betont, dass sie ihre Aktionen für die Gleichberechtigung lediglich mit friedlichen Methoden durchführen würden.

Infolge mehrtägiger Lehrerstreiks wurden am Mittwochabend, dem 7.3.2007, mehr als 20 Lehrer, die an der Organisation der Demonstrationen beteiligt waren, verhaftet und an unbekannte Orte geführt. Dennoch fand am 8. März eine gemeinsame Demonstration der Lehrer und der Frauen vor dem Majless statt.[1]

An einer Protestkundgebung am Baharestan-Platz in Teheran nahmen ca. 300 Menschen teil. Die Kundgebung wurde gewalttätig zerschlagen und eine unbekannte Zahl an Demonstranten wurde verhaftet.[2]

Zwei Organisatoren der Frauenbewegung, Mansure Shojai und Farnaz Seifi wurden zur Polizei zitiert und sind seit heute flüchtig.

In einem Interview berichtet Frau Shirin Ebadi, dass die Anwälte der Frauen vom iranischen Geheimdienst gewarnt worden seien, dass sie mit den Verhafteten „sanfter“ umgehen würden, falls niemand am 8. März demonstrieren würde.

Zudem werden im folgenden einige Äußerungen der bekannten Frauenrechtlerin Frau Mehrangiz Kar und von Frau Haqiqatjoo dokumentiert.

 

 


„Wir Frauen verurteilen jegliche Form der Diskriminierung.“

http://www.advarnews.com/

 

 

http://marchtehranshargh.blogfa.com/

 

 

Shirin Ebadi

 

Frage: Können Sie uns zunächst etwas über die Akten der am letzten Sonntag verhafteten Frauen sagen?

 

Shirin Ebadi: „ Am 12. Juni 2006 führten einige Aktivistinnen der Frauenbewegung eine Protestaktion am 7-Tir Platz in Teheran durch. Damals wurden ungefähr 70 Frauen und auch Herr Mussawi Khoini, Mitglied des sechsten Majless[3] verhaftet. Alle Frauen wurden nach zwei Tagen wieder freigelassen. Sie wurden jedoch gerichtlich noch verfolgt. Herr Mussawi Khoini musste 4 Monate in Haft bleiben. Das Revolutionsgericht begann sehr bald mit den Verhandlungen gegen die frei gelassenen Frauen. Ich war die Verteidigerin einiger dieser Frauen. Das Urteil über zwei meiner Klientinnen, Frau Delaram Ali und Frau Aliyeh Eqdam, wurde kürzlich verschoben, da der Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht anwesend war.“

 

Frage: Anfang dieser Woche sollten auch einige Frauen verurteilt werden. Wen haben Sie verteidigt?

 

Shirin Ebadi: „Zu meinen Klienten gehören Frau Parvin Ardalan und Nushin Ahmadi-Khorassani. Sie sollten am 4.3.2007 verurteilt werden. Einige andere Frauen wurden von den Anwälten, Herr Mohammad Ali Dadkhah und Mohamad Sharid, verteidigt. Frau Shadi Sadr ist die Anwältin von Shahla Entesari. Ich hielt mich zu dem Zeitpunkt in Italien auf, wo ich über die Lage der Frauen im Iran einen Vortrag hielt. Aber meine Mitarbeiterinnen, Frau Nassrin Sotudeh und Leyla Ali-Karimi, die gemeinsam Frau Parvin Ardalan und Nushin Ahmadi-Khorassani verteidigen, waren im Gerichtssaal präsent. Drei Tage vor der Verurteilung der Frauen beschlossen einige Frauen am 4. März eine ruhige Versammlung vor dem Gerichtsgebäude zu veranstalten. An diesem Tag versammelten sich ungefähr 40 Aktivisten der Frauenbewegung vor dem Gebäude des Revolutionsgerichtes. Sie verhielten sich sehr ruhig. Plötzlich wurden sie sehr aggressiv von den Sicherheitsbeamten gewarnt. Alle Demonstranten wurden gemeinsam mit den Frauen, die an diesem Tag vor dem Gericht standen verhaftet. Es waren 33 Personen.“

 

Frage: Was wurde ihnen denn vorgeworfen?

 

Shirin Ebadi: „Man warf ihnen vor gegen die nationale Sicherheit gehandelt zu haben, indem sie an den Demonstrationen vom 12.6.2006 teilgenommen hatten.“

 

Frage: Ist ein solches Urteil im Rahmen der herrschenden Gesetze zu legitimieren?

 

Shirin Ebadi: „Ich akzeptiere nicht diesen Vorwurf. Denn gemäß der Verfassung dürfen nicht bewaffnete und friedliche Versammlungen durchgeführt werden. Ich sage es deutlicher: Die Versammlung wurde doch von der Polizei mit Schlägen und Gewalt zerschlagen als sich erst ganz wenige versammelt hatten und noch nicht mal alle diejenigen, die daran teilnehmen wollten, zusammen gekommen waren. Die Anwälte haben auch diesbezüglich eine Beschwerde gegen die Ordnungskräfte bei Gericht eingereicht. Aber leider hat das Gericht bis heute nicht reagiert. Gleichzeitig sagt das Revolutionsgericht, die Frauen hätten gegen das islamische Gesetz protestiert und ihre Proteste würden sich eigentlich gegen Gesetze richten, die im Islam mündeten, d.h. sie hätten eigentlich den Islam in Frage gestellt. Aber dieser Vorwurf ist nicht richtig.“

 

Frage: Wie begründen Sie Ihr Argument, dass es nicht richtig ist?

 

Shirin Ebadi: „Die Proteste vom 12.6.2006 richteten sich gegen diskriminierende Gesetze, die sich gegen Frauen im Iran richten. Vieler dieser Gesetze werden von muslimischen Geistlichen nicht akzeptiert. Beispielsweise zählt in der islamischen Strafgesetzgebung das Blutgeld für Frauen nur halb so viel wie das Blutgeld der Männer. Außerdem kritisierten die Frauen Gesetze, die die Vormundschaft und das Zeugenrecht betreffen. Gemäß der Fatwas einiger großen muslimischen Gelehrten, insbesondere Ayatollah Sanei, können solche Gesetze gar nicht zu den islamischen Gesetzen gezählt werden. Solche Gesetze sind demzufolge veränderbar. Ich wundere mich sehr, warum eine solche friedliche Versammlung, die lediglich gegen diskriminierende Gesetze protestiert, Reaktionen mit einem solchen Ausmaß hervorruft. Da werden die Teilnehmer einer solchen Versammlung zum Revolutionsgericht bestellt, weil ihnen vorgeworfen wird, etwas gegen die nationale Sicherheit unternommen zu haben. Es geht so weit, dass sogar diejenigen, die gegen ein solches Gerichtsverfahren protestieren, verhaftet werden.“

 

Frage: Manche glauben, dass die Verhaftung der Aktivisten am 4. März 2007 dazu diente Protestaktionen am 8. März zu verhindern.

 

Shirin Eabadi:  „Einige Frauen hatten zuvor in einer Erklärung, die sie vor dem Majless verteilten, zur Teilnahme an einer Versammlung am 8. März aufgerufen. In dieser Erklärung wurden Frauen aufgeordert, an diesem Tag gegen die diskriminierenden Gesetze zu protestieren. Aber am 4. März wurden die weiblichen Anwältinnen vom Geheimdienstministerium unterrichtet, dass sie dafür sorgen müssten, dass keine Versammlungen am 8. März stattfinden. Die Beamten des Geheimdienstministeriums betonten, dass falls auf eine Versammlung am 8. März vor dem Majless verzichtet werde, die verhafteten Personen mit sanfteren Methoden behandelt würden. Daher bin ich auch davon überzeugt, dass die Verhinderung einer Versammlung am 8. März eine der wichtigsten Ursachen für die Verhaftung einiger Frauen am 4. März war.“

 

Frage: Warum reagieren die Beamten des Regimes so empfindlich gegenüber der Frauenbewegung? Warum diese Gruppenverhaftungen?

 

Shirin Eabadi:  „Es entsteht der Eindruck, dass das wichtigste Thema, das manche Staatsbeamten beunruhigt, die Proteste der Frauen sind, die im Rahmen der Kampagne eine „Million Unterschriften“ stattfinden. In dieser Kampagne wurden die iranischen Frauen und Männer aufgefordert, ihre Unterschriften gegen die diskriminierenden Gesetze zu leisten. Diese Aktion war entgegen der Erwartungen sehr erfolgreich. Ich gehe davon aus, dass dieses Thema einige Regierende sehr besorgt hat. Sie konnten sich offenbar nicht vorstellen, dass die Frauen so organisiert gegen die diskriminierenden Gesetze aufstehen könnten. Schließlich zeigen die letzten Reaktionen und die Vorgehensweise der Verantwortlichen, dass das Regime leider kaum und immer weniger Kritik an den herrschenden Gesetzen im Iran ertragen kann.

Jedenfalls ist es nicht richtig, in einer Zeit der ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit des Iran, so hart gegen legale Kritik im Inneren des Iran vorzugehen. Die Regierung sollte doch besser Methoden verfolgen, dass die Bevölkerung mehr ihre Heimat verteidigt. Aber leider führt eine solche Vorgehensweise, die dem Gesetz nicht entspricht, dazu, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst. In der gegenwärtigen Lage schadet eine solche Vorgehensweise dem Land.“[4]

 

Mehrangiz Kar

 

Die bekannte Frauenrechtlerin Frau Mehrangiz Kar, die sich gegenwärtig in den USA aufhält, sagte in einem Interview über die Haltung des iranischen Regimes gegenüber dem internationalen Frauentag, dass die  iranischen Machthaber das Ziel verfolgen „prinzipiell diesen Tag aufzuheben.“ Kar zufolge sollen an diesem Tag „keine organisierten Aktivitäten im Iran stattfinden.“ Sogar die Organisationen, die sich Methoden angeeignet haben, an diesem Tag im Iran dennoch Aktionen durchzuführen, sollen „gelähmt“ werden. Zumal im Iran viele Frauenorganisationen existieren, die jedoch an diesem Tag nicht aktiv werden, da einige dieser Organisationen staatlich und einige konservativ seien.   [5]

 

Fateme Haqiqatjoo

 

Und Frau Fateme Haqiqatjoo, Ex-Mitglied des iranischen Majless, die gegenwärtig in Boston am Massachusetts Institute of Technology forscht, ist der Meinung, dass es besser sei, wenn die muslimischen und die laizistischen Frauen ihre Distanz zueinander verringern würden. Sie sagte gegenüber Roozonline: „Die effektivste Hilfe für die verhafteten Personen ist die Widerspiegelung der Nachrichten in der internationalen Presse.“ Sie ist der Meinung, dass ohne internationalen Druck die Lage noch schlechter sein würde. Sie meint, dass es den unbekannten Gefangenen viel schlechter gehe, als denjenigen, die international bekannt seien. Die Regierung wolle „alle Aktivitäten der Frauen, der Studenten, der Arbeiter, der Lehrer und jegliche Gewerkschaftsbewegung hart unterdrücken.“ Das Ziel der Verhaftungen sei Angst zu erzeugen und Intrigen zwischen den aktiven Frauen zu säen. Daher sei es wichtig, dass die Frauen, auch wenn sie unterschiedliche Denkansätze verfolgen würden, eine gemeinsame Position bei bestimmten Aktivitäten entwickeln. [6]

 

 

 

8.3.2007, Vor dem islamistischen Parlament. Auf dem Plakat steht geschrieben:

„Herr Hadad [Präsident des Majless]: Ist hier das Haus des Volkes oder der Demagogen?“

Siehe: http://www.iranpressnews.com/source/021715.htm

 

 

 

Photos aus Teheran, 4.3.2007:

http://8marchsharif.blogfa.com/

 

 „Studenten, vereinigt euch gegen Diskriminierung.“

 

 

 

 

 
 
 

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