Europa muss sich entscheiden
von Matthias Küntzel
Wir stehen vor einer historischen Weichenstellung. Die iranische Führung forciert entgegen aller Beschlüsse des Sicherheitsrats ihr Atomprogramm. Wird jetzt Europa den bisherigen Schmusekurs mit dem Mullah-Regime fortsetzen oder Kante zeigen? Wird es hinnehmen, dass der heilige Krieg der Mullahs vor den Toren Europas mit Atomwaffen eskaliert? Oder wird es mit Wirtschaftssanktionen dafür sorgen, dass dieses Regime – vor dem Hintergrund einer zunehmend unzufriedenen Bevölkerung – seinen Kurs nicht beibehalten kann?
Wenn überhaupt noch eine Macht in der Lage ist, das Regime in Teheran ohne Militärgewalt zur Umkehr zu nötigen, dann die Europäische Union. Die USA sind dazu außerstande, weil sie mit dem Iran keinen Handel treiben. China , Japan und Russland sind dazu außerstande, weil sie für den Iran entbehrlich sind. Europa aber ist für das Mullah-Regime unentbehrlich: 40 Prozent aller Einfuhren in den Iran stammen aus der EU. 25 Prozent aller iranischen Ausfuhren fließen in die EU. Während sich Japan und China auf den Iran als einen Energieversorger konzentrieren, kommen die für die iranische Wirtschaft lebensnotwendigen Investoren aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande und Frankreich. Deutschland war und ist Handelspartner Nummer 1: Der frühere Präsident der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Teheran, Michael Tockuss, macht darauf aufmerksam, „dass rund zwei Drittel der iranischen Industrie maßgeblich mit Maschinen und Anlagen deutschen Ursprungs ausgerüstet sind. Die Iraner sind durchaus auf deutsche Ersatzteile und Zulieferer angewiesen.“
Durchaus angewiesen: Kann die potentielle Hebelwirkung ökonomischer Sanktionen deutlicher herausgestellt werden? Inzwischen hat eine Studie des iranischen Parlaments das Offenkundige bestätigt: Ohne europäische Ersatzteile und Industrieprodukte ist die iranische Wirtschaft binnen weniger Monate paralysiert. Wenn überhaupt noch eine Macht diesen Hebel rechtzeitig herumlegen kann, dann Deutschland und die EU.
Natürlich hätte Europa den Hebel schon im Jahr 2003 umlegen müssen. In diesem Jahr musste Teheran zugestehen, dass das Land seit über 18 Jahren ein geheim gehaltenes Atomprogramm verfolgt. Atomwaffen in den Händen eines Regimes, dass den weltweiten Terror wie kein zweites fördert? Die Öffentlichkeit war alarmiert. Doch was geschah? Schauen wir uns das Beispiel Deutschland genauer an:
Anstatt den Technologietransfer in den Iran mit bekannt werden der illegalen Atomaktivitäten sofort zurückzuschrauben, wuchs der deutsche Export in den Iran. Anstatt die Hermesbürgschaften der Bundes für das Irangeschäft sofort zu beenden, wurden sie gerade jetzt besonders stark erhöht. Anstatt also den Iran zu einer Änderung seiner Atompolitik zu veranlassen, wurden Irans Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag regelrecht belohnt.
Geradezu euphorisch liest sich, was im Jahresbericht 2004 der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement über diese Hermes-Bürgschaften schreibt: „Die Ausfuhrgewährleistungen der Bundesregierung spielten eine herausragende Rolle für den deutschen Export in den Iran; das Deckungsvolumen auf iranische Beststeller wuchs im Vergleich zum Vorjahr um das knapp 3,5-fache auf rund 2,3 Milliarden EUR. Damit sicherte die Bundesregierung rund 65 % der gesamten deutschen Exporte in das Land ab. Nur knapp hinter China belegt der Iran den zweiten Platz der Länder mit dem höchsten Deckungsvolumen im Jahr 2004.“
Mit dieser Politik fiel Deutschland den Vertretern der iranischen Studenten- und Menschenrechtsgruppen in den Rücken, denn gerade im Iran von einem „Wandel durch Handel“ keine Rede sein. Im Gegenteil.
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