Stellungnahme zu der „alarmistischen Rhetorik“ von Arne Behrensen

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Eine Debatte rund um das Thema „Israelsolidarität in Deutschland“, an der wir alle ermutigen möchten sich produktiv zu beteiligen…

  1. Sacha Stawski/Honestly Concerned e.V. – Stellungnahme zu der „alarmistischen Rhetorik“ von Arne Behrensen 
    In dem Text „Jenseits von alarmistischer Rhetorik: Was tun in Deutschland gegen die iranische Atombombe?!“ von Arne Behrensen sind einige faktische Fehler enthalten, die wir bitten zur Kenntnis zu nehmen.
    Tatsächlich nahmen ca. 2.000 Demonstranten an der Januar-Demonstration – Juden, Christen, Muslime und Atheisten – unter Ihnen u.a. Deutsche, Schweizer, Österreicher, Amerikaner, Staatenlose und Iraner, teil.
    Gleichwohl hat Behrensen recht, nicht den katastrophalen Regensturm von diesem Januar-Tag für die, in Relation zu der vom derzeitigen Iranischen Regime ausgehenden Gefahr, geringe Teilnahme, verantwortlich zu machen. Anstatt jedoch die Arbeit der Organisatoren unsachlich abzutun, hätte Behrensen besser daran getan sich in seinem Kommentar darauf zu konzentrieren, warum er, als erfahrener „Mitbegründer des Berliner Bündnis gegen den internationalen Al Quds-Tag“, trotz frühzeitiger Kontaktaufnahme der Organisatoren, sich nicht als produktiver Ratgeber zu Verfügung gestellt hatte.
    Genauso ist es mehr als unsachlich von „vorwiegend christlich-fundamentalistischen und antideutsch-linksradikalen Bündnispartnern“ zu sprechen, wenn die Demonstration von über
    100 namhaften Organisationen und vielen bekannten Persönlichkeiten, inkl. Repräsentanten der Wichtigsten Iranischen Exilorganisationen unterstützt wurde. Ähnlich unwahr sind die Anspielungen auf die Hintergründe der Veranstalter, von denen keiner den von Behrensen genannten Spektren entstammt oder sich nahe fühlt. Genauso ist es mehr als unwahrscheinlich, daß sich andere Bündnispartner, wie z.B. die 31 Autoren des von Sacha Stawski mitherausgegebenen Buches „Neu-alter Judenhass: Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik“ den genannten Spektren zuordnen lassen, etc.
    Für das Zustandekommen eines breiten Bündnis‘ sind sicherlich viele Faktoren wichtig und es ist unumstritten, daß je breiter ein Bündnis wird, der gemeinsame Nenner immer schwerer zu erkennen ist, doch sollte man als engagierter „Bündnisgründer“ und „Israelfreund“ NIEMALS in eine Situation kommen, in der die Anerkennung Israels in Frage gestellt wird, die Einhaltung der bisherigen Israelisch-Palästinensischen Abkommen und ein Ende des Terrors als Grundprinzipien fallen gelassen werden. Es ist mehr als bedauernswert, daß gerade Behrensen aber zu Letzteren zählt….
    Fazit: Es wäre mehr als wünschenswert, daß es die wenigen wahren Freunde Israels in Deutschland tatsächlich schaffen sich auf Ihre Gemeinsamkeiten zu besinnen – nicht um die „Massen“ zu mobilisieren, aber zumindest um nach Außen hin immer noch als „Gegenstimme“ wahrgenommen zu werden. Wir können unseren „Freunden“ keinen größeren Gefallen tun, als uns gegenseitig öffentlich anzugreifen oder zu diffamieren…
    http://www.honestlyconcerned.info/


    1. THOMAS SCHREIBER – Erwiderung zu der „alarmistischen Rhetorik“ von Arne Behrensen
      Am 9. des Monats Av gedenken die Juden drei Katastrophen. Die Zerstörung ihres ersten und des zweiten Tempels sowie die Vertreibung aus Spanien 1492.
      Was sich im Jahr 70 abspielte, als die Römer Jerusalem mitsamt dem Herodianischen Tempel dem Erdboden gleichmachten und die Juden in alle Welt verstreuten, wird traditionell nicht etwa einer „Gottesstrafe“ oder einer Vorhersehung jenes Jesus von Nazareth zugeschrieben, auf den sich fundamentalistische Christen so gerne berufen, wenn sie aus dem Kontext gerissenen Bibelversen eine welthistorische Dimension beimessen. Bei den Juden wird ein ganz anderer Grund für die dramatische und folgenreiche Niederlage gegen die Römer angegeben: innerer Zwist.
      Die schwarzen Propheten in Israel heute sind so sehr mit sich selber und ihrer Innenpolitik beschäftigt, dass sie die von Arafat verkündete demographische Bombe der „palästinensischen Gebärmutter“, den Schlagabtausch mit den ungeliebten palästinensischen Nachbarn oder sogar die Gefahr einer iranischen Atombombe für weniger gefährlich halten als den Zustand der eigenen Führungsspitze. Nicht die Auswanderung, die „Der Spiegel“ jährlich im Sommerloch zum Anlass nimmt, bald über den letzten Israeli zu berichten, der bitteschön das Licht ausschalten möge, besorgt die Israelis. Es sind vielmehr die Korruptionsaffairen und polizeilichen Untersuchungen gegen: Katzav, Olmert, Olmerts Bürochefin, den Finanzminister, diesen und jenen Abgeordneten, besoffene Minister, Schmiergeld zahlende Abgeordnet(Inn)en, Direktoren der Steuerbehörde, des Beauftragten für Korruption und und und.
      Von Außen gesehen stimmt die Polemik von Arne Behrensen eigentlich nur traurig. In Israel verliert man leicht den Überblick, wer gerade vor irgendwelchen Polizeikommissionen, Untersuchungskommissionen und sonstigen Kommissionen zum Verhör vorgeladen wird. Da tut man sich auch schwer, die Intitiativen für und gegen, die Bündnisse, Verbände und sonstigen Gruppen vs dies oder das in Deutschland zu verfolgen.
      Klar ist nur, dass weder Honestly Concerned noch Hagalil oder das „Berliner Bündnis gegen den internationalen Al-Quds-Tag“ die Fähigkeit haben, mit ihren jeweils „paar hundert Demonstranten“ bis ins Herz der deutschen Gesellschaft vorzudringen. Die großen Parteien nehmen sie kaum wahr und an den Stammtischen dürfte über sie hergezogen werden, weil sie für die Juden sind, für Israel, gegen die Palästinenser, gegen Arbeitsplätze und für hohe Ölpreise (Sanktionen gegen Iran).
      Wir wollen mal ganz, ganz vorsichtig vermuten, dass sich die meisten Deutschen weder für Israel noch für die Palästinenser interessieren. Der in Deutschland grassierende Pazifismus erzeugt jegliche Abscheu gegen Gewalt (außer gegen die eigene Frau und Kinder, gegen die türkischen Nachbarn oder gegen „Neger“). Die Medien präsentieren internationale Gewalt so, dass Israel und Amerika an Allem schuld sind, während man die Gewalt der Palästinenser „versteht“ und die Gewalt in Darfur, im Kosovo, oder in Bagdad entweder nicht wahrnimmt, oder nicht versteht oder Menschen zuschreibt, die halt nicht zu unserem kultivierten hohen Stand gewaltfreier Zivilisation zugeschrieben werden und deshalb von keiner gehobenen Bedeutung sind.
      Behrensen stellt zurecht den Populismus des rechtsgerichteten israelischen Oppositionschefs in Frage (der sich freilich innerisraelisch profilieren will) indem er einen linken Oppositionär zitiert, der sich übrigens genauso profilieren will. Behrensen kennt offensichtlich Israel nicht, wenn er auf populistische Sprüche eines Netanjahu oder Wilan zurückgreift, anstatt erst einmal zu prüfen, was eigentlich der israelische Mainstream oder die amtierende Regierung sagt: Zu dem Thema Iran und Atombombe nämlich aus guten Gründen gar nichts. Das offizielle Israel schweigt, weil längst die Amerikaner und Europäer und die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats und die sunnitisch-arabischen Staaten kapiert haben, dass ihnen genauso ultimative Gefahr droht wie Israel. Wieso sollte das offizielle Israel das Maul aufreißen und die Bemühungen der Anderen stören. Dass unverantwortliche linke wie rechte Lokalpolitiker das nicht kapieren und glauben, mit dummen Sprüchen ein paar Wählerstimmen angeln zu können, ist schlimm genug und keines ernsthaften Kommentars a la Behrensen wert.
      Die von Behrensen attackierten Gruppierungen, der Zentralrat, Honestly, Ili und andere scheinen von außen betrachtet eigentlich alle das gleiche Ziel zu befolgen. Alle haben zurecht (oder auch nicht) Angst vor einer iranischen Atombombe und alle machen sich zurecht (oder auch nicht) Sorgen um die physische Existenz des jüdischen Staates. Von Außen betrachtet reiben sich diese winzigen und (leider) nicht sehr einflussreichen Gruppierungen gegenseitig auf, weil sich ihre Geister an dem richtigen Weg scheiden, wie am wirkungsvollsten gegen Irans atomare Bestrebungen vorgegangen werden sollte.
      Für Behrensen, der sich wohl eher für die anständigen und gemäßigten Menschen im Iran einsetzt, ist es kontraproduktiv, wenn Honestly und Ili die Gefahr für Israel in den Vordergrund stellen. Der Zentralrat scheint eine weitere „Entwertung“ des Holocaust zu befürchten, wenn jemand Ahmadinidschad mit Hitler gleichsetzt, zumal Iran doch im Augenblick seine 23.000 Seelen zählende jüdische Gemeinde hegt und pflegt und die Atombombe noch in drei bis zehn Jahren Entfernung liege. Offenbar, und vielleicht zurecht, glaubt jedes Grüppchen, den richtigen Weg zum Erfolg gepachtet zu haben: Honestly, Ili, der Zentralrat und das Berliner Bündnis.
      Es ist doch klar, dass es bei so vielen „exzentrischen“ Aktivisten unterschiedliche Temperamente und Vorgehensweisen gibt. Wenn Behrensen zum Beispiel überzeugt ist, dass der Ahmadinidschad plötzlich dem Mord an 6 Millionen Juden während des Holocaust glauben schenken wird, sowie Palästinenser und Israelis sich über eine Grenzziehung bei Tulkarem und Kalkilja geeinigt haben und ein paar Israels von Tekoa oder Schiloh nach Maaleh Michmasch oder Beth Schemesch umgezogen sind, möge er damit glücklich werden. Falls Behrensen diese Namen noch nie gehört hat, kann man davon ausgehen, dass auch Herr Ahmadinidschad sie nicht kennt und deshalb auch so schnell nicht seine Weltanschauung auf den Kopf stellen dürfte. Selbst intelligente Europäer mit Universitätsbildung, etwa ein David Irving oder der Anwalt Horst Mahler lassen ihre Ansichten durch keine Fakten stören.
      Im Nahen Osten weiß man sehr wohl, dass es sich hier nicht allein um einen Konflikt zwischen „Zionisten vs unterdrückte Moslems“ handelt. Behrensen redet von einer „Propagandafalle“, wenn sich Juden oder Israelis für den Bestand ihres jüdischen Staates (sprich „Zionismus“) einsetzen, weil das doch nur ein paar iranische Monarchisten und „wenige Einzelpersonen“ akzeptieren könnten.
      Böswillig kann man in Behrensens Polemik hineinlesen, dass doch bitteschön die Juden/Israelis/Zionisten nicht auf ihrem Exitenzrecht bestehen mögen, weil das kontraproduktiv sei. Wie wäre der Vorschlag, Israel und die Juden (mitsamt den Zionisten) abzuschaffen? Dann wäre nämlich Iran der Grund für sein Atomprogramm genommen, die Palästinenser wären auch glücklich und die Welt wäre befreit von jenem Staat, der laut Umfragen „die größte Gefahr für den Weltfrieden“ bedeutet.
      Uns ist klar, dass Behrensen (ohne böswillig zu sein), Honestly, Ili und der Zentralrat letztlich das gleiche Ziel anstreben. Wäre es vielleicht möglich, die gehässigen Polemiken, wenn überhaupt, privat per Email auszutauschen und nicht an die große öffentliche Glocke zu hängen? Jene, die auf Zwist unter den lächerlich kleinen aber sehr intensiven Gruppen gegen ein atomares Iran nur warten und sich schon die Hände reiben, wenn die „Juden“ mal wieder zerstritten sind (Streit unter Nichtjuden ist für die Medien längst nicht so „sexy“ wie Streit innerhalb der jüdischen Gemeinden. Niemand berichtet über die Machtkämpfe unter den Popen in Hintertupfingen, aber jeder Streit zwischen Galinsky, Bubis, Spiegel, Nehama, Brenner, Kramer, Friedmann, Broder oder Knobloch wird sofort deutschlandweit von allen Agenturen und Zeitungen breitgetreten, als wären die Juden in Deutschland eine beachtenswerte Supermacht, gewiss mächtiger als die Bundeskanzlerin Merkel oder die Supermacht Amerika unter George W. Bush). Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Betreiber der genannten Bürgerinitiativen selber Juden sind, Exzentriker, fromme Christen oder gewandelte 68ziger.
      Mein kleiner bescheidener Ratschlag aus dem zerstrittenen Israel, dem katastrophalen Nahen Osten und dem kriegerischen Orient: Streitet Euch nicht und vereinigt Euch doch bitte bei dem gemeinsamen Ziel, auch wenn jeder einen etwas anderen Weg zur Seligkeit einschlägt. Die entsprechenden Verse dazu möge jeder entsprechend seiner Weltanschauung dem alten oder neuen Testament entnehmen, dem kommunistischen Manifest des jüdischen Karl Marx oder der pazifistischen Sprüche des Papstes Ratzinger, der katholischen oder protestantischen Bischöfe.
      Thomas Schreiber ist Journalist und Leser von Honestly Concerned e.V.

       

  2. HAGALIL – Alarmistische Rhetorik: Zur Diskussion um die Israelsolidarität – Von Andrea Livnat
    Nachdem es in der vergangenen Zeit scharfe Diskussionen um Texte gab, die bei haGalil veröffentlicht wurden, möchte ich einige Dinge im Namen der Redaktion klarstellen und anmerken.
    Beide Autoren, Uriel Kashi wie auch Arne Behrensen, haben um Publikation ihrer Texte bei uns gebeten, nicht zuletzt deshalb, da Meinungsvielfalt in anderen Medien ähnlicher Ausrichtung offensichtlich nicht erwünscht ist. haGalil hält in seiner über 10jährigen Arbeit an der Überzeugung fest, dass Pluralismus nicht nur ein lustiges Wort ist, sondern auch dazu beitragen kann, jüdisches Leben besser zu verstehen. Denn, vielleicht für einige noch immer eine Überraschung: Judentum ist pluralistisch, in jeder Hinsicht.
    Wir publizieren daher Meinungen aus allen Spektren des politischen Lebens, genau wie unsere Leser Texte von Chabad und Reformrabbinern finden werden. Gerade in Bezug auf Israel scheint dem Otto-Normalverbraucher nicht immer bewusst zu sein, dass dort eine Demokratie im westlichen Sinne herrscht, in der es sehr viele unterschiedliche Meinungen gibt.….

    1. HAGALIL – Jenseits von alarmistischer Rhetorik: Was tun in Deutschland gegen die iranische Atombombe?! – Von Arne Behrensen
      Benjamin Netanyahu gab im November 2006 die Linie aus: „Es ist 1938 und Iran ist Deutschland!“. Auch in der deutschen Iran-Debatte werden teilweise ähnliche Töne angeschlagen. „Können wir uns diesen Populismus wirklich leisten, wenn wir uns mit der vielleicht wichtigsten Frage für die Sicherheit Israels befassen?“ – diese rhetorische Frage des Meretz-Abgeordnete Avshalom Vilan stellt sich deswegen nicht nur in Israel.
      ….
  3. ULRICH W. SAHM – Mein Kommentar zu der Behrensen-Diskussion:

    1) Es ist nur zu hoffen, dass neben den Amerikanern und den Israelis auch die Europäer und andere direkt betroffene Länder (Türkei, arabische Staaten) sich militärisch, beim Zivilschutz, politisch und sonst wie auf die Möglichkeit eines Krieges mit Iran, eines iranischen Atomschlags usw vorbereiten. Nur wenn man für den schlimmsten Fall (worst case scenario) vorbereitet ist, können solche schlimme Fälle abgewendet werden, oder im schlimmsten Fall, die Folgen gering gehalten werden.

    2) Solange ein Land (Iran) offen mit einem Militärschlag droht (etwa Israel auszulöschen) ist es auf der politischen Ebene sicherlich sinnvoll, ebenfalls mit einem Militärschlag zu drohen, um so einen Krieg zu verhindern. Von vornherein einen Militärschlag auszuschließen, selbst wenn Sanktionen und andere Diplomatie scheitern, ist jedenfalls für ein kriegswilliges Land oder für ein Land, das um jedem Preis die Atombombe will, nicht nur ein Signal der Schwäche, sondern grünes Licht, die Bombe zu bauen und sogar einzusetzen. Einen Militärschlag auszuschließen und sich demonstrativ nicht darauf vorzubereiten, ist wie die Ankündigung: „Wenn alle unsere Bemühungen, die Bombe zu verhindern, scheitern sollten, braucht Ihr lieben Iraner keine Angst haben. Wir wenden Euch kein Haar krümmen, selbst wenn Ihr Israel zerstört, werden wir still sitzen bleiben, weil wir nämlich gegen Krieg sind….“

    3) Ahmadinidschad ist angeblich wegen seiner „verrückten“ Politik intern geschwächt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Iraner von ihrem Präsidenten wenig begeistert sind, weil sie nicht nur die wirtschaftlichen Sanktionen fürchten, sondern eben auch einen Krieg. Sollten die Iraner überzeugt sein, dass Ahmadinidschad ohne Folgen die Welt um seinen kleinen Finger wickeln kann, dem Iran letztlich keine ernsthaften Schäden entstehen, kann Ahmadinidschad nur gestärkt aus diesem (noch) diplomatischen Schlagabtausch mitsamt Holocaustleugnung, Bau einer Atombombe, Kriegsdrohungen gegen Israel usw hervorgehen.

    4) Behrensen schreibt: „Damit aber steigt die Gefahr, dass entweder die USA oder Israel eines Tages tatsächlich glauben könnten, nur noch mit einem Militärschlag eine iranische Atombombe verhindern zu können oder aber die Weltgemeinschaft iranische Atomwaffen hinnehmen muss. Wer Israel vor diesen gefährlichen Optionen bewahren möchte, der sollte bei allem dafür nötigen Druck deutlich für eine Verhandlungslösung im Atomkonflikt eintreten.“

    Das ist einerseits richtig, andererseits unlogisch. Die Frage ist, WANN die USA und Israel glauben könnten, dass nur noch ein Waffengang hilft. Im Augenblick setzen sowohl die USA wie auch Israel allein auf eine diplomatische Lösung! Das ist die offizielle Linie. Die „Planungen“ der Militärs sind bisher nur Pressemeldungen aus „anonymen“ Quellen und teilweise mit völlig abstrusen Details (z.b. dass Israel mit Hubschraubern seine Bodentruppen in den Iran verlegen könnte oder dass die Amerikaner nicht ausreichend Truppen in der Gegend hätten, ohne zu beachten, dass die gesamte israelische Armee über weniger Soldaten verfügt, als die Amerikaner Truppen in der Region haben.)

    Die von Behrensen nicht verstandene oder vielleicht auch unterschlagene Frage lautet: Was passiert, wenn alle diplomatischen Bemühungen und Sanktionen der UNO scheitern, Iran über die Atombombe verfügt mitsamt Trägerrakete und erklärt, nun wolle es Israel auslöschen???? Was dann? Abwarten, bis die A-Bombe auf Tel Aviv fällt?

    Der von Behrensen geforderte „Druck“ auf Israel, sich für eine Verhandlungslösung einzusetzen, ist eine böswillige Unterstellung. Seit wann entscheidet ein Oppositionschef über die Politik eines Staates? Warum zitiert Behrensen nicht eher Kabinettsentscheidungen oder Aussagen des Premierministers?

    5) Behrensen behauptet: „Für das Zustandekommen eines solchen Bündnis ist es unverzichtbar, Differenzen bei der Beurteilung des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzustellen und gemeinsam eine für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung zu vertreten. Alles andere bedient die Propaganda des iranischen Regimes, die erfolgreich auf die weltweite Polarisierung Zionisten vs. unterdrückte Muslime setzt.“

    Das ist ein sehr problematischer Satz. Wer sollte da bitteschön zurückstecken? Sollte Israel vorab mal ganz schnell Land abgeben, die palästinensischen Flüchtlinge aufnehmen usw, nur damit dann der palästinensische Staat gemäß palästinensischen Vorstellungen zustande kommt? Oder meint Behrensen etwa, dass die Palästinenser sich bitteschön mit einem Flickenteppich aus Bantustans zufrieden geben mögen mit Siedlungen mittendrin, während die Flüchtlinge weiterhin im Libanon und sonst wo schmoren? Will Behrensen einen hundertjährigen Konflikt im Handumdrehen mal eben lösen, nur um einer Propagandafalle zu entgehen und die im Augenblick, mindestens seit 1979, ziemlich machtlose iranische Opposition zufrieden zu stellen? Es kann doch nicht sein ernst sein, dass ein Einsatz für Israels physisches Überleben allein von iranischen Monarchisten akzeptiert werden kann und deshalb eine pro-israelische Kampagne unterbunden werden sollte.

    Eine kleine Frage: Behrensen organisiert Demos wegen dem Al Quds Tag. Ja bitteschön, zu welchem Zweck denn? Er schreibt selber: „Seit 2003 macht die kleine Initiative jährlich gegen den von Khomeini 1979 eingeführten und zur Vernichtung Israels aufrufenden Propagandatag mobil“  Wunderbar! Wie kommt er dann zum Schluss, dass auf die Schnelle der Konflikt beendet werden soll, bei dem es letztlich um die Vernichtung Israels geht? Treiben etwa Hamas, Hisbollah, Iran und Andere etwas Anderes, als das, wogegen Behrensen seine Demos in Berlin organisiert? Das ist keine „Propagandafalle“. Leider ist das Thema ziemlich tiefer Ernst, wobei ich hier nicht entscheiden kann oder will, ob die Israelis, die Palästinenser oder andere Beteiligte „recht“ haben mit ihren Forderungen und Standpunkten. Aber Behrensen scheint eine ziemlich klare Meinung zu haben, wenn er von den pro-israelischen Gruppen fordert, „Differenzen bei der Beurteilung des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzustellen“.

    6) Ob allein die Menschen im Iran die „wichtigsten Bündnispartner“ sind, die Gefahren abzuwenden, darf man bezweifeln. Es gibt genügend Beispiele aus der Menschheitsgeschichte, nicht zuletzt der deutschen, sowjetischen, DDR und anderen Geschichten, wo es am Ende nicht die „vernünftigen Oppositionäre“ waren, die es fertig brachten, eine Diktatur von blinden Ideologen, Mullahs oder anderen Fanatikern zu stürzen. Meistens half nur Druck oder Krieg von Außen! Möge Behrensen doch mal Gegenbeispiele für seine optimistische Sicht anbringen.

    7) „Eine ausschließliche Konzentration auf die Atomfrage und die Bedrohung Israels ist kontraproduktiv. „

    Lieber Herr Behrensen.

    Den Israelis ist es vermutlich ziemlich gleichgültig, wie sich im Iran die Renten- und Gesundheitsreform gestaltet, ob A. Autobahnen baut und sogar, ob politische Gegner in iranischen Gefängnissen gefoltert, hingerichtet oder ausgepeitscht werden. Die Juden in Deutschland und anderswo interessieren sich vermutlich kaum für die innenpolitischen Entwicklungen in Simbabwe oder in Liberia.

    Wenn sich aber Juden in aller Welt und besonders in Israel vor allem oder vielleicht sogar allein Gedanken über den physischen Bestand des einzigen jüdischen Staates in der Welt machen, dem als einzigem Staat in der Welt offen durch ein anderes Land die Auslöschung, sprich „Vernichtung“ angedroht wird, dann ist es eine ziemliche Zumutung oder Anmaßung, diesen Menschen zu erklären, dass die Konzentration auf die Atomfrage und die Bedrohung Israels „kontraproduktiv“ sei. Das ist im Augenblick das einzige, was die Israelis oder die Juden in der Welt in Bezug auf Iran interessiert.

    Sie haben da einen Satz von sich gelassen, der ziemlich ungeheuerlich ist, und den ich lieber nicht weiter kommentiere, um nicht ausfällig zu werden.

    Zu Ihrer Information: Ich bin ein Deutscher der Nachkriegsgeneration, aufgewachsen in der Tradition des 20. Juli 1944, in dessen Rahmen mein Onkel und Namensgeber Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld aufgrund eines Freissler-Todesurteils gehängt wurde, seit meiner Kindheit als Diplomatensohn mit Feindseligkeiten gegen Deutsche in London, Paris und Moskau konfrontiert, und gleichzeitig mit dem Holocaust („Vernichtung der Juden“) befasst und seit 30 Jahren deutscher Korrespondent in Israel. Ich schreibe als Deutscher, der seine Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen hat und die jüdischen Belange ziemlich gut kennt.

    Mfg

    Ulrich Sahm, Jerusalem

 

 


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