Iran: Viel Wirbel um 300

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Iran: Viel Wirbel um 300*

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE 
 
 
Die Verfilmung des Comicromans von Frank Miller, 300, sorgt im Iran für Furore. Der Film schildert die Schlacht der Griechen gegen die eindringenden Perser bei den Thermopylen, 480 v. Chr. Er sei antiiranisch, heißt es von offizieller Seite. Nur vereinzelte Stimmen halten dagegen.

Frank Miller, Comicautor und Schriftsteller und Warner Bros der Produzent des Films, orientierten sich bewusst nicht an den historischen Fakten des zweiten Perserkrieges gegen Griechenland [480 v. Christus]. Die Grundlage des Films waren die Phantasieschilderungen des antiken Chronisten Herodot. Dennoch ist die Aufregung groß.

Die in den USA lebende Sängerin, Azam Ali, die bei dem Film mitgewirkt hat, entschuldigte sich sogar bei den Iranern, weil sie glaubt diese möglicherweise verletzt zu haben. In einem offenen Brief schreibt sie, dass sie nicht an diesem Film mitgewirkt hätte, wenn sie nur gewusst hätte, dass einige Iraner sich beleidigt fühlen würden. Der Film sei ein Phantasiefilm und nicht ernst zu nehmen. Muss Azam Ali sich öffentlich für ihre Kooperation mit Hollywood entschuldigen, um nicht Angst um ihr Leben zu haben?

Immerhin wurden Azam Ali und eine iranische Darstellerin des Films, Daron Shahlawi, von einer Nachrichtenagentur, die Präsident Ahmadinedschad nahesteht, heftig angegriffen. Die beiden hätten ihre Heimat verraten und dadurch eine „Welle des Hasses unter Iranern hervorgerufen.“

Hollywood gilt in der offiziellen Propaganda der Islamischen Republik ohnehin als ein Instrument des Weltzionismus, aber der Film 300 sei, so der iranische Minister für Kultur und islamische Führung, Safar Harandi, sogar eine „Schande für Hollywood“ und natürlich „eine offene Beleidigung aller Iraner.“ Die „edlen“ iranischen Künstler würden schon bald eine Antwort auf diesen Film geben, so der Kulturminister. Es soll bereits ein Gegenfilm gedreht worden sein, der nun die „Größe der iranischen Geschichte“ darstellt.

Man wisse im Iran sehr wohl, dass Amerika seine Filmindustrie als ein ideologisches Instrument einsetze, um andere Völker zu beherrschen, meint Arash Fahim, ein Kommentator der Kayhan, eines Sprachrohrs des iranischen Führers. Seiner Ansicht nach ist 300 lediglich als ein „Instrument der kulturellen Invasion“ zu betrachten. Die Griechen würden als „zivilisiert und frei“, die Iraner dagegen als „kulturlose und blutrünstige Wilde“ dargestellt werden.

Die „reformorientierte“ Zeitung Etemad meldete sich ebenfalls zu diesem Thema und schrieb, die Produktionsfirma von 300 habe endlich auf die Kritiken reagiert und zugegeben, dass der Inhalt des Films nichts mit der tatsächlichen Geschichte der Perserkriege zu tun habe. Dies war allerdings ohnehin bekannt und wurde weder vom Regisseur noch von dem Produzenten jemals anders dargestellt.

Die „moderate“ Zeitung Jamejam zitierte aus einem Protestschreiben der iranischen Botschaft in Paris, das dem Film „Rassismus und Militarismus“ asttestiert.

Es gibt regimetreue und regimekritische Webloggs im Iran und im Exil. In einem Weblogg der in Iran erscheinenden Zeitung Mardomyar beschwert sich ein Leser: „Wenn gegen die Prophetenbeleidigungen konsequent vorgegangen werden würde, dann würde niemand mehr wagen, den Iran zu beleidigen.“ Ein anderer Leser argumentiert sogar rassistisch: „Diejenigen, die arisches Blut in den Adern haben und stolz sind, Iraner zu sein und den Weg des großen Xerxes fortsetzen wollen, müssen sich wehren.“

Die Webloggerin Monahita fragt jedoch kritisch: „Ich habe diesen Film nicht gesehen und werde den auch nicht sehen. Aber ich frage diese Herren, deren blaue Ader am Hals bei solchen Problemen sofort anschwellen. […] Warum seid ihr so traurig, dass man uns als Wilde hinstellt? In welchem Staat der Welt ist Steinigung in dessen Strafgesetzgebung festgelegt? In welchem anderen Staat werden Gruppenhinrichtungen auf offener Straße durchgeführt, so dass Schaulustige sich in Reihen aufstellen? Wo noch werden die Menschen in der Öffentlichkeit ausgepeitscht? Wo sind etwa Körperamputationen, Handabhacken und Augenausreißen Staatsgesetz? In welchem anderen Land dürfen religiöse Minderheiten nicht arbeiten und nicht studieren? Warum regen sich die iranischen Männer gar nicht über Zeit- und Vielehe auf? In welchem Land darf der Vater dem eigenen Kind jedes Verbrechen legal antun, ohne dass ihm etwas passiert? In welchem Land wird ein vergewaltigtes 16-jähriges Mädchen auch noch erhängt. In welchem Staat werden die Anwälte von ermordeten Schriftstellern verhaftet, und nicht die Verantwortlichen der Verbrechen? In welchem Land wird ein Student, der im Gefängnis durch Folter umgebracht wird, in einem unbekannten Friedhof begraben, so dass die Eltern noch nicht mal an seinem Grab trauern können? In welchem Land vergewaltigen und ermorden Beamte eine Journalistin in einem Gefängnis? In welchem Land wird ein historisches Verbrechen, der Holocaust, in einer Konferenz verleugnet? Ich könnte noch vieles mehr aufzählen. Aber was bedeutet eigentlich Zivilisation?“

Bezeichnend an dieser Diskussion über den Film 300 ist ein Grundwiderspruch, der die iranische Gesellschaft prägt. Kein Geringerer als der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini wollte noch zu Beginn der Revolution die dynastischen Symbole des Iran vernichten. Sogar das Neujahrsfest, das den Beginn des Frühlings einläutet, und das Schachspiel sollten, da unislamisch, verboten werden. Die panislamistische Ideologie des Khomeinismus steht in einem Widerspruch zum iranischen Nationalismus. In diesen Tagen soll sogar die Grabstätte eben dieses Königs Xerxes, der in 300 als Schwarzer und Homosexueller dargestellt wird, überflutet werden. Die Grabstätte muss einem Staudamm weichen.

Das kulturelle Erbe der iranischen Gesellschaft wird zerstört, aber über einen – wie manche meinen, schlecht gemachten _ Phantasie-Film regt man sich auf.

Die Aufregung über den Film 300 trägt aber weder zur selbstkritischen Diskussion der totalitären staatlichen Propaganda noch zur Erkenntnis der tatsächlich bis heute bestehenden Grausamkeiten in der islamistischen Diktatur bei. Die Frage ist, warum man so unkritisch mit der eigenen staatlichen Hasspropaganda umgeht?

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 


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