Iran: Angst und Schrecken im Gottesstaat

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Iran: Angst und Schrecken im Gottesstaat
 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
26.05.2007 – 06.00 Uhr
 
 
Unter dem ideologischen Motto „der Plan zur Herstellung der sozialen und ethischen Sicherheit“ werden iranische Frauen, die Jugend, Studenten, Lehrer und Arbeiter, Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten massiv geknebelt.

Es geht um die Islamisierung der iranischen Gesellschaft. Die Vorstellungen von Ayatollah Khomeini konnten in den letzten 28 Jahren nicht wirklich durchgesetzt werden. Der gegenwärtige Plan stellt eine Neuauflage der Kulturrevolution von Beginn der 80er Jahre dar.

Allein in Teheran sollen in den letzten Tagen über 200 Frauen, wegen schlechter islamischer Bekleidung aktenkundig geworden sein. Der Teheraner Polizeichef, Ahmad Resa Radan, verteidigte den Plan, der lediglich der Erhöhung der „ethischen Sicherheit der Gesellschaft“ dienen soll. Radan zufolge handelt es sich um ein mehrdimensionales Programm, „wonach auch kulturelle und erzieherische Institutionen der Polizei beistehen sollten.“ Der Polizeichef bestreitet, dass die Polizisten und Bassiji-Einheiten allzu brutal mit den „schlecht“ verschleierten Frauen oder mit jungen Männern, die „unislamische Kleider“ wie T-Shirts tragen, umgehen. Die Polizei gehe hauptsächlich gegen „Drogensüchtige, Prostitution und Gesindel“ vor.

Bei den Bassiji handelt es sich um Einheiten, die dem Revolutionsführer zufolge auch in der Universität organisiert sind. O-Ton Ayatollah Khamenei: „Die Besonderheit dieser spezifischen studentischen Vereinigung ist, dass sie einerseits im universitären Rahmen organisiert sind und andererseits von den Pasdaran, revolutionären Garden, geführt werden.“ Tatsächlich spielen die Bassiji-Einheiten eine wichtige Rolle bei den repressiven Maßnahmen und gelten als eine paramilitärische Sondereinheit des „Führers“.

Es gibt aber auch interne Kritik. Die reformislamistische Zeitung Sharq zitierte ein ungenanntes Mitglied des islamistischen Parlaments, der kritisiert habe, dass die Polizei ohne einen Durchsuchungsbefehl in Privatwohnungen eingedrungen sei und Menschen verhaftet habe. Prompt reagierte Staatsminister Purmohamadi und stellte sich hinter die „polizeilichen Schritte“. Er sei sich sicher, dass die Justiz mit der Durchführung der Maßnahmen einverstanden sei. Auf jeden Fall müsse das staatliche Gesetz durchgesetzt werden, damit die „gesellschaftliche Sicherheit“ gewährleistet bleibe.

Sharq schrieb, dass zwar in den ersten fünf Nächten einige der verhafteten Personen mit gefesselten Händen und manchmal auf Eseln durch die Stadt getrieben wurden. Der stellvertretende Direktor der Teheraner Kommunen, Bayadi, betonte aber, dass der „Plan zur Herstellung der sozialen Sicherheit sich nicht nur gegen die Missachtung der Kleidervorschriften für Frauen beziehe, sondern gegen Unruhestifter und Frevler.“

Der Aufstand der Azaris

Es ist bekannt, dass der Iran ein Vielvölkerstaat ist. Seit Jahrzehnten kämpfen Belutchen, Araber, Kurden und Azaris für ihre Minderheitenrechte. Sie wollen ihre eigenen Sprachen neben der Landessprache benutzen dürfen und sie protestieren gegen wirtschaftliche und politische Diskriminierung. Viele Experten sagen, dass die Bedingung für einen demokratischen Iran die Freiheit der Völker des Irans sei.

Nach den Unruhen in Belutschestan und in der arabischen Provinz Khusestan haben in Asarbaidjan in den letzten Tagen große Demonstrationen stattgefunden, die teilweise blutig endeten. Einige Hundert Menschen sollen verhaftet worden sein. Die Demonstranten sollen Parolen gegen die Islamische Republik gerufen haben. In der Stadt Urumiye, kontrollierte die Armee die Straßen. Die Bazarläden haben zum Teil geschlossen.

Blutig geschlagene Gesichter, wegen sichtbarer Haare

Die brutale Vorgehensweise der iranischen Staatsbeamten gegen die iranischen Frauen machte erneut Schlagzeilen. Am 20. Mai ereigneten sich beispielsweise blutige Szenen am Hafte Tir Platz in Teheran. Weibliche Polizisten wollten zwei Frauen, die angeblich eine nicht ausreichende islamische Kopfbedeckung trugen, mit Gewalt ins Revier bringen. Als sie sich wehrten, wurden sie blutig geschlagen. Aus Protest ließen sie ihre Kopftücher für einen Moment fallen. Die Frauen hatten Glück. Passanten sorgten dafür, dass sie mit einem Privatauto gerettet wurden und nicht wie Hunderte anderer Frauen verhaftet wurden.

Nachdem Großayatollah Sanei sich gegen die aggressive Behandlung von Frauen aussprach und neue Frauengesetze forderte, meldete sich Ex-Präsident Haschemi Rafsanjani, der folgendes sagte: „Gegenwärtig entsprechen manche Gesetze nicht den Notwendigkeiten der Zeit.“

Eine Email aus dem Iran: „Hört uns jemand?

In einer Email an die Redaktion einer iranischen Exil-Nachrichtenagentur schreibt ein Jugendlicher:
„Ich bin Ramin aus dem Iran. In diesen harten und schmerzvollen Tagen wartet das unschuldige iranische Volk auf einen Befreier, der uns aus dieser brennenden Hölle rettet.

Heute ist der 22. Mai. Die Lage ist sehr schlimm. Die jungen Menschen trauen sich nicht aus dem Haus zu gehen, noch nicht einmal wenn sie zur Universität gehen müssen oder wenn sie aus privaten Gründen eigentlich aus dem Haus gehen müssten. Es ist schrecklich, wie die Republik der Scharlatane die Iraner unterdrückt. Wird sonst wo in der Welt die Jugend eines Landes zum Opfer des Wahnsinns einer Regierung?

Muss die Jugend den Knüppel und die Säure, mit der sie besprüht werden, ertragen, um die islamische Gesellschaft zu schützen? Der Unschuldige wird getötet und der Unterdrücker setzt sein süßes Leben fort. Ist es Gerechtigkeit? Ist der Platz für uns, für uns Jugendliche, wirklich das Gefängnis? Hört uns jemand? Oder hört ihr uns und es ist euch einfach egal? Oder haltet ihr eure Ohren zu, damit ihr uns nicht hört? Hilfe….. Hilfe…. Hilfe…. Hilfe…“

Das iranische Regime gerät wegen seines Atomprogramms immer mehr unter Druck von außen, daher steigen die Repressionen nach innen. Die Diktatur will die eigene Gesellschaft mit anachronistischen Gesetzen disziplinieren. Jegliche gesellschaftliche Regung wird daher im Keime erstickt. Auch die Proteste von Exiliranern bleiben Einzelfälle, mit bislang fehlender Wirkung.

 
 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 


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