Iran: Ein Gedenktag der Frauenbewegung

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Iran: Ein Gedenktag der Frauenbewegung*

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
Am 12. Juni 2005 versammelten sich iranische Frauen und Männer vor der Teheraner Universität, um die Einhaltung der Menschenrechte im Iran einzufordern. Diese Versammlung wurde von islamistischen Polizistinnen und Polizisten brutal zerschlagen. Der stille Kampf der Frauen geht jedoch weiter.

Frauenbewegung nach dem Scheitern des Reformislamismus

Vor zwei Jahren ist der 12. Juni in die Geschichte der iranischen Frauenbewegung eingegangen. In den letzten beiden Jahren wurden die Protestveranstaltungen anlässlich der Niederschlagung der friedlichen Demonstration für Menschenrechte gewaltsam im Keime erstickt. In diesem Jahr fanden die Gedenkveranstaltungen zum 12. Juni in privaten Räumen statt.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die reformislamistische Bewegung im Iran gescheitert ist und diese darüber hinaus nicht die Interessen der iranischen Frauenbewegung vertreten konnte, entschieden sich die Frauen, eine unabhängige zivilgesellschaftliche Bewegung zu organisieren, kommentierte Frau Dr. Ladan Borumand in der persischsprachigen Sendung von Voice of America. Sie sagte, dass „die iranischen Frauen sich nach dem Scheitern der Reformbewegung entschieden haben, nicht mehr auf die staatliche Politik zu vertrauen, sondern eine eigenständige gesellschaftliche Bewegung zu organisieren.“ Diese Entscheidung sei schon vor der Wahl Ahmadinejads unter der Präsidentschaft Khatamis getroffen worden. Die Frauen würden der Staatspolitik nichts mehr abgewinnen können und setzten daher nur auf eine demokratische Bewegung von unten. Bahere Hedayat, eine Anruferin, die das iranische Exilradio aus Teheran anrief, erzählte authentisch, dass die Proteste sich fortsetzen würden, aber im Stillen. Sie kritisierte besonders scharf die von Regierungsmitgliedern propagierte Polygamie, die „eine staatliche Förderung von Prostitution“ darstelle.

Erklärung der 700

In einer Erklärung, die von mehr als 700 im Iran lebenden „Verteidiger der Menschenrechte“ unterzeichnet wurde, wird auf die Kampagne „1 Million Unterschriften“ hingewiesen. Mit dieser Kampagne versuchen die iranischen Frauenrechtlerinnen eine breite gesellschaftliche Basis zur „Änderung der diskriminierenden Gesetze“ herzustellen. Im November letzten Jahres kündigten iranische Frauenrechtlerinnen in Teheran öffentlich die Kampagne „1 Million Unterschriften“ an. Es geht um die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern und um die Umsetzung der universellen Menschenrechte.

In der Erklärung erinnern die 700 Unterzeichner an die in den letzten Monaten verhafteten Personen, an Verhöre, an hohe Kautionen, die im Falle der Freilassung von Verhafteten eine große Belastung darstellten. In 121 Fällen seien mehr als rund 1 Million Euro Kaution zur Freilassung von festgehaltenen Frauen verlangt worden. Damit versucht die Diktatur die Bewegung regelrecht finanziell zu ruinieren. Für friedlich demonstrierende Frauen seien bis zu 9 Jahren Haftstrafe ausgesprochen worden. Nach offiziellen Zahlen seien 14.635 Frauen in verschiednen Teilen des Iran verhaftet worden, mehr als 67.000 Frauen seien verwarnt worden. In der Erklärung heißt es: „Die Dimensionen dieser Katastrophe sind sehr groß. Es scheint, als ob die permanente Institutionalisierung von Angst in den Herzen der Frauen das Ziel sei, damit diese sich nicht mehr in der Gesellschaft präsent zeigen. Man will die Frauen zwingen zu Hause zu bleiben.“

In der Erklärung wird betont, dass die jungen Studentinnen sich immer stärker an der Studentenbewegung beteiligen. Es wird kritisiert, dass in diesem Jahr die Studienplätze an den Universitäten „geschlechtsspezifisch rationiert“ worden seien. Das Ziel sei „die Zahl der studierenden Frauen zu verkleinern, damit sie keine höhere Bildung mehr genießen.“ Neben Verhaftungen seien einige Studenten exmatrikuliert worden, meist Frauen. Kritisiert werden nicht nur Belange der Frauen, sondern die Zerschlagung der Lehrer- und Arbeiterproteste, sowie die Ausweisung der Afghanen.

Die schwächsten Glieder der Gesellschaft, Frauen und Kinder, seien diejenigen, die am meisten unter den harten staatlichen Repressionen leiden würden. Gleichzeitig stellen die Autoren der Erklärung einen Zusammenhang mit den Problemen her, die die iranische Regierung in der internationalen Diplomatie hat. Dies würde den Druck auf die Gesellschaft verstärken. Dies sei eine dunkle Seite des Problems. Positiv sei jedoch, dass die aktive Präsenz der Frauen bei den gesellschaftlichen Kämpfen deswegen keineswegs abnehmen würde. Die Frauenbewegung würde in langsamen Schritten stetig weitergehen.

Niemand kann die Bewegung stoppen

Mit Hilfe verschiedener Kampagnen, wie der Kampagne „1 Million Unterschriften“ oder der Kampagne gegen Steinigung, seien zumindest Probleme innerhalb der staatlichen Gesetzgebung, wie das Blutgesetz oder die Strafmündigkeit von Kindern öffentlich thematisiert worden. Die Unterzeichner erklären, dass sie ihren Kampf gegen die Diskriminierung fortsetzen werden. Dabei würden sie mit der Methode „von Angesicht zu Angesicht“ arbeiten und damit die Iraner und Iranerinnen über die diskriminierenden staatlichen Gesetze aufklären, um so die Grundlage für eine sozial aufgeklärte und breite Bewegung zu schaffen. Eine solche Bewegung sei der Beweis dafür, dass die Aktivisten gelernt haben, sich mit viel Geduld für die gerechten Forderungen der iranischen Frauen einzusetzen. Die Unterzeichner warnen die Machthaber davor, dass falls die aggressiven Schritte gegen die Frauenaktivitäten fortgesetzt werden, die gesellschaftlichen Probleme in eine Sackgasse geraten und dadurch unlösbar werden könnten.

Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin, sagte auf einer kleinen privaten Versammlung am letzten Dienstag in Teheran: „Sie haben uns Leid angetan. Sie machten uns aktenkundig. Aber vergessen wir nicht, dass wir nichts umsonst bekommen werden.“ Sie betonte, dass sich inzwischen Frauen unterschiedlichster Couleur aktiv an der Kampagne 1 Million Unterschriften beteiligen würden. Sie sagte weiterhin: „Die Kampagne 1 Million Unterschriften ist heute schon so groß, dass niemand mehr, noch nicht einmal wir selbst, diese Bewegung stoppen können.“

Ohne Islamisten

Im Exil differenziert sich die iranische Frauenbewegung zunehmend. In einer Erklärung gaben Mitglieder eines iranischen Frauennetzwerkes, das sich in Europa und den Vereinigten Staaten neu organisiert hat, nicht nur ihre Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran bekannt. Sie schrieben unter anderem, dass die „Forderungen der iranischen Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung durch keine ethnische, religiöse oder nationale Identität eingeschränkt werden dürfe. Daher werden auch der ‚islamische Feminismus‘ und die ‚islamischen Menschenrechte‘ kein Weg zu Freiheit und Gleichberechtigung sein.“ Gleichzeitig könnten aber Angehörige sehr unterschiedlicher Religionen sowie ungläubige Atheisten die universellen Werte der Menschenrechte, der Freiheit und der Gleichberechtigung der Frauen verteidigen und den Weg ihrer Umsetzung anbahnen.

 

 

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 

 


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