Dokumentation zu der hoch verdienten Verleihung des Ludwig Börne Preises an Henryk M. Broder…

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och verdiente Verleihung des Ludwig Börne Preises an Henryk M. Broder
am 24. Juni 2007 in der Paulskirche in Frankfurt am Main

 


INHALTSANGABE
  1. TEIL 1 – Ansprache des Preisrichters Markwort (FOCUS)   
  2. TEIL 2 – Dankesrede von Henryk M. Broder     
  3. TEIL 3 – Einige Fotos   
  4. TEIL 4 – Einige externe Berichte zum Thema    

TEIL 1 – Ansprache des Preisrichters Markwort (FOCUS)  
 

Börne-Preis 2007

Markwort ehrt Henryk M. Broder

 
Der Journalist und Schriftsteller Henryk M. Broder ist mit dem Börne-Preis 2007 geehrt worden. Die Auszeichnung der Ludwig-Börne-Stiftung ist mit 20 000 Euro dotiert und wird jährlich an deutschsprachige Autoren vergeben, die im Bereich des Essays, der Kritik und der Reportage Hervorragendes geleistet haben. Die Laudatio hielt FOCUS-Chefredakteur Helmut Markwort. Nachfolgend dokumentieren wir die Rede:
 

Börne-Preisträger 2007: Henryk M. Broder
 
Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie unser Preispatron Ludwig Börne sich heute fühlt. Rotiert er wie wild im Grab, wie mir ein entrüsteter Zeitgenosse aus der Gegend von Dinkelsbühl mailt, oder freut er sich, dass eines seiner ungezogenen Geisteskinder seinen Preis bekommt? Sympathisiert er mit der „taz“, in der zu lesen ist, Henryk Broder habe den Preis nicht verdient und die Auszeichnung sei eine „Beleidigung des Humanismus“, oder fragt er mit der FAZ: „Warum ist man nicht schon früher auf Broder gekommen?“

Ich bin fest davon überzeugt, dass Ludwig Börne von Wolke 1832 mit Wohlgefallen auf Henryk M. Broder herabblickt, weil er viele Parallelen, viel Denk- und Schreibverwandtschaft entdeckt. Auch Börne wurde zu Lebzeiten bejubelt und verteufelt. Auf dem Freiheitsfest bei Hambach, wohin er aus Paris gereist war, feierten ihn die Menschen auf den Straßen und in den Wirts­häusern als deutschen Patrioten, huldigten ihm mit Sprechchören „Es lebe Ludwig Börne!“ Er war der erste Journalist, der allein durch die Wirkung seiner Worte berühmt wurde.

Alexis: „Börne ist ein deutscher Ultraliberaler“

Zu seinen Schreibzeiten hat er genauso polarisiert wie heute Henryk Broder. In den „Blättern für literarische Unterhaltung“ schreibt der damalige Bestsellerautor Willibald Alexis: „Börne ist ein deutscher Ultraliberaler. Reicht denn das Wort aus, diesen Inbegriff von knabenhafter Wut, pöbelhafter Ungezogenheit, diesen bodenlosen Revolutionsgeist, diese hohle, ans Alberne streifende Begeisterung für negierende Begriffe auszudrücken?“ Und die „Münchener Politische Zeitung“ tobte mehrere Monate nach dem Triumph von Hambach ganz primitiv: „Wo irgend auf deutschem Boden ein Galgen steht, wird man kein würdigeres Subjekt daran aufzuhängen finden als diesen Herrn Baruch modo Börne.“

Heute haben diese giftigen Texte nur noch den Wert von kuriosen Zwischenrufen. Ludwig Börnes Leistung ist unbestritten, sein lebenslanger Kampf gegen Goethe wird akademisch bewertet, als einziger Nur-Journalist ist er in die Reihen der Klassiker aufge­nommen worden. Seine Pamphlete werden genossen, seine Polemiken werden zitiert. Ist nur ein toter Polemiker ein guter Polemiker? Ulrich von Hutten und Martin Luther, Lessing und Lichtenberg, Schopenhauer und Tucholsky sind Klassiker, anerkannte deutsche Meister in den Kategorien grober Ton und freche Schreibe.

Henryk Broder ist der Nachfahre dieser Klassiker, aber er steckt noch mitten im Getümmel von Freund und Feind. Ihm fliegen noch in aller Öffentlichkeit die Konter ins Gesicht.

Freuen wir uns, dass es ihn gibt, freuen wir uns, dass er Tag für Tag den Mut aufbringt, in klarem verständlichen Deutsch Fakten zu benennen und zu bewerten. Er tut dies – mit einem Begriff von Ludwig Marcuse – „grobianissimo“ und erfüllt damit die Forderung von Ludwig Börne an einen „Zeitschriftsteller“, wie der sich selber definiert hat. Broder schreibt, wie Börne es verlangt. In einem seiner 115 Briefe aus Paris steht das Rezept: „Der Deutsche liebt bescheidenes Rechten, mäßiges Fordern, sanften Tadel, stille Vorwürfe. Darum muss man, um auf sie zu wirken, durch Rede und Schrift anmaßlich streiten, ungebührlich fordern, bitten, tadeln und polternd zurechtweisen. Man muss ihnen alles übertreiben, sie haben eine Elefantenhaut, zarten Kitzel fühlen sie nicht, man muss ihnen eine Stange in die Rippen stoßen.“

Krasse Sprachbilder, überraschende Formulierungen

Seinem Temperament gemäß formuliert er leidenschaftlich und überraschend. Auch mit seinen krassen Sprachbildern erfüllt er eine Forderung des Klassikers Ludwig Börne. Auf den Vorwurf, eine „nicht gebräuchliche Formulierung“ verwandt zu haben, antwortete Börne mit einem Appell, den bis heute viele Phrasen­drescher und Fertigdeutschverwender nicht beherzigen. Er schrieb: „Es soll nicht gebräuchlich seyn.“ Ein Schriftsteller dürfe nichts Gebrauchtes, sondern müsse immer Frisches schreiben. In diesem Sinne schreibt Henryk Broder immer frisch – und oft unfair. Was Jan Philipp Reemtsma über Lessing sagt, gilt selbstverständlich auch für Broder: „Polemik ist per se nicht fair, jedenfalls nicht fair in dem Sinne, wie es ein Kampf wäre, in dem man dem Gegner, wenn ihm aus Ungeschick die Waffe in den Sand fällt, Gelegenheit gibt, sie wieder aufzuheben. Man sticht zu.“

Marcel Reich-Ranicki, der Börne heute nicht nur großartig rezitiert, sondern hier vor zwölf Jahren auch voller Zuneigung und Kennerschaft analysiert hat, rechtfertigt den Attacken-Ton mit der These: „Einseitigkeit und Ungerechtigkeit gehören nun einmal zum Handwerk des Pamphletisten.“ Ich berufe mich darauf ausdrücklich gegenüber Henryk M. Broder. Der bestreitet nämlich, ein Polemiker und Pamphletist zu sein, obwohl er diese Gattung erfrischend wiederbelebt hat. Als wir uns nach der Bekannt­gabe dieser Ehrung für ihn einen Nachmittag zusammen­setzten, wollte er von Polemik und Pamphleten nichts wissen. Er sei einer, der nur höre, lese, staune und aufschreibe, wollte er mir weismachen. Ich halte diese Simplicius-Simplicissimus-Rolle für pure Koketterie und lasse mich nicht davon abbringen, ihn als einen Meister dieser leider wenig gepflegten und bei uns wenig geliebten Kunstformen zu preisen.

Wie weit er die Koketterie treibt, fand ich heraus, als ich mich mit seinem middle initial „M“ beschäftigte. Ich wollte wissen, wie der zu lobende Preisträger Henryk M. Broder komplett heißt. In mehreren Veröffentlichungen fand ich die Erklärung, M stehe für Modest, also – zur Auswahl – der Besonnene, der Bescheidene, der Mäßigende. Alle drei Übersetzungen passen natürlich über­haupt nicht zu einem polemischen Provokateur, der keinem Streit aus dem Weg geht und keine Pointe unterdrücken mag. Die Eltern hatten daneben gelangt, aber vielleicht, so mutmaßte ich, waren sie ja Liebhaber des russischen Komponisten Modest Petrowitsch Mussorgskij und hatten schöne Erinnerungen an die Oper „Boris Godunow“.

Nichts davon ist richtig. Recherchen im ehemaligen Ober­schlesien haben die Wahrheit ans Licht gebracht. Broders Eltern hatten ihren Sohn mit dem zweiten Namen Marcin getauft, das polnische Wort für Martin. Henryk selber hat sich später eigenmächtig in Modest umbenannt, ein Beispiel von extremer Selbstironie. Wir haben es also mit dem ungewöhnlichen Fall eines pseudonymen Zweitvornamens zu tun.

Die Eltern des kleinen Henryk hatten vermutlich auch nie etwas von Modest Mussorgskij gehört.

Nichts sprach für eine Karriere in Deutschland

Sie hatten Ghettos und KZ überlebt und schlugen sich mühsam durchs Leben, als im August 1946 in Kattowitz nach seiner Schwester, die heute unter uns ist, ein Sohn geboren wurde. Henryk war Pole, hörte zu Hause in der Familie nur Polnisch und besuchte die polnische Grundschule. Nichts sprach für eine Karriere in Deutschland, schon gar nicht mithilfe der deutschen Sprache. Weil Henryk in der Schule als Judenkind gemobbt wurde, wollten die Eltern weg aus Polen. Als Henryk elf war, zog die Familie mit ihm zuerst nach Wien und dann bald nach Köln. Dort startete der polnische Junge aus Kattowitz eine beispielhafte Aufholjagd in der Disziplin deutsche Sprache.

Man muss sich das vorstellen: Der Elfjährige konnte nur Polnisch, schwamm aber schon nach wenigen Jahren in der deutschen Sprache wie ein Fisch im Wasser. Die armen Eltern leisteten sich eine Privatlehrerin für den Sohn, und der selber stürzte sich mit Ehrgeiz und Hartnäckigkeit in seine Lektionen. Deutsch war sein Wahlfach. Er konnte gar nicht warten, bis die Lehrerin kam, hörte Radio zur Erweiterung seines Wortschatzes und übte solo mit dem Tonbandgerät, um korrekt zu sprechen und um die andere Silbenbetonung loszuwerden, die er in der polnischen Sprache gelernt hatte.

Chefredakteur einer Kölner Schülerzeitung

Er beschloss, bald besser Deutsch zu können als seine Lehrer. Er hat es wohl geschafft. Bald schrieb er in der Schülerzeitung seines Kölner Gymnasiums, wurde schnell ihr Chefredakteur. Und er las, was er in die Finger bekam. Erst alles von Karl May, dann entdeckte er Kästner, Fallada, Tucholsky und Friedell. Er hatte mehr Zeit als die Mitschüler und nutzte sie zum Lesen. Religion verhalf ihm zu Freistunden und oft auch der Sport. Manchmal konnte er wegen seines Asthmaleidens nicht teilnehmen, und wenn er einmal teilnahm, wählten ihn die Sportfreunde nur ungern in ihre Mannschaft. Nicht, weil er Jude war, sondern weil sie fürchteten, mit dem unsportlichen Kleinen zu verlieren. Henryk tröstete sich im Antiquariat um die Ecke und lernte von van der Velde und Nabokov, was zwischen Männern und Frauen möglich ist.

Zur Freude am Lesen kam die Lust am Schreiben. Im Abitur­zeugnis stand hinter Deutsch die Traumnote 1. An der Uni studierte er Jura – wie der Doktor Ludwig Börne – und Volks­wirtschaft, suchte aber gleichzeitig mit Feuereifer nach einem journalistischen Job. Der WDR gab ihm die erste Chance. Später durfte er für die „St. Pauli Nachrichten“ schreiben und für das Satiremagazin „Pardon“. Bald – mit 23 Jahren – hielt er sein erstes Buch in der Hand. Es hieß: „Wer hat Angst vor Pornografie?“

Inzwischen hat Henryk M. Broder die stattliche Zahl von 22 Büchern veröffentlicht: über die Deutschen, über die Juden, über die Deutschen und die Juden, über Nazis, über Ossis, über Linke, über Antisemiten von rechts und von links, über Terror und Terroristen. Er schrieb über seine Lieblingsländer Amerika, Israel, Island, Holland und natürlich Deutschland.

Wir sehen: Henryk Modest Broder ist fleißig, vielseitig und erfolgreich.

Mit der linken Szene spektakulär gebrochen

In seiner Haltung hat er sich gewandelt. Er fing ziemlich links an, bei der Zeitung der IG-Metall, bei der „Frankfurter Rundschau“ und bei der „Welt der Arbeit“. Er gehörte zum linken Netzwerk. 1981 hat er mit der linken Szene spektakulär gebrochen. Ich glaube nicht, dass für diesen Schritt nur die klassische Entwicklungs­formel gilt „Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch links ist, hat keinen Verstand“. Erstens war Broder noch 35, als er das linke Lager verließ, und zweitens berief er sich auf ein eigenes Motiv. Broder protestierte gegen den „Antisemitismus von links“. In einem offenen Brief in der „Zeit“ warf er den alten Freunden vor: „Ihr bleibt die Kinder eurer Eltern. Euer Jude von heute ist der Staat Israel.“ Broder nennt die wachsende Anti-Israel-Haltung nach dem Jom-Kippur-Krieg und den linken Antizionismus eine subtile Variante des traditionellen Rassismus.

Nach einer wilden Debatte, die viele zum Nachdenken veranlasste, verlässt Broder Deutschland und zieht für zehn Jahre nach Jerusalem. Er lernt dort immerhin, wie er es nennt, „Straßen-Hebräisch“, berichtet regelmäßig für deutsche Blätter und beweist in dem Buch „Die Irren von Zion“, dass er auch gut beobachten und satirisch erzählen kann.

Börne und Broder stehen auf Barrikaden

Das wiedervereinigte Deutschland lockt ihn wieder zurück. Er wird ein Berliner und das mühsame Zusammenwachsen der deutschen Teile sein neues Thema. Mit Sarkasmus und Zorn, mit beißender Ironie und immer mit Wachsamkeit notiert und moniert er, was ihn stört und was uns alle einengen könnte.

Dass die alten Unterdrücker sich wieder nach vorne gedrängt haben, empört sein Gerechtigkeitsgefühl. Broder kann sich jeden Tag aufregen – so wie Börne. Heinrich Heine schrieb über Börne, mit dem ihn ein bitteres Zerwürfnis verband: „Börne steht immer auf einer Barrikade.“ Broder steht auch immer auf einer Barrikade. Und an Gegnern fehlt es ihm nie. Sie beschimpfen ihn, sie bedrohen ihn, sie zeigen ihn an. Broder lässt sie zu Wort kommen. Auf seiner Online-Seite hat er ihnen Platz eingeräumt. „Das meint der Leser“ heißt die Rubrik für seine Feinde. Sie füllen sie mit Beschimpfungen und unflätigen Behauptungen. Auch zu dieser Haltung gibt es eine verblüffende Parallele mit Ludwig Börne. Der sammelte alle Schimpfattacken, die er fand, in einem Wörterbuch, das mit A begann und mit Z endete.

Über online konnte er sie nicht verbreiten. Hätte Ludwig Börne online benutzt, wenn das Netz damals schon existiert hätte? Vieles spricht dafür. Börne hätte sich leichter und häufiger mitteilen können. Er hätte sich das zeitraubende und erfolglose Suchen nach Druckern und Verlegern sparen können. Er hätte die lästige Zensur umgehen können. Weil Zeitungen seine Texte aus Angst gar nicht veröffentlichten, musste er lange auf das Erscheinen seiner Bücher warten. Über Verhandlungen mit der „Hamburger Zeitung“ schreibt Börne, „Sie machte mir die Bedingung, ich müsste mich auf Tatsachen beschränken und dürfte nicht räsonieren.“ Da das Räsonieren ihm das wichtigste Motiv zum Schreiben war, brach Börne die Verhandlungen ab. Mithilfe des Internets hätte er seine von den deutschen Demokraten sehnsüchtig erwarteten Pariser Briefe in schnellerem Rhythmus veröffentlichen können. So schickte er sie erst an seine Frankfurter Muse und Freundin Jeanette Wohl, bis sie dann für ein Buch gesammelt wurden.

Unter solchen Verzögerungen muss Henryk Broder nicht leiden. Er nutzt das Internet mit Leidenschaft und Erfolg. Das Netz ist ein Medium für alle: für Dichter und Intellektuelle, für Verbrecher und Terroristen, für Betrüger und Gauner, für Forscher und Sucher, für Verschwörer und Spinner. Broder hat geschrieben, das Netz könne zur Idiotisierung und Infantilisierung der Mensch­heit beitragen. Die „New York Times“ habe denselben Zugang zur Öffentlichkeit wie eine Kannibalen-Selbsthilfegruppe. Das stimmt, aber auch die Broders und Börnes können ohne Geld und Aufwand Fakten und Gedanken unter die Menschheit bringen.

Blick durch Fernrohr und Lupe

Der große Frankfurter Leitartikler Paul Sethe ist durch das Netz widerlegt. Er hatte geschrieben, die Pressefreiheit sei nur die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung verbreiten zu lassen. Heute kann jedermann online seine Meinung verbreiten, egal, ob arm oder reich, ob Narr oder Genie. Für den Vielschreiber Henryk Broder ist das Netz wie geschaffen. Er hat zwar seit 1995 einen Autoren­vertrag beim „Spiegel“, aber der ist vor allem ökonomisch attraktiv. Das Honorar ist immer auf dem Konto, aber die Texte sind ihm nicht oft genug im Blatt. Dahinter steckt kein Misstrauen gegen Broder, sondern die Menge der Autoren, die in der Schlange steht.

Eine wöchentliche Kolumne im „Spiegel“ hat auch Henryk M. Broder noch nicht geschafft, aber bei „Spiegel online“ kommt er häufiger dran und vor allem auf seiner eigenen Website www.henryk-broder.de. Da bietet er eine eigene Publikation an mit Rubriken wie „Tagebuch“, „Schmock der Woche“, „Fremde Federn“ und Links zu befreundeten Schriftstellern. Auf diesen Seiten lebt Broder seine Schreiblust aus. Er nimmt Stellung zu allem, blickt auf der einen Seite durchs Fernrohr, auf der anderen durch die Lupe. Und – ich will es nicht vergessen – er schreibt auch in der Schweizer „Weltwoche“. Max Frisch, der auch alles beobachtete und in jeder freien Minute niederschrieb, was ihn bewegte, definierte dieses Verhalten als „Grafomanie“.

Grafomaniac mit wachsender Gemeinde

Henryk M. Broder ist ohne Zweifel grafoman, aber er ist ein Grafomaniac mit wachsender Gemeinde. Neuerdings, wenn er auf Lesereise durch Deutschland unterwegs ist, staunt er über viel Publikum. Zwar erscheinen auch immer ein paar Krawalleure, die ihn kurioserweise einen Rassisten nennen, aber vor allem kommen Menschen, die den Mann sehen und hören wollen, der den Bestseller geschrieben hat: „Hurra, wir kapitulieren!“ mit der Unterzeile „Von der Lust am Einknicken“.

Der Essay stand viele Wochen auf den Bestsellerlisten – und das mit Recht. Henryk Broder hat darin ein großes wichtiges Thema aufgegriffen, das uns und unsere Kinder möglicherweise noch lange beschäftigen wird. Er fragt sich und sorgt sich – wie viele andere auch –, ob der fanatische Islamismus unsere Frei­heiten bedrohen und einschränken kann. Leider sprechen viele Indizien dafür, dass der Islamismus der Totalitarismus des 21. Jahrhunderts werden kann. Die Religionsführer und Imame, die den Koran als Gottes Gebot buchstäblich ernst nehmen, wollen missionieren, dem dekadenten Westen seine Verderbtheit austreiben und ihre Gesetze durchsetzen. Es sind Gesetze und Regeln, die uns zurück ins Mittelalter führen. Broder nimmt die Imame ernst.

Weil er davor warnt und beschreibt, was jetzt schon passiert – mitten in Deutschland – , muss er sich einen neuen Kampfbegriff um die Ohren schlagen lassen. Die Vokabel heißt Islamophobie. Wer Ehrenmorde, Zwangsehen und andere religiös motivierte Gewalt anklagt, der wird als islamophob diffamiert. Wer will schon islamophob sein? Das klingt nach Rückständigkeit und Intoleranz, also reagieren viele so, wie es auf Broders Buchumschlag steht: Sie kapitulieren und knicken ein. Sollen doch andere sich das Maul verbrennen.

Broder verbrennt sich das Maul. Gott sei Dank. Lieber ist er islamophob als feige. Den Effekt mit dem Totschlagwort kennen wir schon. Das Totschlagwort zur Beschwichtigung einer anderen Diktatur hieß Antikommunismus. Wer die Zustände in der DDR so beschrieben hat, wie sie tatsächlich waren, der war ein Anti­kommunist. Wer gegen eine Ideologie protestiert hat, die 100 Millionen Menschen das Leben gekostet hat – die Fakten stehen im „Schwarzbuch des Kommunismus“, erster und zweiter Teil – der wurde als antikommunistisch ausgegrenzt aus der Gemein­schaft der anständigen Menschen. Wer die Ver­brechen im Namen des Kommunismus unbestreitbar belegte, dem wurde erklärt, diese Pannen seien nicht systemimmanent gewesen. Das waren allenfalls der schlimme Stalin und sein Stalinismus. Stalin war der Böse, Lenin und die Nachfolger wollten nur das Gute. Wer das nicht anerkannte, war Anti­kommunist. Wer damals schon für die Freiheit kämpfte und es jetzt aus Angst vor einer Religions­diktatur wieder tut, der wechselt möglicherweise ohne Schonzeit vom Antikommunismus in die Islamophobie über. Da muss er tapfer sein.

Wem unsere Freiheitswerte und Grundrechte lieb und teuer sind, der darf nicht kapitulieren vor dem Versuch, sie schleichend aufzuweichen. Auf dem Fest am Hambacher Schloss vor 175 Jahren, wo 30 000 Menschen Ludwig Börne als Heros der Frei­heits­bewegung umjubelten, wurde auch die Gleichbe­rechti­gung der Frauen gefordert. Erst 1958 wurde sie ins Bürgerliche Gesetz­buch aufgenommen.

Streitschrift gegen den islamistischen Terror

Da dürfen wir jetzt, knapp 50 Jahre später, nicht gelassen zusehen, wie diese Rechte wieder eingeschränkt werden. Weil Henryk Broder diese Gefahr sieht, hat er seine Streitschrift gegen den islamistischen Terror verfasst. Weil ihn die Fälle erschrecken, in denen Väter ihre Töchter gegen deren Willen mit fremden Männern verheiraten. Weil es ihn empört, dass jungen Musliminnen aus der Türkei, aus Marokko und aus anderen Ländern im Einflussbereich des Islam bei uns in Deutschland die Chance zu einer guten schulischen und beruflichen Ausbildung verwehrt wird.

Da gilt das große kühle Wort von Ludwig Börne: „Die Freiheit ist gar nichts Positives, sie ist nur etwas Negatives: die Abwesenheit der Unfreiheit.“ Für diese jungen Frauen, Mädchen und Kinder ist die Freiheit abwesend. Das ist bitter in ihren Heimatländern, wo die Religion das Gesetz ist oder zumindest so einflussreich, dass sich viele Familien ihr nicht entziehen können.

Religionen sollten sich tolerieren

Die Abwesenheit von Freiheit droht aber auch uns in Europa, falls sich die aufgeklärten Muslime nicht durchsetzen oder einfach schweigen, wenn ihre fanatischen Glaubensbrüder die Rechtsregeln des Korans bei uns importieren wollen, zumindest in der Version „Scharia light“. Die National­ver­sammlung hat dazu hier in der Paulskirche im Dezember 1848 einen präzisen Beschluss gefasst. In Artikel 15 heißt es: „Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Übung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetz zu bestrafen.“ Die Übernahme dieses Gebots ins Grundgesetz ist dringend zu empfehlen.

Es ist wünschenswert, dass Religionen sich gegenseitig tolerieren, aber einseitige Toleranz ist für uns hochgefährlich. Wir sind gerne großzügig gegenüber Minderheiten, aber was wird, wenn die Minderheiten zu Mehrheiten anwachsen? Man wird uns beschwichtigen, dass die meisten hier lebenden Türken längst integriert und angepasst seien und nach unserer Mentalität leben. Das mag sein, aber die Stillen haben sich in keiner Diktatur gewehrt. Wenn demagogische Fanatiker aktiv wurden, haben sie geschwiegen oder sind mitgelaufen. Sie waren Mitläufer, oft auch Mitschreier.

Broder: „Westen hat Angst vor islamischer Offensive“

Henryk Broder beschreibt in seinem Buch, was passiert ist, nachdem eine dänische Zeitung Karikaturen über den Islam veröffentlicht hatte. „Die Moslems haben bewiesen, wie schnell und effektiv sie Massen mobilisieren können, und der freie Westen, der sonst bei jedem Hakenkreuz auf einer Hauswand „Wehret den Anfängen!“ ruft, hat gezeigt, dass er der islamischen Offensive nichts entgegenzusetzen hat – außer Angst, Feigheit und der Sorge um seine Handelsbilanz.“ Ende des Zitats.

Die Errungenschaften der westlichen Welt waren plötzlich nichts mehr wert. Die Botschafter schwärmten nicht aus, um zu erklären, dass zur Presse– und Meinungsfreiheit der westlichen Demo­kratien auch das Recht zu Karikaturen gehört, egal, ob sie witzig geraten oder simpel, niveauvoll oder geschmacklos. Herdenweise duckten sich Verantwortliche weg, zeigten mit den Fingern sogar auf die dänische Regierung und verlangten mehr Anpassung der Medien an die Empfindlichkeiten des Islam und seiner Gläubigen.

Grass immer politisch korrekt

Als Prototyp der Anpasserei zitiert Henryk Broder den Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der in allen öffentlichen Angelegenheiten immer weiß, was politisch korrekt ist. Günter Grass gab also sein Urteil bekannt, die Millionenproteste der Moslems seien „die fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat“. Günter Grass, der Großmeister der schiefen Äquidistanz, setzte also die „fundamentalistische Tat“ von ein paar mittelmäßigen Zeichnungen gleich mit den Gewaltaktionen am offiziell ausgerufenen „Tag des Zorns“, bei denen die Massen mehrere Botschaften in Brand setzten und christliche Kirchen zerstörten.

Henryk Broder hat die Zivilcourage von Günter Grass in seinem Buch noch an anderer Stelle gewürdigt. Da schlägt der Dichter vor, die Christen mögen doch als freundliche Geste eine Kirche in Lübeck in eine Moschee umwidmen.

Dieser Vorschlag ist natürlich völlig unschädlich und risikolos für alle Beteiligten. Die evangelische Kirche wird sich darüber wenig aufregen, zumal sie in allen Regionen Kirchengebäude besitzt, für die sie mangels Besuch gern einen Käufer mit neuem Ver­wen­dungs­zweck fände. Gegenüber den muslimischen Gläubigen ist der Vorschlag auch nicht besonders mutig oder originell, denn es gibt bereits etwa 2000 Moscheen in Deutschland, allein 80 in Berlin.

Glauben offen praktizieren

Wirklichen Respekt hätte Grass sich erwerben können, so animiert ihn Broder, wenn er vorgeschlagen hätte, beispielsweise in Saudi-Arabien eine Moschee in eine christliche Kirche umzuwidmen. So weit haben wir es noch nicht gebracht, dass Christen in muslimisch ge­steuerten Ländern ihren Glauben so offen praktizieren können, wie es Muslimen bei uns erlaubt ist. Henryk Broder hat für sein Buch „Hurra, wir kapitulieren!“ viele Beispiele dafür gesammelt, wie die Appeasementpolitik in Europa, die Anpassung an gottesstaatliche Forderungen, die Freiheit der westlichen Gesellschaften gefährdet.

Zum Beispiel in den Niederlanden. Ian Buruma hat in seinem Buch „Die Grenzen der Toleranz“ aufgezeigt, wie die Konflikte um Migration, Religion und soziale Benachteiligung dort die Situation verschärfen. Bei gleichbleibender Migrationsrate werden im Jahr 2015 – also in acht Jahren – in Amsterdam mehr Muslime als Christen leben. 1,5 Milliarden Muslime leben auf der Welt, 15 Millionen in der EU. Auch Engländer fragen, was aus ihrer traditionsreichen Demokratie wird, wenn die Zahl der fanatischen Muslime weiter wächst wie bisher. Sie regen sich wohl nicht besonders darüber auf, dass Mohammed kurz davor ist, der beliebteste Babyvorname zu werden. Die „Times“ hat vor zwei Wochen vorgerechnet, dass der Name des Propheten bei gleicher Steigerung zum Jahresende den ersten Platz vor dem urenglischen Jack belegen werde.

Mehr sorgen müssen sich die freiheitsliebenden Engländer wegen einer anderen Statistik. Eine Umfrage hat ergeben, dass sich junge britische Muslime verstärkt dem politischen und radikalen Islam zuwenden. 37 Prozent, also mehr als ein Drittel der jungen Muslime zwischen 16 und 24 Jahren, möchten lieber nach der Scharia leben als nach dem freiheitlichen britischen Rechtssystem. Nur ein Prozent weniger ist der Meinung, dass Muslime, die sich einem anderen Glauben zuwenden, getötet werden sollten. Dreizehn Prozent sind bereit, „gegen den Westen zu kämpfen“. Sie sympathisieren mit Al Kaida, bekennen sich zur Verbreitung von Angst und Terror. Diese jungen Muslime sind die Anhänger von Islampredigern, die folgendermaßen zitiert werden: „Wir müssen die ganze Welt besiedeln und zum Islam bekehren. Die Zukunft gehört der Religion Allahs. Mit eurer Hilfe werden wir es schaffen, mit den Alten und den Jungen.“

Freiheit nicht aufgeben oder kapitulieren

Dass Mohammeds Jünger so denken und so träumen, müssen wir ertragen, aber wir dürfen nicht hinnehmen, dass sie bei uns Erfolg haben. Wie die Pressefreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört die Trennung von Kirche und Staat zu den Grundrechten, die unsere Vorfahren zäh erkämpft haben, Ludwig Börne an der Spitze. Hinter diesen Fortschritt dürfen wir nicht zurück, auch wenn Migrantenfamilien ihr patriarchalisches Weltbild mit unterdrückten Frauen und Töchtern bei uns längst in einer Gegengesellschaft praktizieren.

Henryk Broder kämpft dagegen, dass wir Freiheiten aufgeben und kapitulieren. Neben ihm stände Ludwig Börne auf dieser Barrikade. Ihm wurde ohnehin zu viel regiert, und erst recht hätte er sich vehement gegen eine Religionsdiktatur gewehrt. Broder will wie Börne keinen Gottesstaat, sondern einen Menschenstaat.

Broder: „Die Schrift wörtlich nehmen verursacht Katastrophen“

Broder weiß wie viele andere, warum Millionen Anhänger des Islam nicht aus ihrer Unmündigkeit befreit werden. Zitat: „Der Unterschied liegt darin, dass im Islam keine Säkularisierung stattgefunden hat. Es hat keine Neuinterpretation gegeben, keine Verweltlichung, keine Aufklärung. Es gab dort keinen Mendelssohn, keinen Luther und auch keine bibelkritische Auslegung, die die Schrift nicht wörtlich nimmt. Da, wo die Schrift wörtlich genommen wird, kommt es ja auch bei Juden und Christen zu Katastrophen.“ Ende des Zitats.

Die aktuellste Katastrophe droht aus dem Iran. Der dortige Präsident Ahmadinedschad kündigt die Vernichtung Israels an und arbeitet auch konkret daran. Er finanziert die Hisbollah im Norden Israels und die Hamas im Süden und er propagiert die Ausrottung Israels über die Medien so ungeniert, wie Adolf Hitler in seinem Buch  „Mein Kampf“ angekündigt hat, was er der Menschheit antun wollte. Hitlers Bekenntnis wurde nicht ernst genug genommen. Heute wird Ahmadinedschad ähnlich unterschätzt und verharmlost. Henryk Broder nennt den Völkermordankündiger ohne Wenn und Aber einen Völker­mordan­kündiger und muss sich deswegen vorhalten lassen, er baue einen neuen Buhmann auf, weil Amerika und Israel nicht ohne Feindbild leben könnten. Was für ein erbärmliches Ver­stecken vor der Realität! Wir müssen Henryk Broder dazu beglückwünschen, dass er angesichts solcher absurder Attacken seinen Humor nicht verliert. Er hat nämlich viel Humor, auch wenn der immer grimmiger wird.

Broder: „Mein Schreibstil dient dem Publikum“

Wie Börne ärgert er sich täglich bei der Lektüre und verwandelt seinen Ärger in Spott und Hohn und giftigen Witz. Weil Lachen entlarvt. Börne unterscheidet: „Die Lacher will ich auf meine Seite ziehen; die Lacher, die gutes Herz und gute Fäuste haben, und nicht die feinen Lächler.“ Auch Broder bekennt sich zu saftiger Sprache, zu Deutlichkeit und zu Metaphern, die jeder versteht. „Mein Schreibstil dient dem Publikum. Leute wollen unterhalten werden, weil sie es leid sind, belehrt zu werden.“


Und er hat auch schon ein langfristiges Ziel vor Augen, ein Ziel in hoffentlich weiter Ferne. Er hat einen Vorschlag, was auf seinem Grabstein stehen soll. Die Inschrift soll heißen: „Er hat nicht gelangweilt.“ Bis jetzt, lieber Henryk M. Broder, steht die Zeile. Ich bin sicher, auch in der Zukunft muss niemand sie redigieren. Das garantieren uns Ihr Verstand, Ihr Temperament, Ihre Leidenschaft und Ihre Schärfe.

Mit Polemiken und Pamphleten unter­halten

Den Gebildeten aber unter Ihren Verächtern, die sich weniger unterhalten als provoziert fühlen, unter denen ich durchaus Verehrer Börnes zu erkennen glaube, denen gebe ich zu bedenken: Kann nicht auch ein lebender Polemiker ein guter Polemiker sein?

Dass Sie uns weiterhin mit Polemiken und Pamphleten unter­halten werden, dafür bürgen auch die Vorbilder, an denen Sie sich orientieren: Ihre polemische Ahnengalerie. Ihre Eltern, die den Beginn Ihres Aufstiegs miterleben durften, haben Ihnen das großartige Geschenk einer Sprachlehrerin gemacht, aber anschließend – so habe ich mir ausgemalt – haben Sie sich als Fazit Ihrer Lesesucht unter den großen Spöttern Wahlverwandt­schaften zusammengesucht. Als Großvater sehe ich Gotthold Ephraim Lessing, als Mutter Oriana Fallaci, als Vater Kurt Tucholsky, als Bruder Hanns Dieter Hüsch und als Onkel Erich Kästner.

Der Onkel Kästner hat einen schönen Satz geschrieben: „Der kleine dicke Berliner, der mit der Schreib­maschine eine Katastrophe aufhalten wollte.“ Kästner meinte mit dem kleinen dicken  Berliner, der gegen Katastrophen anschreibt, Ihren Wahlvater, Kurt Tucholsky, aber ich finde, die Charakterisierung passt auch nicht schlecht zu Henryk M. Broder. Ich weiß, ich weiß und lobe Sie ausdrücklich auch dafür, dass Sie gerade vier Kilo abgenommen haben, aber manchmal geht es mir so, wie es Ihnen immer geht: Ich kann eine Pointe nicht unterdrücken. Zum großen Familienbild der Wahlverwandten gehört natürlich über allen der Pate, den wir Ihnen zugedacht und angetragen haben: Ludwig Börne. Aus vielen guten Gründen haben Sie seinen Preis verdient, weshalb ich jetzt in dieser legendären Paulskirche ausrufen kann: „Hurra, wir gratulieren.“

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TEIL 2 – Dankesrede von Henryk M. Broder  


    Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?
    Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein und Grenzen ziehen 
    Von Henryk M. Broder


    Ich danke Ihnen, dass sie heute hergekommen sind, um mit mir zu feiern. Wie Sie sich denken können, ist die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an mich nur ein kleiner Schritt vorwärts für die Menschheit, aber ein großer Schritt für mich in Richtung der Hall of Fame der großen Geister. Ich sage das in aller Unbescheidenheit und im vollen Bewusstsein, dass es zum guten Ton und zum Ritual solcher Feiern gehört, sich verwundert und überrascht zu zeigen, dass es nicht einen anderen erwischt hat, einen, der es viel mehr verdient hätte.

    Sogar Kardinal Ratzinger hatte vor seiner Wahl zum Papst den Allmächtigen angefleht, er möge den Kelch an ihm vorbeigehen lassen. Nein, ich finde, Helmut Markwort hat die richtige Wahl getroffen.

    Je länger ich darüber nachdachte, worüber ich heute reden sollte, umso klarer wurde mir, dass es umso besser wäre, je weniger ich sagen würde. Ich könnte, wie vor kurzem beim Münchener Amtsgericht, vor sie hintreten, ein paar Angaben zur Person machen, ansonsten die Aussage verweigern und den Rest meinen Anwälten überlassen, die heute hergekommen sind, um mich vor Dummheiten zu bewahren.

    Grüß Gott, Herr Gelbart; schön, dass Sie da sind, Herr Hegemann. Aber das wäre langweilig, und Dummheiten zu begehen macht viel mehr Spaß, als Dummheiten aus dem Weg zu gehen. Und deswegen möchte ich doch die Gelegenheit nutzen und etwas sagen, auch auf die Gefahr hin, mir eine Blöße zu geben und unsouverän zu erscheinen.

    Ich werde in zwei Monaten einundsechzig. Ich kam vor fünfzig Jahren mit meinen Eltern nach Deutschland, ich schreibe seit vierzig Jahren. Ich bin ein Bundesbürger mit Migrationshintergrund, ein Beutedeutscher. Meine Eltern haben den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust überlebt; als ich 1990 nach Berlin kam, war die Mauer schon gefallen, die Glienicker Brücke frei begehbar und der Potsdamer Platz noch eine Brache.

    Ich weiß, ich bin ein Glückskind. Ich habe noch jeden Charterflug überlebt, letztes Jahr einen Bestseller geschrieben und eine Tochter, die soeben das Abitur gemacht hat – mit einer Note, die mich an meiner Vaterschaft zweifeln lässt.

    Und doch verspüre ich immer öfter ein leises Unbehagen, sobald ich mein Arbeitszimmer verlasse und mich in die Welt begebe, und sei es nur zum Zeitunglesen ins Café Einstein. Es ist kein Katzenjammer, der aus dem Überfluss resultiert, kein Weltschmerz, der sich sich selbst genügt, es ist das Gefühl: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?

    Von Oskar Panizza stammt der Satz: Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft. Und diese Art von irrer Vernunft scheint allgegenwärtig. Wie finden Sie es, dass der Umweltminister Siegmar Gabriel demonstrativ Bahn fährt – nur um seinen Fahrer samt Dienstwagen zum Einsatzort nachreisen zu lassen? So kreuzen der Minister und sein Dienstwagen kreuz und quer durch die Republik, jeder für sich und doch vereint in dem Bemühen, die Umwelt zu schonen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Und keiner lacht.

    Ist es nicht seltsam, mit welcher Heftigkeit das Für und Wider der neuen Frisur von Ursula von der Leyen debattiert wurde? Und wenn man die Diskussionen um die Nachfolge von Sabine Christiansen und Anne Will verfolgte, musste man zu dem Schluss kommen, dass es nicht um die Besetzung zweier Fernsehsendungen, sondern eine Neuregelung der Erbfolge im Hause Habsburg ging.

    Ich versuche zu verstehen, warum eine Raketenabfanganlage, die von den Amerikanern in Tschechien gebaut werden soll, den Menschen Angst macht und die Politiker von einer Wiederbelebung des Kalten Krieges phantasieren lässt, während die Tatsache, dass Iran sich zur Atommacht erklärt hat, so gelassen wie ein unvermeidliches Naturereignis hingenommen wird. Es gab keinen Aufschrei der Empörung, als der Direktor des Hamburger Orient-Instituts vor kurzem erklärte, falls Iran wirklich nach Atomwaffen strebe, dann nur deshalb, um mit dem Westen auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können. Teheran gehe es darum, endlich respektiert zu werden.

    Europa müsse keine Angst haben, sagte der bekannte Nahost-Experte, Europa wäre „sicher das letzte Ziel, das Iran einfallen würde, falls es wirklich aggressive Absichten verfolgen sollte“. Eine Atommacht Iran wäre nur „für seine Nachbarn“ ein Problem, „für eine säkulare Türkei und natürlich für Israel“, aber Europa, das gute alte Europa, müsse sich „von Iran in keiner Weise bedroht fühlen“.

    Vermutlich geht der Mann davon aus, im Falle eines iranischen Atomangriffs auf die Türkei oder auf Israel würde sein Orient-Institut vom atomaren Fallout verschont bleiben, weil er immer so nett und respektvoll über die Mullahs und deren Politik gesprochen hat. Diese Art von Entgegenkommen scheint effektiver und preiswerter zu sein als jeder Raketenschutzschild. Alternativ dazu könnte man auch den Experten selbst als Abwehrwaffe aufbauen, auf einem freien Feld irgendwo in der Lüneburger Heide oder in der Mark Brandenburg, wo er sich dann mit weit ausgebreiteten Armen den anfliegenden iranischen Raketen entgegenstellen und rufen würde: „Verschont uns! Wir sind die Guten!“

    Das sind die Momente, in denen ich mich wirklich frage: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen? Und wenn es dann auch noch heißt, das Existenzrecht Israels sei nicht verhandelbar, es stehe nicht zur Disposition, höre ich aus solchen Zusicherungen das Gegenteil heraus.

    Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Nachbar Ihnen jeden Tag versichern würde, er habe nicht vor, Sie umzubringen, Ihre Frau zu vergewaltigen und hinterher Ihr Haus abzufackeln? Die meisten von Ihnen würden das Problem vermutlich ignorieren, einige besonders Mutige würden den Nachbarn zu einem therapeutischen Gespräch einladen, sich von seiner schweren Kindheit berichten lassen und ihn davon zu überzeugen versuchen, dass man mit Gewalt keine Probleme lösen könne.

    Und genau das ist es, was derzeit in Europa passiert. Alle wissen, es gibt ein Problem. Keiner weiß, wie man es lösen könnte. Also wird es entweder ignoriert, oder man sucht nach einem therapeutischen Ansatz, um wenigstens etwas Zeit zu gewinnen. Der Mann in Teheran, der sich eine „World without Zionism“ wünscht, der den letzten Holocaust leugnet und den nächsten plant, der sei doch nur ein Angeber und Wichtigtuer, ein Verbalradikaler, der sich mit markigen Sprüchen gegen seine Konkurrenten daheim zu profilieren versuche. Er meine es nicht so, und falls er doch an einer Atombombe baue, werde diese frühestens in drei bis fünf Jahren fertig sein. Kein Grund also, beunruhigt zu sein, zumal im schlimmsten aller Fälle es nur die säkulare Türkei und „natürlich Israel“ erwischen würde.

    Ich hatte es mir vorgenommen, heute ausnahmsweise nichts zur Appeasement-Politik der Europäer gegenüber dem neuen Totalitarismus zu sagen, der die Tradition des Faschismus und Kommunismus aufnimmt, um sie diplomatisch und technologisch weiterzuentwickeln. Ich mag mich nicht wiederholen. Freilich: Wir haben es immer wieder mit derselben Situation zu tun: Dem Tatendrang der einen Seite, die sich als der bewaffnete Arm Gottes versteht, steht das hilflose „Nie wieder!“- und „Wehret den Anfängen!“-Gestammel der anderen Seite gegenüber, die nicht gemerkt hat oder nicht merken will, dass die Anfänge schon lange vorbei sind. Das Engagierteste, das man von ihr erwarten kann, ist das alljährliche Gedenken an die Befreiung von Auschwitz, denn nicht nur in Deutschland, in ganz Europa wird der Kampf gegen die Nazis umso heftiger geführt, je länger das Dritte Reich tot ist.

    Wenn sich aber ein deutscher Angler in Grenzgewässern versegelt und anschließend zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt wird oder fünfzehn britische Soldaten festgenommen und der Welt als Spione vorgeführt werden, dann macht sich Ratlosigkeit breit; man möchte den Dialog mit dem despotischen Regime nicht gefährden und auf keinen Fall mit Sanktionen drohen, denn das würde die Lage nur verschlimmern.

    Einer der britischen Soldaten brachte die Situation nach seiner Freilassung und Heimkehr auf den Punkt. Er sagte: Fighting was no option. Wozu wird dann einer Soldat, wenn Kämpfen keine Option ist? „Fighting is no option“ wäre ein schönes Motto für die europäische Verfassung, man sollte den Satz auch auf alle Euroscheine drucken.

    Aber ich will heute nicht granteln und nicht zürnen, mich nicht über den Verfall der Werte und die Volksmusikabende im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufregen. Ich will mich am liebsten überhaupt nicht mehr aufregen. Ich finde die vielen hauptamtlichen Aufreger nur noch lächerlich. Sie sitzen bei Christiansen, bei Illner oder im Presseclub und geben Sätze von sich, die sich so anhören wie ein rostiges Gartentor, das man vor zehn Jahren zuletzt geölt hat. Vor die Wahl zwischen Depression und Aggression gestellt, habe ich mich immer für die Aggression entschieden. Das erschien mir bekömmlicher. Inzwischen freilich suche ich nach einem dritten Weg, nicht weil ich weiser, sondern weil ich müder geworden bin. Irgendwann fiel mir auf, dass mein Blick öfter von Anzeigen für Seniorenresidenzen und den Treppenlift von Lifta als von der Werbung für Dessous von Victoria’s Secret angezogen wird. Ich bin darüber so erschrocken, dass ich mich inzwischen dazu zwinge, Berichte über das Liebesleben der Jungs von Tokio Hotel zu lesen, um den Anschluss an die Moderne nicht zu verlieren.

    Aber diese Strategie der Ablenkung kostet Kraft, und sie funktioniert nur bedingt. Denn allen guten Vorsätzen zum Trotz rege ich mich immer noch auf, öfter und heftiger, als ich es möchte. Um am Ende immer wieder bei der Frage zu landen: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen? Ist es wirklich wahr, oder habe ich es mir nur eingebildet, dass der Intendant eines Berliner Theaters über die Killer, die unter dem Markenlogo RAF anderer Menschen Blut vergossen haben, sagt, sie seien „keine gewöhnlichen Mörder“ gewesen, „die töteten, um sich zu bereichern“, sondern fehlgeleitete Idealisten ohne materielle Interessen, die „etwas gegen die Ermordung von Hunderttausenden von Kindern und Frauen“ in Vietnam unternehmen wollten?

    Abgesehen davon, dass auf dem Höhepunkt der RAF-Aktionen der Vietnamkrieg schon vorbei war, müsste nach einem solchen Satz die Erde beben – so lange, bis der Intendant vom eigenen Orchestergraben verschluckt wird.

    Kann es wirklich sein, dass der rechtskräftig verurteilte Mörder eines elfjährigen Kindes mit einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Erfolg hat, weil seine Menschenrechte durch die Androhung körperlicher Schmerzen beim polizeilichen Verhör verletzt wurden? Er habe, berichtete der Anwalt der Mörders, „ergriffen und tief berührt“ auf die gute Nachricht aus Straßburg reagiert, dass der Gerichtshof seine Beschwerde zur Entscheidung angenommen habe. Und wenn das Verfahren aufgerollt wird, stehen die Chancen nicht schlecht, dass es mit einem Freispruch beendet wird, weil die Regeln eines fairen Verfahrens verletzt wurden.

    Ich weiß, auch ein Mörder hat einen Anspruch auf einen Prozess nach den Regeln der Strafprozessordnung, aber ein elfjähriges Kind, dessen Recht auf Leben missachtet wurde, hat einen Anspruch darauf, dass der Mörder nicht zum Opfer seiner eigenen Tat stilisiert wird. Theoretisch sind das alles Selbstverständlichkeiten, über die man eigentlich nicht reden müsste.

    Dass es praktisch keine Selbstverständlichkeiten sind, hat damit zu tun, dass der gesunde Menschenverstand außer Kraft gesetzt und durch drei Untugenden ersetzt wurde: Äquidistanz, Relativismus und Toleranz.

    Ja, sie haben sich nicht verhört: ich sagte Toleranz. Toleranz war das Gebot der Zeit, als Lessing seinen Nathan in eine Welt setzte, die vertikal organisiert war. Die einen waren oben und die anderen waren unten, und dazwischen war wenig. Aber in horizontal organisierten Gesellschaften, in denen es kein Oben und kein Unten, sondern ein breites Spektrum an homogenisierten Angeboten gibt, unter denen man wählen kann, in horizontal organisierten Gesellschaften kommt das Toleranzgebot nicht den schwachen, sondern den Rücksichtslosen zugute. Sie sind es, die mit der Toleranzkeule um sich schlagen und Rechte einfordern, die sie anderen verweigern.

    Wir werden täglich aufgerufen, für alle möglichen Fundamentalismen und Fanatismen Verständnis zu haben und Toleranz zu praktizieren, Vorleistungen zu erbringen, ohne Gegenleistungen zu erwarten. Ein deutscher Nobelpreisträger hat den Vorschlag gemacht, eine Kirche in eine Moschee umzuwidmen, als GoodwillGeste den Muslimen gegenüber. Bis jetzt warten wir vergeblich auf den Vorschlag eines islamischen Intellektuellen, eine Moschee in eine Kirche umzuwandeln, denn so eine Idee, öffentlich geäußert, könnte ihn sein Leben kosten. So wie es einen afghanischen Muslim fast das Leben kostete, als er zum Christentum konvertierte. Er entging der Todesstrafe nur dadurch, dass er für verrückt erklärt wurde, nachdem sich Politiker von Angela Merkel bis Kofi Annan seiner angenommen hatten.

    Toleranz steht auf dem Paravent, hinter dem sich Bequemlichkeit, Faulheit und Feigheit verstecken. Toleranz ist die preiswerte Alternative zum aufrechten Gang, der zwar gepredigt, aber nicht praktiziert wird.

    Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein, der muss Grenzen ziehen und darauf bestehen, dass sie nicht überschritten werden. Der darf „Ehrenmorde“ und andere Kleinigkeiten nicht mit dem „kulturellen Hintergrund“ der Täter verklären und den Tugendterror religiöser Fanatiker, die Sechzehnjährige wegen unkeuschen Lebenswandels hängen, nicht zur Privatangelegenheit einer anderen Rechtskultur degradieren, die man respektieren müsse, weil es inzwischen als unfein gilt, die Tatsache anzusprechen, dass nicht alle Kulturen gleich und gleichwertig sind.

    Wer sich zur selektiven Intoleranz bekennt, der wird auch darauf achten, nicht in die Falle der Äquidistanz und des Relativismus zu tappen. Inzwischen kann man auf jeder Tupperware-Party Punkte sammeln, wenn man nur erklärt, George Bush und Usama Bin Ladin seien aus demselben Holz geschnitzt, die Zahl der Menschen, die bei Terroranschlägen ums Leben kommen, sei viel kleiner als die Zahl der Verkehrstoten, und die christlichen Kreuzfahrer hätten viel mehr Blut vergossen als die islamischen Terroristen heute. So kann man sich aus der Wirklichkeit schleichen, aber man entkommt ihr nicht. Ich wäre nicht überrascht, wenn demnächst eine Kannibalen-Selbsthilfegruppe ihre Anerkennung als Alternative zur vegetarischen Lebensweise fordern würde, zeichnen sich doch beide durch eine gewisse Einseitigkeit aus.

    Vor kurzem hat ein Berliner Verwaltungsgericht zugunsten einer politischen Gruppe entschieden, die zu einer Anti-Kriegs-Demonstration aufgerufen hatte. Der Berliner Polizeipräsident hatte den Veranstaltern untersagt, bei der Demo Fahnen und andere Symbole der Hizbullah zu führen. Die Demonstranten aber fühlten sich eines Grundrechts beraubt und riefen das Gericht an. Das entschied, die Hizbullah sei Partei in einem bewaffneten Konflikt, bei dem man sowohl die eine wie die andere Seite unterstützen könne. Und so werden die Kinder und Enkel der Judenmörder von gestern demnächst unter der Fahne der Judenmörder von morgen für eine gerechte Endlösung der Nahost-Frage demonstrieren.

    Womit ich wieder bei der Mutter aller Fragen wäre: Bin ich verrückt, weil ich so etwas absurd und obszön finde, oder sind es die anderen, die nichts dabei finden? Habe ich ein Wahrnehmungsproblem oder der Präsident des Frankfurter Landgerichts, der mich wegen Beleidigung angezeigt hat, weil ich mir erlaubt habe, darauf hinzuweisen, die Richter der Bundesrepublik seien „die Erben der Firma Freisler“? Offenbar habe ich etwas übersehen. Die Bundesbahn ist die Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, die Bundeswehr ist die Rechtsnachfolgerin der Reichswehr und der Wehrmacht, die ganze Republik trägt schwer am Erbe des Dritten Reiches. Nur die Wiege der bundesdeutschen Justiz stand ganz allein in einer Suppenküche der Heilsarmee, wo sonst.

    Ich bin mir durchaus der Absurdität des Augenblicks bewusst. Ich bekomme einen Preis, der nach einem Juden benannt ist, der an Deutschland gelitten hat. An Deutschland zu leiden scheint überhaupt eine sehr jüdische Tugend zu sein: von Börne und Heine über Jakob Wassermann zu Wolf Biermann und Marcel Reich-Ranicki. Ich möchte mich dieser Tradition gerne verweigern. Wenn ich schon leiden muss, dann nicht an Deutschland, sondern an meiner eigenen Unvollkommenheit. Ich weiß, welche Rolle ich spiele: die des jüdischen Pausenclowns, der in einer großen Manege seine kleinen Kunststücke vorführen darf. Ich will gar nicht bestreiten, dass es mir Spaß macht und dass ich es gerne mache, meine Clownereien sind ein Beweis dafür, wie liberal die Gesellschaft geworden ist, die sogar meine Grenzverletzungen goutiert, solange sie dabei unterhalten wird.

    Ich habe mich in einer Nische eingerichtet, aus der ich manchmal zu entkommen versuche: nach Island, nach Kalifornien, weit weg von deutschem Größenwahn, jüdischer Wehleidigkeit und multikulturellen Missverständnissen. Und dann zieht es mich doch zurück in die Arena der Eitelkeiten, zu den anderen Pausenclowns, die mit dem Finger aufeinander zeigen und sich gegenseitig vorwerfen, Profiteure der repressiven Toleranz zu sein.

    Die Frage, ob ich verrückt bin oder die anderen, werden wir heute nicht klären können, sie muss offen bleiben, vorläufig. Ich weiß nur, dass ich nicht der Einzige bin, der sie sich stellt. Jemand, dem ich viel verdanke, bei dem ich viel gelernt und einiges geklaut habe, hat sie sich immer wieder gestellt: der Geschichtenerzähler und Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, das Schwarze Schaf vom Niederrhein. Hüsch war, ohne selbst den Anspruch zu erheben, ein Philosoph oder, wie man auf Jiddisch sagen würde: a Mensch. Er hat von der „Solidarität der Einzelidioten“ gesprochen und viele wunderbare Texte geschrieben, darunter einen, der in meinem Kopf rumort, seit ich ihn das erste Mal gehört habe. Erlauben Sie mir, als Verbeugung vor einem großen Meister der Sprache Ihnen diesen Text vorzulesen:

    Ich sing für die Verrückten
    Die seitlich Umgeknickten
    Die eines Tags nach vorne fallen
    Und unbemerkt von allen
    An ihrem Tisch in Küchen sitzen
    Und keiner Weltanschauung nützen
    Die tagelang durch Städte streifen
    Und die Geschichte nicht begreifen
    Die sich vom Kirchturm stürzen
    Die Welt noch mit Gelächter würzen
    Und für den Tod beizeiten
    Sich selbst die Glocken läuten
    Die mit den Zügen sich beeilen
    Um nirgendwo zu lang zu weilen
    Die jeden Abschied aus der Nähe
    kennen
    Weil sie das Leben Abschied nennen
    Die auf den Schiffen sich verdingen
    Und mit den Kindern Lieder singen
    Die suchen und die niemals finden
    Und nachts vom Erdboden verschwinden
    Die Wärter stehen schon bereit mit
    Jacken
    Um werkgerecht die Irrenden zu
    packen
    Die freundlich auf den Dächern
    springen
    Für diese Leute will ich singen
    Die in den großen Wüsten sterben
    Den Schädel längst schon voller
    Scherben
    Der Sand verwischt bald alle Spuren
    Das Nichts läuft schon auf vollen Touren
    Die sich durchs rohe Dickicht schieben
    Vom Wahnsinn wund und krank
    gerieben
    Die durch den Urwald aller Seelen
    blicken
    Den ganzen Schwindel auf dem
    Rücken
    Ich sing für die Verrückten
    Die seitlich Umgeknickten
    Die eines Tags nach vorne fallen
    Und unbemerkt von allen
    Sich aus der Schöpfung schleichen
    Weil Trost und Kraft nicht reichen
    Und einfach die Geschichte überspringen
    Für diese Leute will ich singen.

    Hanns Dieter, ich danke dir. Und ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.


        

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    TEIL 3 – Einige Fotos 

    1. EINIGE FOTOS VON HEUTE….


      1. (Weniger als) eine Handvoll „Aktivisten“ vor der Paulskirche, die zum einen „netten“ Text von dem notorischen Shraga Elam verteilten, und zum anderen ein hetzerisches Flugblatt (unterzeichnet u.a. von Evely Hecht-Galinski), in dem nicht nur Henryk Broder, sondern u.a. auch Honestly Concerned diffamiert wurde:

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      2. Das Geschehen in der Paulskirche:

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      3. Der alte bekannte Unruhestifter Reuven Moskovits wurde lobenswerterweise von OB Petra Roth persönlich zur Ordnung gerufen (nachdem sich weder Ordner noch Protokollführer verantwortlich zu fühlen schienen). Nach mehrfacher Störung setze sich Frau Roth sogar neben den Störenfried:

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      4. Nach der Preisverleihung:

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    TEIL 4 – Externe Links zum Thema  


    1. Kölner Stadt-Anzeiger – Jüdischer Pausenclown in der Manege
      Gleich wird der Journalist Henryk M. Broder hier den Ludwig-Börne-Preis erhalten, für „herausragende Leistungen“ als Essayist, Kritiker und Reporter. …

    2. FR-online.de – Die anderen sind ja so dumm
      In dieser ja doch modisch konservativen Haltung waren sich Henryk M. Broder und sein Laudator Helmut Markwort einig bei der Verleihung des mit 20 000 Euro …

    3. Die Zeit – Henryk M. Broder: Eine Stange zwischen die Rippen
      Der Berliner Journalist und Autor Henryk M. Broder nahm am gestrigen Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den seit 1993 ausgelobten und mit 20 000 Euro …

    4. Deutschlandradio – Henryk Broder in Paulskirche mit Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet
      Der Schriftsteller und Journalist Henryk Broder hat in der Frankfurter Paulskirche den Ludwig-Börne-Preis erhalten. Der Preisrichter, Focus-Chefredakteur …

    5. Kölner Stadt-Anzeiger – Hohe Auszeichnung für Henryk M. Broder
      Frankfurt/Main – Der Publizist und Schriftsteller Henryk M. Broder (60) ist am Sonntag in Frankfurt mit dem diesjährigen Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet …

    6. Vanity Fair Online – Unverkennbare Stimme
      Der Publizist und Schriftsteller Henryk M. Broder hat heute in der Frankfurter Paulskirche den Ludwig-Börne-Preis erhalten. …

    7. Spiegel Online – BÖRNE-PREIS FÜR HENRYK M. BRODER Vom Zwang, sich einzumischen
      Henryk M. Broder gehört zu den eminenten Publizisten des Landes; nicht nur zu den gewichtigen, sondern auch zu jenen, die tatsächlich gelesen werden. …

    8. Der Tagesspiegel – Henryk M. Broder  Eine Stange zwischen die Rippen
      Der Berliner Journalist und Autor Henryk M. Broder nahm am gestrigen Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den seit 1993 ausgelobten und mit 20 000 Euro dotierten Ludwig-Börne-Preis entgegen.

    9. Der Tagesspiegel – Henryk M. Broder  Zu Hause? Memme
      Herr Broder, sind Sie ein glücklicher Mensch? Das würde ich so nicht sagen. Ich erlebe heftige Auf- und Abschwünge. Manchmal mehrmals täglich. Aber das war bei mir immer schon so.

    10. Taz – Aus Lust an der Attacke
      Wenn man es vornehm ausdrücken wollte, was in diesem Fall nicht ganz passt, müsste man sagen: Henryk M. Broder ist streitbar. Man liebt ihn oder man hasst ihn – selten ist es etwas dazwischen.

    11. Focus Online – Henryk M. Broder – Unbequemer Autor erhält Börne-Preis
      Als „unerbittlichen Chronisten wuchernder Dummheiten“ hat FOCUS-Chefredakteur Helmut Markwort den diesjährigen Ludwig-Börne-Preisträger, den Publizisten Henryk M. Broder, gewürdigt.

    12. FAZ.NET – Auszeichnung: Broder mit dem Börne-Preis geehrt
      „Ein freier Geist“, der „leidenschaftlich und feurig“ und ohne Rücksicht auf „political correctness“ schreibe: Mit diesen Worten lobte Laudator Helmut Markwort Henryk M. Broder. Broder erhielt am Sonntag in Frankfurt den Börne-Preis.

    13. ARD Tagesschau – Publizist Broder mit Börne-Preis geehrt
      Der Journalist und Schriftsteller Henryk M. Broder ist in der Frankfurter Paulskirche mit dem Ludwig-Börne-Preis 2007 geehrt worden. Die Auszeichnung ist mit 20.000 Euro dotiert. Juror Helmut Markwort sagte, Broder sei „ein freier Geist, der leidenschaftlich und feurig schreibt.“

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