Iran: Wirtschaftspolitik à la Ahmadinejad

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Iran: Wirtschaftspolitik à la Ahmadinejad*

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE 21.07.2007 – 05.32 Uhr
 
 
Iranische Wirtschaftsexperten kritisierten am letzten Samstag bei einem Treffen mit dem Präsidenten Ahmadinejad die starke Staatsintervention. Ahmadinejad rief dennoch zur „Woche der Steuerkultur“ auf.

Ahmadinejad will „Steuergerechtigkeit“ erreichen. Auf einem Treffen mit fünfzig der 57 Wirtschaftskritiker, die ihn schon mehrfach vor den katastrophalen Folgen seiner Wirtschaftspolitik gewarnt haben, betonte Ahmadinejad, dass er zwei Optionen sehe.

Die erste Option, die er als eine falsche Lösungsstrategie bezeichnete, gehe davon aus, dass der Staat alle Naturressourcen des Landes aufbrauche, indem diese teilweise exportiert und teilweise konsumiert werden. Der richtige Weg sei jedoch, dass sich jeder Iraner entsprechend seiner Möglichkeiten an den allgemeinen gesellschaftlichen Kosten beteilige. Dies funktioniere nur durch höhere Steuereinnahmen.

Von den 20 Millionen arbeitenden Iraner würden ca. 15 Mio. Steuern zahlen. Drei Mio. seien Bauern und müssten keine Steuern zahlen. Rund zwei Millionen Iraner würden keine Steuern zahlen, was der Präsident scharf kritisierte. Die Losung des Präsidenten: Steuern statt Ressourcenverbrauch. Die Feinde des Iran wollten, dass „wir alle unsere Ressourcen verkaufen und aufbrauchen, damit wir keinen Fortschritt machen.

Ein Kommentator der reformislamistischen Zeitung Sharq begrüßte das Treffen, obwohl kein Ergebnis erzielt worden sei.

Holländische Krankheit

Die iranischen Wirtschaftsexperten hatten schon vor einem Jahr die Wirtschaftspolitik der neunten Regierung, der Ahmadinejad-Regierung kritisiert. Vor einem Monat schrieben sie erneut einen öffentlichen Brief, so dass der Präsident sich schließlich gezwungen sah, mit den Experten zu sprechen.

Diese stellten erneut fest, dass die iranische Wirtschaft unter der holländischen Krankheit leide. Als Gründe nannten sie die Ölabhängigkeit und die Aufblähung der Geldmenge. Immerhin habe sich die Geldmenge im Iran innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. Die Zentralbank habe die Petrodollars in iranische Währung getauscht und diese in den Markt gepumpt. Die Folgen sind Inflation und Preissteigerungen. Private Wirtschaftsaktivitäten seien deswegen zurückgegangen, dafür seien die staatlichen Subventionen gestiegen. Inzwischen würden sogar Zucker und Reis importiert werden, was der einheimischen Produktion schade. Die Exporte dagegen seien zurückgegangen.

Die Experten kritisieren die hohen Ausgaben des Staates infolge der hohen Öleinnahmen, wobei ihnen nicht klar ist, wofür die Gelder ausgegeben werden. In den letzten zwei Jahren habe der iranische Staat 90 Milliarden Dollar Deviseneinnahmen gehabt, aber diese Einnahmen hätten die Wirtschaftsentwicklung nicht positiv beeinflußt. Durch die hohen Ölpreise habe die Regierung von Ahmadinejad allein in einem Jahr über 50 Milliarden Dollar zur Verfügung gehabt. Es sei ein Fehler der iranischen Zentralbank gewesen die Petrodollars in die einheimische Währung Rial umzutauschen. Dies hat zu einer offiziell 13,6 prozentigen Inflationsrate geführt. Die hohen Deviseneinnahmen haben zu einer Erhöhung der Importe geführt, zudem seien allein in den letzten Monaten die Boden und Immobilienpreise um 50 Prozent gestiegen.

Wachstum könne mit Inflationseffekten nicht hervorgerufen werden, zumal die Ausgaben für den Beamtenapparat und das Gesundheitssystem sehr hoch seien. Es muss wohl hinzugefügt werden, dass die unbekannten Ausgaben für Militär, Luftwaffe und Marine plus Atomprogramm ebenfalls eine immense Belastung sind.

Der Schwarzmarkt blüht trotzdem

Kritisiert wurde die wachsende Staatsintervention, die den Schwarzmarkt nicht verhindern konnte und diesen eher gefördert habe. Rund 80 Prozent der Handygeräte seien in den Iran geschmuggelt worden. Jährlich werden fünf bis sieben Mio. Handygeräte gebraucht. Immerhin benutzen rund 16 Mio. Iraner Handies.
Auch Benzin werde jenseits der Rationalisierungen auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Privatisierung à la Ahmadinejad

Der Staatsführer Khamenei habe die Privatisierung der Wirtschaft angeordnet. Die iranische Wirtschaft kenne jedoch keine Konkurrenz. Kritisiert wird weiterhin, dass Ahmadinejad ein neues Allokationssystem eingeführt hat, das in der Tat einem reinen Klientelsystem ähnelt. Die Regierung alimentiert inzwischen direkt die Provinzen, vermittelt über die direkte Subventionierung der Gouverneure. Das Budget der Provinzen ist damit gänzlich in der Hand des Gouverneurs und der Gouverneur in der Hand von Ahmadinejad. Da diese sich jedoch hauptsächlich mit politischen und Sicherheitsfragen beschäftigen würden, könnten keine wirklichen Entwicklungspläne für die Provinzen entwickelt werden.

Ahmadinejad hatte angekündigt die Arbeitslosigkeit von offiziell 11,5 Prozent mit kurzfristigen Krediten zu bekämpfen. Sogar die größtenteils staatlichen Banken haben sich gegen das Programm gewehrt, denn kurzfristige Billigkredite bringen kaum Rendite. Das Programm des Präsidenten geriet in Stagnation, zumal der Staat die Rendite der staatlichen Banken auf 12 Prozent und die der privaten Banken auf 13 Prozent beschränkt hat. Die Wirtschaftsexperten kritisierten, dass die vorausgesagte Inflationsrate für das laufende Jahr jedoch höher sei, als die Rendite der Banken. Diese Tendenz würde zum Bankrott der Banken führen.

Das Privatisierungsprogramm der Regierung sei zudem keine echte Privatisierungsstrategie. Unter Privatisierung versteht Ahmadinejad die Vergabe von billigen Aktien an Kriegsgeschädigte und Arme. Tatsächlich sind 80 Prozent der Unternehmen staatlich und zwar diejenigen in den wichtigsten Branchen wie der Auto-, Schiffbau-, Gas-, Öl-, und Stahlindustrie, der Banken, Versicherungen, Fluggesellschaften usw.

Die Experten stellen fest, dass die 3 Millionen iranischen Börsianer letztlich zu den Verlierern zählen würden, denn ihre Ersparnisse gehen dank der Inflation immer mehr verloren. Auch die Außenhandelsstatistik verschlechtere sich. Die Importe sollen jährlich ca. 41 Milliarden Dollar betragen haben. Diese sind jedoch deutlich zurückgegangen. Prinzipiell sei die starke Staatsintervention nur schädlich für die Wirtschaft.

Auch die Benzinrationierung sei ein Fehler. Die Wirtschaftsexperten sind der Meinung, dass die Ölindustrie auf ausländisches Kapital angewiesen sei, um den internationalen Standards zu entsprechen. Aber die internationalen Konzerne würden immer weniger in den iranischen Anlagen investieren. Als Grund nennen sie explizit das Urananreicherungsprogramm. Die USA würden die internationalen Konzerne unter Druck setzen, die nun tatsächlich zögerlicher geworden seien. Offiziell habe die iranische Regierung kalkuliert, dass in den nächsten 8 Jahren 130 Milliarden Dollar in die Öl- und Gasindustrie investiert werden, davon müssten jedoch 90 Milliarden US-Dollar aus ausländischen Kapitalien stammen.

Als ein Warnzeichen führten die Witschaftsexperten das Beispiel des japanischen Unternehmens Inpex auf. Dieses habe zunächst zugesagt drei Milliarden US-Dollar in das Ölfeldprojekt Asadegan zu investieren. Diese Summe betrage immerhin 75 Prozent der Gesamtkosten. Auf Druck der USA habe die japanische Firma aber ihre Zusage zurückgezogen. Gegenwärtig sei Inpex nur mit 10 Prozent daran beteiligt.

Eine entgegengesetzte Wirkung hat eine Absichtserklärung, die Iran und die Türkei kürzlich unterschrieben haben. Iran wird demnach die Erlaubnis bekommen Gas über die Türkei nach Europa zu exportieren. Auch Türkmenistan soll Gas über Iran in die Türkei und dann nach Europa exportieren. Die Türkei wird dafür in die iranische Gasanlage Meydane Gase Pars investieren.

Europa ist einerseits auf die Energieressourcen Mittelasiens angewiesen, andererseits werden solche Wirtschaftsbeziehungen zur Stabilisierung der totalitären Diktatur im Iran beitragen. Dessen mahdistische Ideologie hat selbstmörderische Züge. Europa sollte in Zukunft sehr genau zwischen seinen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen abwägen.

 

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 


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