Afghanistan zwischen Iran und dem Westen

  • 0

Afghanistan zwischen Iran und dem Westen*

 
 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE 17.08.2007 – 13.37 Uhr
 
 
Auf dem Weg nach Schanghai besuchte der iranische Präsident die afghanische Hauptstadt Kabul. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder soll vertieft werden. Der Iran versucht seinen Einfluss in Afghanistan zu stärken und die westliche Position zu schwächen.

Wie die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok berichtete, haben der iranische Präsident Ahmadinejad und der afghanische Präsident Karzai ein 6 Punkte Memorandum unterzeichnet. Die iranische Regierung will den Afghanen beim Aufbau von afghanischen Institutionen in der Landwirtschaft und bei der Ausbildung von Veterinärmedizinern helfen. Zudem wird der Iran beim Bau einer Straße von 110 km Länge helfen. Weiterhin will der Iran u.a. in Wasseraufbereitungsanlagen investieren und beim Aufbau der medizinischen Fakultät der Kabuler Universität helfen.

Iran hat nackte wirtschaftliche Interessen am afghanischen Markt. Präsident Ahmadinejad knüpft an die außenpolitische Initiative seines Vorgängers, Mohammad Khatami, an und setzt auf regionale Verbündete und iranische Exportvorteile. Die deutsche Bundesagentur für Außenwirtschaft, bfai, meldete schon im April diesen Jahres, dass der Iran vorhat, Afghanistan verstärkt beim Wiederaufbau zu unterstützen. Iran lieferte allein zwischen März 2005 bis März 2006 Waren im Wert von 232 Mio. US-Dollar nach Afghanistan. Der iranische Ölexport ist in diesem Betrag nicht enthalten. IRNA meldete, dass die iranischen Exporte nach Afghanistan im letzten Jahr um 300 Mio. Dollar betragen haben, dagegen betragen die Importe aus Afghanistan lediglich drei Mio. Dollar.

Bfai zufolge exportiert Iran Baumaterialien, die beim Wiederaufbau in Afghanistan stark nachgefragt sind. Infrastrukturprojekte in der afghanischen Grenzregion werden von iranischen Firmen durchgeführt. Die Bundesagentur hebt den Bau der Straße Dogharoun-Herat und der Brücke Milak sowie Projekte in den Bereichen Wasser, Landwirtschaft, Telekommunikation und Medizin hervor. Auch im Rahmen der Behebung der afghanischen Versorgungsmängel investiere der Iran in bei Stromgewinnung und Wasserkraftwerke. Auf Expertenebene würden technische Besprechungen sowie Trainingsmaßnahmen durchgeführt werden. Gemeinsam seien bereits Dämme errichtet worden. Darüber hinaus exportiere der Iran sogar Strom nach Afghanistan.

Terroristische Gewalt

Die afghanische Regierung hat mit dem Iran auch vereinbart, gemeinsam gegen den Terrorismus zu kämpfen. Der afghanische Präsident Karzai hatte kürzlich die Rolle des Iran als positiv bezeichnet, berichtet die afghanische Zeitung Daily Afghanistan.

Robert Gates, US-amerikanischer Verteidigungsminister sagte jedoch, dass „substantielle“ Mengen von iranischen Waffen immer wieder nach Afghanistan gelangen würden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Waffen mit Hilfe der Quds-Einheiten der iranischen Pasdaran, ein Teil der iranischen Armee, nach Afghanistan und in den Irak gelangen. Fest steht, dass die iranische Wirtschaft in hohem Maße vom afghanischen Markt profitiert und die afghanische Regierung dankbar ist für jede Investition aus dem Ausland.

Die iranische Regierung hat gleichzeitig ein starkes Interesse, den Erfolg der Amerikaner und ihrer Verbündeten zu konterkarieren. Daher ist es möglich, dass die Pasdaran auf der operativen Ebene mit den Taliban zusammenarbeiten, zumal die terroristische Organisation von Hekmatyar offen vom Iran unterstützt und ausgebildet worden ist.

Die USA haben inzwischen erklärt, dass Pläne existieren, wonach die Revolutionsgarden der Pasdaran als eine terroristische Gruppe eingestuft werden sollen.

Afghanische Zeitung vergleicht Ahmadinejad mit Hitler

Jenseits der gemeinsamen Wirtschaftsinteressen gibt es auch Dissens. Kabulpress, die zu den größten afghanischen Nachrichtenagenturen gehört, berichtet sehr negativ über die Erfahrungen der Afghanen im Iran. Die Iraner seien in den letzten Monaten gegen die Afghanen emotional aufgehetzt worden, so dass die Afghanen im Iran regelmäßig diskriminiert, geschlagen und beleidigt würden. Sogar ein afghanisch-islamischer Geistlicher sei in Isfahan von Sicherheitsbeamten öffentlich geschlagen worden, weil er die Behandlung der Afghanen kritisiert habe.

Tausende Afghanen wurden in den letzten Monaten aus dem Iran ausgewiesen. Amin Tarzi schreibt, dass die iranische Regierung mit der Abschiebung der Afghanen beweisen wolle, dass die amerikanische Demokratie eigentlich nicht funktioniere. Die schnelle Reintegration der Afghanen ist sehr schwer. Zudem könne der Iran auch Spione mit den Flüchtlingen nach Afghanistan schleusen.

In der afghanischen Zeitung Kabulpress wurde die iranische Haltung gegenüber den Afghanen mit der Behandlung der Juden im Nationalsozialismus verglichen. In einem weiteren Artikel wurde sogar vor einer „iranischen Kristallnacht“ gewarnt. Der Hass gegen Afghanen werde geschürt und diese würden seit April diesen Jahres systematisch ausgewiesen werden. Ahmadinejad wird ausdrücklich mit Hitler verglichen. Ein afghanisches Sprichwort besage, dass der „Wolf eine unbeaufsichtigte Schafherde leicht überfalle“, daher müsse Ahmadinejad besser kontrolliert werden.

Iranische Machtpolitik

Die afghanisch-iranischen Beziehungen bleiben ambivalent. Es sollte in Erinnerung gerufen werden, dass der Iran die westliche Präsenz, auch die der deutschen Soldaten in Afghanistan als westlichen Kolonialismus begreift. Der Iran versucht durch eine aktive Investitionspolitik von der Abwesenheit westlicher Unternehmen in Afghanistan zu profitieren. Gleichzeitig haben die iranischen Machthaber ein Interesse an Destabilisierung der westlichen Aufbaupolitik in Afghanistan. Denn Afghanistan soll iranischer Verbündeter werden, wie Syrien, Hisbollah, Hamas und Jihade Islami. Daher ist die iranische Strategie in Afghanistan als eine reine Machtpolitik zu verstehen.

Die afghanische Regierung ist wiederum sowohl auf wirtschaftliche Hilfe, als auch auf die militärische Hilfe angewiesen. Gut möglich, dass Präsident Karzai die iranischen Petrodollars gerne annimmt, auch wenn sie von einer totalitären Diktatur stammen. Gleichzeitig verzichtet er aber nicht auf die militärische und politische Hilfe aus dem Westen.

 

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 

 


Hinterlasse eine Antwort