Die Verlogenheit der UN

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Die Verlogenheit der UN

Michael Wolffsohn von Michael Wolffsohn, Gastautor, WELT DEBATTE

Ahmadinedschad hat wieder vor der UN gesprochen. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die UN keine Moral hat – hier ist er. Denn eine Gesellschaft, die mit Schurkenstaaten und Menschenrechtsverbrechern gemeinsame Sache macht, kann nicht als Weltinstanz akzeptiert werden. Wir, Deutschland und Europa sollten uns auf eine andere Moralvorstellung berufen. Die Nato-Moral.

Der Präsident des Iran hat wieder vor den UN geredet. Sogar in New Yorks berühmter Columbia University durfte er sprechen. Dem potenziellen Massenmörder, der seinen Massenmord sogar vorher ankündigt, wird viel Toleranz entgegengebracht. Nicht der iranische Präsident Ahmadinedschad aber ist das Problem, wir sind es, genauer: wir als Teil der internationalen Gemeinschaft, die sich alles von jedem bieten lässt – auch die Forderung, andere Staaten auszulöschen und den millionenmörderischen Holocaust zu leugnen. Wir erleben die „Chronik eines angekündigten Mordes“ und bieten dem bekennenden Mordplaner, jenseits seiner heimischen, die bekannteste internationale Tribüne: die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York.

Ahmadinedschad ist nicht der erste (und leider wohl auch nicht der letzte) Verbrecher (so nenne ich Mordankündiger), der vor der UN-Vollversammlung reden darf und dem der UN-Generalsekretär oder dessen Schranzen den Stuhl unter ihre körperliche Sitzfläche schieben. Die Liste ist lang: Arafat kam 1975 sogar mit der Pistole ins UN-Plenum, Simbabwes Mugabe (der sein eigenes Volk drangsaliert) darf hier genauso reden wie der Präsident des Sudan, der – natürlich ungestraft von der internationalen Gemeinschaft – die Menschen in seiner Provinz Darfur ebenso in Massen ermorden lässt wie im Süden seines Landes. Gegen dieses Abschlachten wird so wenig ernsthaft unternommen wie gegen Ahmadinedschads Iran. Kein Wunder, denn die Welt braucht sudanesisches und iranisches Öl. Und weil hier ausnahmsweise nicht die USA agieren, protestiert man nicht, wenn „Blut für Öl“ fließt. Auch den Völkermord in Ruanda haben die UN 1994 so wenig verhindert wie die Massaker auf dem Balkan während der 90er-Jahre. Diese stoppte US-Präsident Clinton.

Haben die Vereinten Nationen den Nahost-Konflikt beendet oder auch nur gedämpft? Nein, aber aktiv ist man hier seit Jahrzehnten. Reine Geldverschwendung. Es ist nicht lange her, da saßen der Iran und der Sudan im wichtigsten Menschenrechtsgremium der UN. Die Böcke wurden zu Gärtnern, denn schon damals tobte im Sudan der Bürgerkrieg, und im Iran wurden, wie heute, Minderheiten brutal unterdrückt: zum Beispiel Kurden, Belutschen, Azeris, Araber. Dass der Iran atomar aufrüstet, ist offenkundig. Die Angst ist groß, die Sorgen schwer, getan wird nichts, geredet viel, und zur Belohnung darf der iranische Präsident die Weltöffentlichkeit mit UN-Märchenstunden zum Narren halten. Nicht Ahmadinedschad ist der Narr, wir sind die Narren. Was tun? Die internationale Gemeinschaft muss auf moralische Beliebigkeit verzichten. Zur Vielfalt der Normen setzenden Meinungen darf die Meinung von Mördern nicht gehören. Deshalb kann die uneingeschränkte Redefreiheit als Redegleichheit und moralische Gleichgewichtigkeit nicht gelten. Oder wollen wir Deutschlands Moral mit der Ahmadinedschads gleichsetzen?

Ethische Mindestanforderungen müssen als Eintrittskarte in die internationale Gemeinschaft und deren Gremien festgelegt werden. Das zu verwirklichen gleicht der Quadratur des Kreises. Deshalb muss die zivilisierte Minderheit der internationalen Gemeinschaft sich bestimmten Ritualen der Mehrheit entziehen. Wir, Deutschland und Europa, müssen das tun – schon unserer moralischen Glaubwürdigkeit wegen. Wer alles zulässt, wird außerdem von keinem ernst genommen. Die deutsche und europäische Politik muss sich vom Irr- und Wirrglauben lösen, die UN repräsentierten das Weltgewissen. Konkret: Aktionen im globalen Zusammenhang sollten auf westlich-demokratischen Wertvorstelllungen basieren, nicht auf UN-Kompromissen, denen der Iran, der Sudan, Simbabwe und andere Schurkenstaaten zustimmen. Wir müssen uns auf unsere Werte besinnen, die letztlich universal sind. Wiege und Wege der Weltwerte Menschen- und Bürgerrechte findet man nicht in Teheran oder Khartum, sondern in Philadelphia, Paris, London und Amsterdam. Das ist die Welt der „Aufklärung“, des Nordatlantiks, des „Westens“. Das ist heute politisch und, ja, auch moralisch-demokratisch-menschenrechtlich die Nato. Völkerrechtlich sollte daher Nato-Moral mehr als UN-„Moral“ gelten.

Die UN, auch ihr „Sicherheitsrat“, in dem schon oft Verbrecherregime vertreten waren und Muster-„Demokratien“ wie China und Russland ständige Mitglieder sind, können nicht als völkerrechtlich legitimierende Instanz anerkannt werden. Die UN sind keine heilige Kuh. Teilempörung reicht nicht. Ahmadinedschads Iran gehört zum System UN. Die UN sind moralisch morsch.

 

 


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