Teherans geheimer Plan

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Teherans geheimer Plan*


Lord George Weidenfeld von Lord George Weidenfeld, Verleger und Kolumnist

 
Während die Welt auf Ahmadinedschads Antwort auf die Sanktionsdrohungen der UN wartet, gilt es, seine wahren Prioritäten zu erraten. Und vor allem, nicht in die Falle seiner Behauptung zu gehen, dass es ihm hauptsächlich um die Vernichtung Israels ginge. Ein Schlagwort, für das er sich den Beifall der ganzen arabischen Welt erhofft.

Während die Welt auf Ahmadinedschads Antwort auf die Sanktionsdrohungen der UN wartet, gilt es, seine wahren Prioritäten zu erraten. Und vor allem, nicht in die Falle seiner Behauptung zu gehen, dass es ihm hauptsächlich um die Vernichtung Israels ginge. Ein Schlagwort, für das er sich den Beifall der ganzen arabischen Welt erhofft.

Sein erstes Ziel ist die Destabilisierung der Golfemirate und Saudi-Arabiens, um die Straße von Hormus, die wichtigste Ölexportroute der Welt zu kontrollieren.

Mit der Zersetzung des Irak hat er schon begonnen. Dort gilt es, eine schiitische Mehrheit an der Macht zu erhalten und die Sunniten um Einfluss und Einnahmen von Ölgeld zu bringen. An den wirtschaftlichen und militärischen Erweiterungsplan reiht sich der wichtige religiöse Faktor. Teherans Klerus will mit allen Mitteln ein schiitisches Reich errichten, das sich auch auf Syrien und Libanon erstreckt. Als Groß- oder sogar Weltmacht soll es dem „großen Satan USA“ jeglichen Einfluss entziehen. Der Iraner hofft, Russland und China auf seine Seite zu bringen, und kurzfristige wirtschaftliche Vorteile mögen in der Tat verlockend auf diese zwei Mächte wirken. Doch im Grunde misstraut vor allem der Kreml langfristig den fanatischen Dschihad-Propagandisten.
Israel kommt erst viel später dran. Ahmadinedschad weiß, geht er zu früh militärisch gegen den jüdischen Staat vor, hat er es mit dem gesamten, Israel zur Verfügung stehenden Waffenarsenal zu tun. Dieses Risiko könnte er nur eingehen, wenn er vor der Intervention seiner Nachbarn und auch vor der Präsenz größerer US-Einheiten in der Region sicher sein kann.

Die fortdauernde Hysterie der Teheraner Propaganda gegen Israel, die provokante Verneinung des Holocaust und Hetze gegen die „allmächtige jüdische Lobby“ soll den Eindruck verstärken, dass Israel oder die jüdische Welt schlechthin zwischen einer Verständigung Teherans mit dem Westen stünde. Hier konzentriert sich Ahmadinedschad auf die öffentliche Meinung in Europa und besonders in Deutschland. „Für Danzig sterben?“ hieß es in den Monaten vor dem Zweiten Weltkrieg. Heute adaptiert Ahmadinedschad, ein bewusster Bewunderer Hitlers und Goebbels‘, das Motto: Für Tel Aviv einen Weltkrieg entfachen?

Der wirkliche Tatbestand im Nahen Osten ist ironischerweise ganz anders. Verschwände durch ein Wunder das heutige Israel im Weltraum oder als Folge eines nuklearen Angriffs, dann wäre der langen Fehde kein Ende gesetzt. Ganz im Gegenteil: Blutige Kämpfe würden von Neuem beginnen. Damaskus hat nie den Traum von Groß-Syrien aufgegeben. Die Syrer würden Obergaliläa, den See Genezareth und den Großhafen Haifa gern annektieren und den Libanon völlig mit Hisbollahs Hilfe erobern, was in einem Blutbad zwischen den Sekten enden würde. Die Palästinenser im Westjordanland würden sich mit ihren Stammesbrüdern in Jordanien, wo es jetzt schon eine palästinensische Mehrheit gibt, vereinen. Und die ihnen als fremde Eindringlinge geltenden Haschemiten entweder vertreiben oder liquidieren. Ägypten könnte in Versuchung kommen, Israels Süden, den Negev samt Hauptstadt Beer Sheva, zu besetzen. Die Kontrolle über die muslimischen heiligen Stätten in Jerusalem würde zwangsläufig zu großen Streitigkeiten führen.

Das Paradoxon der gegenwärtigen Lage ist, dass die Existenz Israels zum Gleichgewicht und daher zur Vermeidung eines allgemeinen Krieges beiträgt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts konnte sich Premierminister Lord Palmerston brüsten, dass die „bloße Präsenz“ der britischen Flotte Kriegsabenteuer im Mittelmeer verhindere. Könnte es sein, dass die „bloße Existenz“ Israels abenteuerlichen Gelüsten autokratischer Regierungen in der Region den Weg versperrt?

 

 

*Quelle: http://debatte.welt.de/kolumnen/17/welt+intern/41955/teherans+geheimer+plan

 

 


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