Töten im Auftrag der „Partei Gottes“

  • 0

Hisbollah
Töten im Auftrag der „Partei Gottes“

Von Alexander Ritzmann


Die Hisbollah steht hierzulande unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Ihre etwa 900 Mitglieder in Deutschland sind gewaltbereite, aber unauffällige Schläfer. Gerade der Atomstreit mit Iran könnte die ursprünglich iranische Organisation für Deutschland gefährlich machen. Unternommen wird jedoch nichts.
 
 

Zehntausende Hisbollah-Anhänger feiern ihren Anführer Hassan Nassrallah in der libanesischen Hauptstadt Beirut

 
 
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 suchte man in Deutschland hektisch nach Schläfern, also sich unauffällig und legal verhaltenden Terroristen, die auf Kommando zuschlagen. Nachdem 8,4 Millionen Datensätze gerastert waren, teilten die Sicherheitsbehörden mit, dass keine weiteren Schläfer gefunden wurden.
Dabei hätte ein Blick in die jährlichen Verfassungsschutzberichte gezeigt, dass es in Deutschland ganze Vereine von Schläfern gibt. Einer davon hat 900 Mitglieder, arbeitet laut Verfassungsschutz mit seiner „gewaltsamen Strategie gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ und hat in Deutschland „zwischenzeitlich anschlagfähige Netzwerke“ entwickelt.
Es handelt sich hierbei um die deutsche Außenstelle der libanesischen Hisbollah („Partei Gottes“), jener vor 25 Jahren im Auftrag des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini gegründeten Terrororganisation, die im Libanon einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild errichten und den Staat Israel vernichten will. Von ihr geht auch eine Gefahr für Deutschland aus, gerade im Zusammenhang mit dem sich immer weiter verschärfenden Atomstreit mit dem Iran.

Killerkommandos überall in Europa aktiv

Warum? Konzentrieren sich die Angriffe der Hisbollah nicht auf die Ungläubigen im Nahen Osten? Nicht nach Auffassung des französischen Richters Gilles Boulouque, des argentinischen Bundesrichters José Galeano und des Berliner Kammergerichts. Ihnen zufolge hat die Hisbollah in den letzten 20 Jahren mindestens dreimal außerhalb Libanons als Auftragskiller für den Iran fungiert.
 

So wurden bei Anschlägen auf Einkaufszentren und Bahnhöfe in Paris 1985 13 Menschen getötet und 40 verletzt. Richter Boulouque identifizierte damals 17 Hisbollah-Mitglieder als Teil des Terrornetzwerkes. 1994 fuhr laut Richter Galeano ein Selbstmordattentäter der Hisbollah einen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster in das jüdische Kulturzentrum AMIA in Buenos Aires. 89 Menschen starben, mehrere Hundert wurden verletzt.

Und nach Auffassung der Berliner Richter ermordeten 1992 drei Hisbollah-Mitglieder und ein iranischer Geheimdienstler vier kurdisch-iranische Oppositionspolitiker und deren Dolmetscher im Berliner Restaurant „Mykonos“. Der Wirt und ein Gast wurden schwer verletzt. Zudem wird der Hisbollah vorgeworfen, außerhalb Libanons ein weiteres halbes Dutzend Anschläge verübt zu haben haben.

Hetze gegen Israel

Wie passt das zum Profil der selbsternannten Widerstandsorganisation? Zunächst ist Hisbollahs Widerstand selektiv, denn er richtet sich gegen „das zionistische Gebilde“ und die mit dem Ziel „Gottesstaat“ nicht vereinbare westliche Präsenz im Libanon.
Mit der 30-jährigen Besetzung durch Syrien hatte die Partei Gottes nie ein Problem. Vielmehr wird sie bis heute von Damaskus mit Waffen und Geld unterstützt. Die Finanzierung durch den Iran und Syrien ermöglicht der Hisbollah ein soziales und politisches Engagement, welches zu einem breiten Rückhalt in der Bevölkerung Südlibanons geführt hat. Jeder Unterstützer der Hisbollah erhält etwa kostenlose Gesundheits- und Bildungsleistungen sowie Arbeitsplätze angeboten.
In Deutschland trat die Hisbollah erstmals 1987 in Erscheinung, als die Brüder Hamadi am Frankfurter Flughafen wegen des Besitzes von Flüssigsprengstoff beziehungsweise wegen Mordes und Entführung festgenommen wurden. Um sie freizupressen, wurden die Deutschen Rudolf Cordes, Alfred Schmidt, Heinrich Strübig und Thomas Kemptner gekidnappt. Strübig und Kemptner verbrachten, im Dunkeln aneinander gekettet, 1128 Tage in Geiselhaft.
Zweimal, 1989 und 2003, wurde bekannt, dass die Hisbollah israelische, jüdische und amerikanische Einrichtungen in Deutschland als Anschlagsziele hatte ausspähen lassen.

Hisbollah sammelt Spenden in Deutschland

1997 rekrutierte sie den deutschen Konvertiten Stefan S., der einen Anschlag in Israel verüben sollte. Er sagte während seiner Haftzeit in Israel, dass es für ihn „eine Ehre sei, in den Tod zu gehen, für den Islam, für Allah“. Die Hisbollah handelte seine vorzeitige Freilassung im Ramen eines Gefangenenaustausches aus.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte zwar im Nachgang des 11. Septembers 2001 angeordnet, sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten.
Dies aber nutzte einem Hisbollah Mitglied nichts, das im Dezember 2004 aus Deutschland abgeschoben wurde, weil das Verwaltungsgericht Düsseldorf feststellte, „dass der Betroffene einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstütze“. Seitdem arbeitet die Hizbollah aber ungestört weiter. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Hisbollah in Deutschland im Sammeln von Geldern.

Hisbollah gibt Hörigkeit gegenüber dem Iran zu

Zudem ist ihre Mitgliedschaft seit 2003 um 12 Prozent angewachsen, was auch ihrem in Deutschland frei empfangbaren Fernsehsender „al Manar“ zuzuschreiben ist. Dort werden bereits Kleinkinder mit Parolen aufgehetzt und mit Hass auf Israel und den Westen indoktriniert. Selbstmordanschläge werden als Märtyrertaten gefeiert, und es wird betont, dass die Familien der toten Selbstmordattentäter mit Geldern großzügig unterstützt werden.
Der hier ansässige Verein „Waisenkinderprojekt Libanon e.V.“ etwa kümmert sich um Hinterbliebene von Hisbollah-Kämpfern und Selbstmordattentätern. Spenden, die in dieses „Sozialprojekt“ fließen, machen anderes Geld für Waffenkäufe frei.
Die Hisbollah erklärte im April 2007 erstmals öffentlich, dass ihre Abhängigkeit vom Iran soweit geht, dass alle Selbstmordattentate, Entführungen und Raketenangriffe einer Genehmigung durch den „geistlichen Führer“ Ayatollah Khamenei in Teheran bedürfen.
 

Der Verfassungsschutz bemerkt dazu, dass „gerade vor dem Hintergrund der antiisraelischen und antisemitischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad die in Deutschland lebenden Anhänger der Hizbollah weiterhin im Fokus der Sicherheitsbehörden stehen.“ Von den Anhängern gehe aber deshalb „gegenwärtig keine konkrete Gefahr aus, da diese sich der Aufforderung der Beiruter Zentrale folgend weitgehend gesetzeskonform verhalten“.

Eine international erfahrene und schlagkräftige Gruppe

Und genau hier liegt das Problem. Im Gegensatz zu den zwar hoch motivierten aber letzen Endes unfähigen „home grown“ Terroristen a lá Fritz G. und Daniel S. handelt es sich bei der Hizbollah um eine international erfahrene und schlagkräftige Terrororganisation. Ob es bei einer weiteren Verschärfung des Atomstreits zu Anschlägen in Deutschland kommen wird, entscheidet der Ajatollah Khamenei.
Der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, ansonsten nicht als Schlafmütze bekannt, hat bereits heute die Möglichkeit, durch Vereinsverbote und Ausweisungen Strukturen der Hisbollah zu zerschlagen oder deren Aktivitäten zumindest deutlich zu erschweren. Dies ist keine Garantie, dass es hier nicht zu einem Anschlag kommt. Die Augen vor dieser Bedrohung zu verschließen, schützt uns aber erst recht nicht.

 

 


Hinterlasse eine Antwort