Die Uhr tickt

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Die Uhr tickt
Der Iran denkt nicht daran, die Urananreicherung zu stoppen. Die Europäer sollten jetzt scharfe Sanktionen verhängen – sonst gibt es später Krieg


Von Matthew Levitt

FTD – 19.12.2007

Der jüngste US-Geheimdienstbericht zu den Atomplänen des Iran war Gegenstand vieler Analysen. Die meisten davon gingen jedoch am Thema vorbei.

Der Bericht beginnt mit der überraschenden Einschätzung, dass Teheran seit 2003 sein Atomwaffenprogramm eingestellt hat. Das verleitet manchen zur Schlussfolgerung, Sanktionen gegen den Iran seien nicht mehr nötig. Doch das sind sie. Die wichtigste Schlussfolgerung des Berichts besteht nämlich darin, dass sich die Nuklearpläne des Iran am besten durch politischen und wirtschaftlichen Druck beeinflussen lassen.

Der Iran produziert weiter spaltbares Material und Raketengeschosse. Dem Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Mohamed El Baradei zufolge könnte der Iran „innerhalb weniger Monate“ eine Atomwaffe produzieren, sobald er die derzeit im Bau befindlichen Wiederaufbereitungsanlagen fertiggestellt hat. Deshalb sollte der Iran jetzt mit Sanktionen belegt werden, bevor er die kritische Schwelle erreicht.

Genau das hat die US-Regierung im Oktober getan. Damals veröffentlichten das Finanz- und das Außenministerium der USA eine umfassende Liste iranischer Organisationen und Personen, die sie der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten bezichtigen. Diese Veröffentlichung hat die Betroffenen vom amerikanischen – und letztlich auch vom internationalen – Finanzsystem abgetrennt. Die EU berät jetzt sogar, ob sie den Iran mit eigenen Sanktionen belegt. Das sollte sie tun.

Die illegalen Aktivitäten der betreffenden iranischen Banken, Persönlichkeiten, Militäreinrichtungen und Unternehmen wurden von den beiden US-Ministerien öffentlich geächtet und in einer separaten Aufstellung erläutert. Gezielte Sanktionen gegen die aufgelisteten Personen und Organisationen sind die stärkste nichtmilitärische Waffe, mit der Teheran zu einem Kurswechsel bewegt werden kann. Jene, die einen Krieg verhindern möchten, müssen ein stabiles System intelligenter Strafmaßnahmen aufbauen.

Manche fordern diplomatische Bemühungen statt Wirtschaftssanktionen. Es ist ein Irrglaube, dass sich Politiker zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden müssen. Beide Mittel werden am besten ergänzend eingesetzt.

Gezielte Sanktionen sollten nicht nur als Maßnahme gesehen werden, wie man den Iran für sein Verhalten zur Rechenschaft ziehen und das internationale Finanzsystem schützen kann, sondern auch als Druckmittel zur Unterstützung diplomatischer Bemühungen. Sanktionen werden das Iran-Problem nicht lösen, aber wenn sie intelligent eingesetzt werden, verleihen sie der Diplomatie ausreichend Gewicht und können einen militärischen Konflikt verhindern.

Multilaterale Sanktionen sind in jedem Fall besser, doch gezielte Finanzblockaden einzelner Wirtschaftsmächte reichen aus, um den Iran zu treffen. Was wäre zum Beispiel, wenn die großen Finanzkonzerne weltweit die Liste des US-Finanzministeriums in ihre Due-Diligence-Datenbanken integrieren? Das würde bedeuten, dass die fraglichen iranischen Banken, Organisationen und Personen größte Schwierigkeiten hätten, Kredite aufzunehmen oder auf andere Weise Zugang zum internationalen Finanzsystem zu erhalten.

Nun, da der Prozess für Uno-Sanktionen festgefahren ist, ist es umso wichtiger, die Grundlage für drastische Strafmaßnahmen zu schaffen. Französische Politiker sagten bereits, wenn die Uno bis Ende des Jahres keine neuen Sanktionen verhänge, müsse die EU „individuellere Sanktionsformen prüfen“. Neben den Organisationen, die in den Anhängen zu den Resolutionen 1737 und 1747 des Uno-Sicherheitsrats aufgeführt sind, hat die EU weitere beschuldigt. Mit ihrer Liste sind die USA mit gutem Beispiel vorangegangen – so wie im Januar, als sie die iranische Staatsbank Sepah illegaler Aktivitäten beschuldigten. Wenige Wochen später zog die internationale Gemeinschaft nach und prangerte Sepah im Rahmen der Resolution 1747 an. Europa sollte die internationale Gemeinschaft jetzt auffordern, zumindest einige der von den USA genannten Banken, Unternehmen und Personen noch vor Ende des Jahres in einer dritten Resolution des Uno-Sicherheitsrats zu brandmarken.

Doch die Uno ist nicht das einzige Forum für Sanktionen. Auch einzelne Länder und Staatenbündnisse erwägen Sanktionen gegen den Iran. Allein schon die irreführenden und illegalen Finanzpraktiken, mit denen der Iran seine widerrechtlichen Aktivitäten finanziert, sollten für Deutschland und andere europäische Wirtschaftsmächte Grund sein, den Iran zur Verantwortung zu ziehen.

Ganz gleich, ob sie multilateral oder unilateral durchgesetzt werden: Gezielte Finanzsanktionen, wie sie die USA verhängt haben, sind das sicherste Mittel, eine militärische Konfrontation zu verhindern. Sie stellen das nötige Druckmittel für wirksame diplomatische Bemühungen dar. Die EU sollte jetzt handeln und ihre eigenen Sanktionen gegen den Iran verhängen. Ohne diesen Druck werden Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks eines Tages nur die Wahl haben, den Iran zu bombardieren – oder einen atomar bewaffneten Iran zu akzeptieren.    

 


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