Iran: Besorgniserregendes Urteil

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Iran: Besorgniserregendes Urteil

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 
 
Die staatlichen Repressionen gegen die Angehörigen der Bahai-Religion im Iran nehmen zu. Einige muslimische Geistliche, Politiker und Journalisten manipulieren die Massen mit ihrer Anti-Bahai-Propaganda. Diese soll den Hass der Bevölkerung gegen die Religionsgemeinschaft schüren.

Kriegsrecht gegen Bahai?

Der einflussreiche iranische Staatskleriker Ayatollah Makarem Shirasi hat kürzlich in einem besorgniserregenden Urteil die Bahai als „Kofare Harbi“ bezeichnet. „Kofare Harbi“ bedeutet „kriegerische Ungläubige.“ Gegen „Kofare Harbi“ gibt es nach dem islamischen Gesetz ein Kriegsrecht, das heißt, sie können getötet werden. Das Urteil des Ayatollah Shirasi wurde von einer iranischen Organisation namens „Ansare Al Mehdi“ (Helfer des Mehdi, Messias), im Rahmen der Veröffentlichungen eines „Kulturinstituts“, das sich „Nur el-Mehdi“ (Licht des Messias) nennt, herausgegeben.

Das Urteil des „Kofare Harbi“ besitzt in der Tat eine neue Qualität. Denn bisher wurden Bahai als „Kofare Mortad“, also als Abtrünnige bezeichnet. Nach der Selbstdefinition einer schiitisch-islamischen Website müssen „Kofare Harbi“ getötet werden, da sie den Islam bekämpfen. Falls diese sich nicht in direkter Kampfhandlung befinden, müssten sie dennoch sofort verhaftet werden und in den Kerker gesteckt werden. Ein solches Urteil ist absurd. Sogar aus den unten aufgeführten Aussagen des Hojatoleslam Kossari ist zu entnehmen, dass die Bahai-Religion einen militanten Dschihad gar nicht erlaubt, wie dieser im Islam existiert.

Hojatoleslam Abdolkarim Kossari ist ein iranischer Kleriker, der gegenwärtig in der irakischen Stadt Najaf lebt. Im folgenden bezieht er sich auf das obige Urteil von Ayatollah Makareme Shirasi und zeigt aus islamischer Perspektive die Unterschiede zwischen Islam und der Bahai-Religion auf, meint aber die iranische Bevölkerung vor den Bahai „warnen“ zu müssen. Was für den Kleriker Kossari verpönt ist, möge einem aufgeklärten Menschen als verteidigungswürdig gelten:

Eine „verirrte Sekte“?

Kossari zufolge würden die Bahai seit 150 Jahren versuchen, die islamischen Gesetze aufzuheben, um die „Macht von den Klerikern zu nehmen.“ Kossari zufolge sind die Bahai „hartnäckige Feinde der Prinzipien der Philosophie des Herrschaftssystems des Klerus.“ Tatsache ist, dass Bahai niemanden „entmachten“, aber in der Tat in ihrer Religion keinen Klerus haben und viele Gesetze alter Religionen als unzeitgemäß betrachten und diese in ihrer Religion für sich abgeschafft haben. Sie verfechten aber einen demokratischen Pluralismus der Meinungen und Glaubensvorstellungen.

Als schiitisch-muslimischer Geistlicher spricht Kossari im Jargon des ersten iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini von „ferqeye sale“, der „verirrten Sekte“. Diese Vorstellung ist in der „Islamischen Republik Iran“ Staatsprogramm. Die Bahai hingegen gelten als Offenbarungsreligion in der Reihe von Judentum, Christentum und Islam und somit als neue Weltreligion.

Gemeinschaftliches Beten?

Er stellt fest, dass die Bahai nicht wie die Muslime beispielsweise am Freitagsgebet gemeinschaftlich beten. Sie würden es auch ablehnen, dass Geistliche von Minaretten aus als Vorbeter fungieren. Fakt ist: Die Bahai beten zwar gemeinsam aber nicht laut, sondern jedes Mitglied der Gemeinde, ob Mann oder Frau, Kind oder Erwachsener, spricht ein Gebet in der Gruppe. Für den Hojatoleslam gilt dies als Abweichung von den Lehren, der „großen Führer.“

Todesstrafe für den Abtrünnigen?

Ein weiterer Vorwurf ist, dass die Bahai nicht die Todesstrafe aussprechen würden, wenn jemand „die islamischen Gesetze ändern will.“ Hojatoleslam Kossari hebt hierbei hervor, die Bahai würden einen Abtrünnigen aus ihren Reihen nicht töten. Sie würden manchen feindlich gesinnten Abtrünnigen sogar „unehrenhaft“ begegnen – mit Freundschaft. Ein solches Verhalten würde aber die gesellschaftliche Moral schädigen. Im Islam dagegen würde gemäß Dutzenden von Überlieferungen die Todesstrafe für einen Abtrünnigen zur Geltung kommen.

Dschihad und Mord, um andere Religionen zu besiegen?

Die Bahai würden von „Liebe und Freundschaft zu allen Völkern und Religionen sprechen und das Todesurteil und den Dschihad aufheben.“ Stolz pocht der iranische Kleriker darauf, dass in „Dutzenden Suren des Koran die Macht des Schwertes und das Fließen des Blutes der Heiden und Ungläubigen vorgesehen sei, um andere Religionen zu besiegen“.

Unreinheit?

Baha´u´llah, der Offenbarer der Bahai-Religion, habe gesagt, dass nichts „Najis“, das heißt unrein sei. Die Bahai würden permanent von „Sauberkeit“ sprechen, schreibt Kossari. Damit wollten sie nur davon ablenken, dass „unzählige islamische Rechtsgelehrte und Persönlichkeiten über die Unreinheit der ungläubigen Sunniten, Juden, Christen und Zoroastrier gesprochen haben.“ Hojatoleslam Kossari ist sich gewiss, dass die Bahai die „Grenzen zwischen dem Falschen und dem Richtigen aufheben wollen, um Chaos zu erzeugen.“

Ehe mit Ungläubigen?

Tatsächlich dürfen Bahai Angehörige anderer Religionen und sogar Atheisten heiraten. In seiner hartherzigen Verstocktheit betont Kossari im Islam sei jedoch die „Heirat mit Ungläubigen verboten.“ Er schreibt: „Eine muslimische Frau darf niemals einen Ungläubigen heiraten.“ Denn ein „schmutziger Ungläubiger“ dürfe niemals eine „keusche Muslimin berühren.“

Freie Entscheidung der Jugendlichen?

Kossari hebt die islamische Regel hervor, wonach ein muslimisches Kind, das in einer muslimischen Familie geboren sei, automatisch Muslim werde. Wenn ein Muslim seine Religion ändern wolle, verdiene er die Todesstrafe, wegen Abtrünnigkeit. Bahai-Jugendliche dürften dagegen selber freiwillig sich entscheiden, welcher Religion sie angehören wollen oder auch nicht. Das ist für diesen muslimischen Geistlichen Kossari höchst verwerflich.

Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern?

Die Bahai würden davon ausgehen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt seien. Dies widerspreche dem islamischen Gesetz. Kossari schreibt: „Selbstverständlich sind Frauen körperlich stark und haben auch nicht weniger Verstand und Intelligenz als Männer. Gleichzeitig sind Frauen emotional und ihre sexuellen Instinkte sind mehrfach stärker.“ Daher bräuchten Frauen einen Vormund, ansonsten würden sie in die Prostitution gezogen werden. Die Bahai dagegen würden gar das Kopftuch und den Schleier ablehnen. Zudem würden Bahai-Frauen ihre selbst Männer aussuchen. Bahai-Frauen dürften auch in religiösen Institutionen mitentscheiden, was im Islam verboten sei.

Die Bahai hätten zudem das Gesetz, dass ein Mädchen mit neun Jahren strafmündig sei und verheiratet werden könne, abgeschafft. Tatsächlich ist es nach heutigem europäischem Recht verboten ein neun jähriges Kind zu heiraten. Im heutigen Iran ist das Mindestheiratsalter auf zwölf Jahre bei Mädchen und 15 Jahre bei Jungen festgelegt. Wenn eine verheiratete Frau fremd gehe, hätte sie nach islamischem Gesetz die Strafe der Steinigung verdient. Auch dies würden die Bahai gänzlich ablehnen.

Steinigung?

Die Bahai würden „das Licht der islamischen Gesetze als grausam und wild“ bezeichnen. Sie würden das „Abhacken von Händen und Füßen, die Kreuzigung, Steinigung und das Köpfen“ ablehnen. Dabei sei „gemäß dem islamischen Gesetz das Abhacken der Hände eines Diebes eine Pflicht.“ Der „Mob“ müsse kraft solcher Gesetze bestraft werden.

Tatsächlich wurde kürzlich im Iran wieder gesteinigt und zwei jungen Menschen wurden die Körperteile in Anwesenheit eines Arztes „amputiert“. Vergessen wir nicht: Dies gilt als göttliche Strafe in der „ Islamischen Republik Iran“. Wie amnesty international in einem neuen Bericht schreibt, werden bei der Steinigung Männer bis zur Hüfte und Frauen bis unter die Brust eingegraben. Dann werden sie öffentlich – also unter den Augen von Richter, Zeugen und Schaulustigen – solange mit Steinen beworfen, bis sie tot sind. Die Steine, die für diese Art der Hinrichtung gewählt werden, dürfen nicht zu groß und nicht zu klein sein. „Die Absicht ist klar: Der Tod durch Steinigung soll langsam und qualvoll eintreten,“ so Ruth Jüttner, ai-Expertin.

Folter?

Den Bahai gelte darüber hinaus die Strafe des Auspeitschens als „Folter“ und daher als „illegitim“. Sie würden von Menschenrechten sprechen, was nach Hojatoleslam Kossari inhaltlich hohl sei und dem Islam widerspreche. Die Bahai gefährdeten die „Keuschheit der islamischen Ummat.“

Solche Ansichten über den gegenwärtigen Iran erregt das Staunen, denn im islamischen Gottesstaat des Iran leben die meisten Prostituierten und Drogensüchtigen des Mittleren Ostens. Iranische Soziologen führen dies auf die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung der Menschen zurück, die hilflos und ohne Zukunft unter der Diktatur leiden.

Sklaverei?

Im Islam sei die Sklaverei durchaus erlaubt. In der Tat ist Sklaverei in der Bahai-Religion verboten.

Bewaffneter Kampf?

Die Bahai würden anders als im Islam den bewaffneten Kampf, die bewaffnete Revolution und den Terrorismus ablehnen. Dabei sei es im Islam erlaubt, „ungerechte Könige“ mit denselben Mitteln zu bekämpfen.

Ein Blick in das Strafgesetzbuch des Iran würde ausreichen, um zu bestätigen, dass Hojatoleslam Abdolkarim Kossari in der Tat von islamischen Strafen spricht, die in der iranischen Strafgesetzgebung seit 29 Jahren festgeschrieben sind. In der Tat ist der neue Totalitarismus der Herrschaft des politischen Islam in der Verfassung und Strafgesetzgebung des Iran verankert.

Keine Menschen?

Einem authentischen Bericht aus dem Iran zufolge haben sich Bahai-Schüler, die wegen ihres Glaubens von der Schule verwiesen worden sind, an das Majlessmitglied Herrn Kuchaksadeh gewandt, um eine Beschwerde vorzubringen, warum Kinder nur wegen ihres Glaubens von der Schule verwiesen würden. Kuchaksadeh erwiderte: Bahai würden „zwar wie Menschen aussehen, aber keine Menschen sein.“

Die Entmenschlichung der Bahai seitens iranischer Politiker ist in der Tat eine mehr als besorgniserregende Angelegenheit.

Der archimedische Punkt des politischen Friedens

Wenn der archimedische Punkt eines demokratischen politischen Friedens die universellen Menschenrechte sind, dann stehen Vorstellungen solcher muslimischer Staatskleriker einer totalitären Diktatur diesem Friedensprinzip diametral entgegen.

 

 

 

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