Kapitalistischer Kibbuz als Friedensrezept

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Jerusalem, 28. Januar 2008 – Steff Wertheimer scheut keine Kosten, seine Vorstellungen einer Friedenslösung für den Nahen Osten zu propagieren. Der selbsternannte „Friedenskämpfer“ redet mit Politikern in aller Welt und präsentiert seine Ideen vor dem amerikanischen Kongress. Auch nach Deutschland pflegt er beste Kontakte. Wertheimer verteilt Hochglanzprospekte und lädt Journalisten nach Tefen im Norden Israels ein. Er fliegt sie per Helikopter ein. Jetzt soll ihm die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen werden.
Seine fünf Industrieparks sind der Kern seiner Friedensidee und der Schlüssel zu seinem Erfolg als Geschäftsmann. Im Mai 2006 verkaufte Wertheimer 80 Prozent der Anteile seiner Metallfabrik Iscar für vier Milliarden Dollar an den amerikanischen Multimilliardär Warren Buffet. Es war die größte Investition in der Geschichte Israels. „Die Berliner Mauer fiel wegen des Marshall-Planes“, hebt Wertheimer an. Der Blick aus seinem Büro geht auf die grüne Hügellandschaft des biblischen Galiläa. „Wir brauchen auch für den Nahen Osten einen Marschallplan.“ Nicht im „schmutzigen Geld“ der Erdölvorkommen sieht Wertheimer die Erlösung, sondern in der Schaffung von Industrie, Arbeitsplätzen und Zukunftshoffnung für die Menschen. Mit vier Milliarden Dollar könne Jordanien saniert werden und mit 8 Milliarden könne die Türkei zu einer wirtschaftlichen Erfolgsstory gemacht werden.
„Die Ölgelder erreichen nur die Reichen. Sie werden missbraucht für Waffeneinkäufe und politische Abenteuer“, meint Wertheimer. Ölstaaten wie Saudi Arabien und Irak werden auf seinen bunten Grafiken als „arme Länder“ dargestellt, auf einer Stufe mit wirtschaftlich darbenden Staaten wie Jordanien, Ägypten, Iran und den palästinensischen Gebieten. Ein hoher Bevölkerungsanteil von Jugendlichen unter 14, sowie eine Arbeitslosenrate bei den Palästinensern, in Saudi Arabien und im Irak beweisen, wo die Gefahren liegen. „Wirtschaft ist eine Verteilung von Geld und Produktivität“, sagt er. Mit Exportindustrie könne Ländern des Nahen Ostens geholfen werden, bei denen kein Öl fließe.
Zum erfolgreichen Kunstgriff des Marshall-Planes in Europa sagt Wertheimer: „Entscheidend war, dass die Gelder nicht an die Regierungen geflossen sind.“ Profitiert hätten alle, die Menschen des durch Krieg zerstörten Deutschland, und die amerikanischen Geldgeber. Der Erfolg des Westens mit blühender Wirtschaft habe die politische Landschaft der Welt verändert.
Wertheimer, 1926 in Deutschland in dem Dorf Kippenheim geboren, ist 1936 mit seinen Eltern aus Nazideutschland nach Palästina geflohen. Wertheimers Vater hatte im ersten Weltkrieg bei der Schlacht vor Verdun ein Bein verloren. Er war wütend auf Hitler, weil sich dessen Politik der Judenverfolgungen gegen „gute Deutsche“ richtete.
Der junge Wertheimer diente in der „Palmach“, einem Vorläufer der israelischen Armee. Bei den Briten, vor der Gründung Israels, machte er seinen Pilotenschein in nur 20 Stunden. Seinen Erfolg als Geschäftsmann verdankt er dem französischen Präsidenten de Gaulle. Als Frankreich 1968 ein Waffenembargo gegen Israel verhängte, stellte Wertheimer die nun fehlenden Ersatzteile für Flugzeuge selber her. Er produziert Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro vor allem für den Export hergestellt, zehn Prozent der gesamten Industrieproduktion Israels.
Wertheimer präsentiert sein Konzept eines „kapitalistischen Kibbuz“, mit dem er die Türkei und Jordanien, später auch Libanon und die palästinensischen Gebiete auf „Erfolgskurs“ bringen will. 
Über einen gepflegten Rasen geht es in eine blitzsaubere Fabrikhalle. Ein führerloser Roboter mit gelben Blinklichtern kommt angefahren und stoppt artig vor den Besuchern. Damit es den gelben Maschinen nicht langweilig wird, wenn sie vollautomatisch Kohlenstoffe zu winzigen Fräseblättern pressen, abstauben, auf Paletten stapeln, in die Öfen schieben und verpacken, plärren aus einem Transistorradio auf dem Roboter die Nachrichten.
Moderne Skulpturen stehen vor den: „Industrien müssen umweltfreundlich und sauber sein, um sich bei uns ansiedeln zu können.“ Zwischen den Produktionshallen hat Wertheimer auch Museen angesiedelt, denn „Kunst ist für mich der Inbegriff der Kreativität. Bei einer erfolgreichen Industrie geht es vor Allem um Kreativität“. In einer Halle stehen alte Automobile. Wertheimer hat sogar das erste „Jekkes-Museum“ geschaffen: ein Museum der deutschen Juden. In Vitrinen liegen da Poesiealben neben Pokalen jüdischer Sportler in den dreißiger Jahren. An den Wänden hängen Portraits deutschjüdischer Nobelpreisträger und das berühmte Foto des Ehepaares Schlesinger, das in Berlin junge Soldaten hoch zu Ross auf dem Weg zur Front in den ersten Weltkrieg verabschiedet. Der Holocaust kommt in dieser Dokumentation einer vergangenen Hochkultur nur symbolisch vor: ein gelber „Judenstern“ mit der Aufschrift „Jude“.
Die Kantine für alle Mitarbeiter in Tefen gleicht einem besseren Restaurant mit Tischdecken und gefalteten Servietten. Salate stehen auf dem Tisch und zum Abschluss gibt es eine liebevoll gestaltete Schüssel mit frischem Obst: „Wir sind eben ein kapitalistischer Kibbuz und wollen so Frieden schaffen.“

Steff Wertheimer
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