Der Winograd Report

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Jerusalem, 30. Januar 2008 – Der endgültige Untersuchungsreport zum zweiten Libanonkrieg ist veröffentlicht. Richter Elijahu Winograd verlas am Mittwoch Abend nach 16 Monaten Untersuchungen, dem Verhör von 75 Zeugen, der Studie von 4000 Seiten Dokumenten eine Kurzfassung.
Die Worte Mängel, Scheitern, Schwäche und Versäumnisse wurden unzählige Male ausgesprochen, aber Premierminister Ehud Olmert allein trägt nicht die Verantwortung für das miserable Ergebnis des Krieges aus Sicht der israelischen Bevölkerung. Winograd zeigte auf, dass sich die israelische Armee nach jahrelanger Vernachlässigung in einem schlechten Zustand befand. Erst am 1. August, fast drei Wochen nach Ausbruch des „von uns selber initiierten Krieges entlang einer begrenzten Front“, waren die Truppen zu einer größeren Bodenoffensive bereit. Winograd bezeichnete das eine „strategische Schwäche“.
Zu Beginn des Krieges hatten die Politiker und Militärs nur die Alternative zwischen einem schnellen schmerzhaften Schlag gegen die Hisbollah, oder einer breit angelegten Invasion in den Libanon. Doch der Krieg zog sich in die Länge, ohne dass zwischen diesen beiden einzigen Möglichkeiten eine klare Entscheidung getroffen worden sei. Winograd kritisierte, dass „zu hohe Ziele gesteckt wurden, die nicht verwirklicht werden konnten“. 
Trotz aller Kritik am Zustand der Armee, den mangelhaften Entscheidungswegen und stümperhafter Ausführung von Weisungen und Befehlen auf allen Ebenen lobte Winograd die Erfolge, den Kampfgeist der Reservisten, heldenhaften Kampf und großartige Erfolge der Luftwaffe. „Aber es war ein Fehler, zu glauben, allein mit der Luftwaffe einen Sieg erringen zu können.“ Zu den politischen Erfolgen zählte Winograd die einstimmige Verabschiedung der UNO-Resolution 1701.
Entscheidend für die Zukunft von Premierminister Olmert waren Winograds Anmerkungen zu der in Israel scharf kritisierten Bodenoffensive in den letzten vier Tagen des Krieges. Die hatte besonders vielen Soldaten das Leben gekostet und wurde unter den Gegnern Olmerts als leichtfertiges Abenteuer zwecks persönlicher innenpolitischer Profilierung verurteilt. Dem entgegnete Winograd, dass die Entscheidung zu jener Bodenoffensive ein „fast zwingender Beschluss“ war, der Israel „politische Flexibilität“ brachte. „Der Beschluss war richtig, auch wenn seine Ausführung nicht alle gesetzten Ziele erreichte. Er war zwingend für die israelischen Interessen und befolgte keine privaten innenpolitischen Ziele“. Die Pflicht zur Korrektur liege vor allem beim Militär, aber auch bei den politischen Entscheidungswegen. Winograd behauptete, dass Israel in der Umgebung des (feindseligen) Nahen Ostens nur überleben könne, wenn auch die Bevölkerung an den Willen seiner Politiker und seiner Militärs glaube, die Gegner besiegen zu können.
Die Offenheit, mit der die Winograd-Kommission die Fehler und Versäumnisse darlege, zeuge von der Stärke Israels, so auch die Bereitschaft der Politiker und Militärs, sich durch eine derartige Untersuchung der offenen Kritik zu stellen. „Es war ein großes Versäumnis, dass der zweite Libanon-Krieg nicht mit einem Sieg endete.“

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