Israelische Ratlosigkeit zu Kosovo

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Jerusalem, 18. Februar 2008 – „Was die Unabhängigkeitserklärung von Kosovo angeht, so beobachtet Israel die Entwicklungen und wird zu gegebener Zeit seine Position formulieren.“ Die lakonische Ein-Satz-Reaktion des Sprechers des israelischen Außenministeriums wurde schriftlich an die Presse verbreitet.
Die Zeitung Haaretz zitierte die zypriotische Außenministerin: „Ein einseitiger Beschluss zur Unabhängigkeit Kosovos schafft einen gefährlichen Präzedenzfall.“ Die griechischen Zyprioten fürchten, dass die türkischen Zyprioten es dem Kosovo nachmachen könnten. Im Augenblick ist der Norden Zypern von der Türkei besetzt und ein separates, von der Weltgemeinschaft verschmähtes Gebilde. Auch Israel halte eine von Außen aufgezwungene Lösung politischer Probleme für eine Gefahr. Eines Tages könnten die Araber in Galiläa im Norden Israels die Unabhängigkeit und die Gründung eines separaten Staates fordern.
Der serbische Außenminister hatte in einem Gespräch mit Haaretz von Kosovo als dem „Jerusalem Serbiens“ gesprochen. Entsprechend müsse auch Israel befürchten, dass dem jüdischen Staat das nationale Herzstück Jerusalem zugunsten der Palästinenser weggenommen werden könnte. Die Zeitung befürchtet weiter, dass eine „Büchse der Pandora“ zu einer Kleinstaaterei im Balkan mit Folgen für Europa und der ganzen Welt geöffnet worden sei. Das Übergehen des Vetorechts der Russen im Sicherheitsrat der UNO könnte fatale Folgen für Israel haben, da Israel bei vielen anti-israelischen Beschlüssen in der UNO auf das amerikanische Veto angewiesen sei. Die Unabhängigkeit des Kosovo belohne zudem eine gewalttätige ethnische Minderheit und werde dem radikalen Islam Rückenwind geben.
Doch gebe es auch Gegenargumente. So sagte Haschem Tatschi am vergangenen Wochenende der israelischen Zeitung, dass Kosovo ein „weltlicher, demokratischer Staat mit gleichen Rechten für alle Bürger und Religionsfreiheit sein werde.“ Balkan-Experten sähen im Kosovo das Potential für einen gemäßigten islamischen Modellstaat, der sich problemlos nach Europa integrieren könne. Der Wunsch einer Eingliederung der Balkan-Staaten in die EU schließe das prophezeite Blutbad aus.
Das Umgehen der internationalen Gemeinschaft sei geradezu notwendig geworden, da weder die UNO noch andere internationale Institutionen fähig waren, akute Probleme der Welt in den Griff zu bekommen. Als Beispiele erwähnt die Zeitung Darfour und die atomare Aufrüstung des Iran. Auch der Vergleich mit Jerusalem sei unpassend. Während die Palästinenser Jerusalem für sich wollten, trachten die Albaner nicht nach Belgrad. In Jerusalem gebe es seit über hundert Jahren eine jüdische Mehrheit, während die christlich-orthodoxen Serben schon seit 300 Jahren im Kosovo in der Minderheit seien. Der Vergleich hinke auch, weil ein Teil der Juden in Jerusalem zu einem Kompromiss bereit seien, während die Serben einen ausschließlichen Anspruch auf den Kosovo stellten. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo sei nicht völlig einseitig geschehen, sondern mit dem Segen der USA und europäischer Staaten. Zudem sei an die Zustimmung der garantierte Schutz der serbischen Minderheit geknüpft worden.
Abschließend erwähnt die Zeitung auch noch das „moralische Element“. Serbien habe vier verlorene Kriege mit Massakern und einer Viertel-Million Toten geführt, um das Ziel eines „Groß-Serbien“ zu erlangen. Allein dadurch habe Serbien den muslimischen Albanern im Kosovo die Unabhängigkeit „geradezu auf einem Silbertablett geliefert“.
Israel sei politisch zerrissen, pflege enge Kontakte mit Belgrad und prüfe gerade einen Antrag für militärische Zusammenarbeit mit Kosovo. Israel will seine Verbündeten, die EU und USA nicht verärgern, aber auch nicht die Freundschaft mit den Serben verspielen. „Israel wird nicht der erste, aber auch nicht der letzte Staat sein, der Kosovo anerkennt.“

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