Eigentümer gesucht – Von Nazis aus Frankreich erbeutete Kunst

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Jerusalem, 19. Februar 2008 – Während auf den Zufahrtsstraßen zum Jerusalemer Israel-Museum ein Wintersturm die Straßenschilder abgerissen und auf Verkehrsinseln geschleudert hat, eröffnete die französische Kultusministerin im Jugend-Flügel eine Ausstellung zur stürmischen Vergangenheit Europas. „Eigentümer gesucht“  steht über dem Eingang zu den in tiefrotem Bordeaux angemalten Räumen, wo 53 Bilder von Cezanne, Matisse, Manet, Degas und anderen bekannten wie unbekannten europäischen Malern hängen. „Nicht ihr künstlerischer Wert bestimmte die Auswahl, sondern ihr Schicksal vor über 60 Jahren“, erklärte Museumsdirektor James Snyder über hundert Journalisten. 
Über 100.000 Kunstobjekte, von Spielzeug, über Möbel und silberne Ritulgeräte aus Synagogen bis hin zu Ölgemälden hatten die Nazis im besetzten Frankreich aus den Wohnungen deportierter Juden  beschlagnahmt und für den Abtransport ins Reich nach Paris gebracht. Nach dem Krieg fanden die Alliierten sie verpackt in einer Salzmine bei Alt Aussee in Österreich oder auf Schloss Neuschwanstein. Zeitweilig schmückten sie die Wände des repräsentativen Anwesens des Reichsmarschalls und Nationalsozialisten Hermann Göring in Carinhall in der Schorfheide zwischen Großdöllner See und Wuckersee in Brandenburg.
Nach dem Krieg konnten etwa 60.000 Objekte des „größten Kunstraubs der Geschichte“ wieder nach Frankreich repatriiert werden. Bis auf 2000 Gemälde und Kunstobjekte konnten sie ihren ursprünglichen Besitzern oder Erben erstattet werden. Manche Gemälde hatten einen Stempel der „Feldpolizei“ auf der Rückseite der Leinwand aufgedrückt bekommen. Auch die berühmte Banker-Familie der Rothschilds gehörte zu jenen, deren Kunstbesitz systematisch von den Nazis geplündert und beschlagnahmt worden war. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Adolf Hitler den Wunsch geäußert, seine Heimatstadt Linz in Österreich zur „Kunsthauptstadt des Dritten Reiches“ zu machen. Führende Kunstexperten waren aufgefordert, eine heimliche „Wunschliste“ arischer Kunst zusammenzustellen. Während des Krieges machte die Wehrmacht Kunstsammlungen vor allem im jüdischen Privatbesitz ausfindig.
Nach dem Krieg begann „in enger Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden“ die mühselige Suche nach den Besitzern. Lediglich 2000 Objekte blieben „verwaist“, wie die französische Kuratorin der Ausstellung, Isabelle le Masne de Chermont, bei ihrer Führung erklärte. Sie seien kommissarisch in den öffentlichen Besitz Frankreichs übergegangen und hängen im Louvre und anderen Museen. 53 Gemälde aus dieser Sammlung suchen jetzt bis zum 3. Juni ihre verschollenen Besitzer in Jerusalem. „Heute, nach sechzig Jahren, meldet sich kaum noch jemand. Falls aber jemand kommt, versuchen wir wohlwollend in gemeinsamer Forschungsarbeit herauszufinden, ob die Ansprüche berechtigt sind, ohne stichhaltige Dokumente zu fordern“, erzählte die Kuratorin über die bis heute andauernde Fahndungsarbeit im französischen Kultusministerium.
In einem weiteren Raum hängen Bilder von Lesser Ury, Sisley, Moritz Oppenheimer und anderen bedeutenden Malern. Die stammen aus den Arsenalen des Israel-Museums. „Nach dem Krieg hat Deutschland tausende geraubte Kunstwerke aus jüdischem Besitz dem Staat Israel zur Aufbewahrung übergeben“, erklärte Snyder. Auch diese „Verwaiste Kunst“ stehe zur Erstattung bereit. Die französische Kuratorin sagte: „Diese Ausstellung soll helfen, ein besonders dunkles Kapitel der Geschichte abzuschließen.“
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