DAS SO GENANNTE „MANIFEST DER „25“: Ein Briefwechsel zwischen Dov ben Meir, ehemaliger Vizepräsident der Knesset, und Autoren des „Manifest der 25″

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DAS SO GENANNTE „MANIFEST DER „25“…
und
ein Briefwechsel zwischen Dov ben Meir, ehemaliger Vizepräsident der Knesset, und Autoren des „Manifest der 25″
 
 
  • DAS „MANIFEST“:
    Freundschaft und Kritik – Warum die „besonderen Beziehungen“ zwischen Deutschland und Israel überdacht werden müssen. Das „Manifest der 25“
    In einem Interview in der ZEIT am 31. August 2006 sagte die israelische Außenministerin Zipi Liwni anlässlich ihres Berlin-Besuchs: „Aber die Beziehung (zwischen Deutschland und Israel) war immer eine besondere und freundschaftliche.“ Diese Besonderheit lässt sich auf der deutschen Seite nach unserer Wahrnehmung im Wesentlichen wie folgt charakterisieren: Deutschland hat sich angesichts der Ungeheuerlichkeit des Holocaust und der prekären Lage Israels uneingeschränkt für Existenz und Wohlergehen dieses Landes und seiner Bevölkerung einzusetzen, unter anderem durch Lieferung von staatlich geförderter hochwertiger Waffentechnologie auch dann, wenn Israel gegen internationales Recht und die Menschenrechte verstößt und sich im Kriegszustand befindet; Kritik an israelischen Handlungsweisen sollte, wenn überhaupt, nur äußerst verhalten geäußert werden und besser unterbleiben, solange die Existenz dieses Landes nicht definitiv gesichert ist….

  • Briefwechsel
    zwischen

    Dov Ben-Meir, ehemaliger Vizepräsident der Knesset,

    und Autoren des „Manifest der 25″

    Stand: August 2007

    I.
    Dov Ben-Meir
    Freundschaftliche Antwort an die 25 Politologen, die dazu aufrufen, die
    „besonderen Beziehungen“ zwischen Deutschland und Israel aufzukündigen
    und ihnen eine ausgewogene Basis zu verleihen.

    [Verfasst am 15. Dezember 2006, veröffentlicht am 16.1.2007 in der Frankfurter Rundschau

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich habe mit großem Interesse Ihr Manifest, das am 15.11.2006 in der Frankfurter
    Rundschau veröffentlicht wurde, gelesen und möchte Ihnen für die Offenheit und
    Aufrichtigkeit danken, mit der Sie Ihre Meinung zum Ausdruck gebracht haben.

    Denn nur Offenheit und Aufrichtigkeit können eine intellektuelle und offene
    Diskussion der Probleme, die Sie ansprechen, ermöglichen.

    Erlauben Sie mir bitte zunächst, einige in Ihrem Manifest erhaltene historische
    Ungenauigkeiten und Missverständnisse richtig zu stellen:

    1) Ihre Einstellung zum israelisch-palästinensischen Konflikt ist zu meinem Bedauern
    zu simplifiziert: Es ist richtig, dass der Holocaust Völker und Staaten davon
    überzeugte, im Jahre 1947 für die Errichtung eines jüdischen Staates zu stimmen.
    Aber sie votierten auch gleichzeitig für die Errichtung eines arabisch-palästinensischen
    Staates. Die Palästinenser lehnten das Angebot ab und entschieden,
    uns mit Hilfe der ausgerüsteten Armeen der fünf arabischen Nachbarländer ins
    Meer zu treiben. Nun stellen Sie sich bitte vor, welches Idyll zwischen uns und
    den Palästinensern herrschen könnte, hätten sie die Resolution so wie David
    Ben-Gurion akzeptiert?

    2) Das palästinensische Flüchtlingsproblem entstand hauptsächlich durch diesen
    Krieg. Anstatt die Flüchtlinge in den arabischen Ländern aufzunehmen oder ihnen
    einen Staat in der Westbank bzw. im Gazastreifen (beide Gebiete waren 19
    Jahre!! unter jordanischer bzw. ägyptischer Herrschaft) zu errichten, wählte man,
    sie in Lager zu zwängen, um sie als politische Waffe gegen Israel zu benutzen
    und sie dort auf den kommenden militärischen Angriff auf Israel warten zu lassen.

    3) Hieraus folgt, dass die anhaltend schwere Lage der Palästinenser nicht alleine
    aus dem Holocaust und der Einwanderung der jüdischen Flüchtlinge aus
    Deutschland nach Palästina resultiert. Schließlich hat Westdeutschland nach dem
    Krieg ca. 15 Millionen deutsche Flüchtlinge, die aus Polen und dem Sudetenland
    vertrieben worden waren, aufgenommen. Bestand eine solche Verpflichtung nicht

    auch für arabische Staaten, die in Petrdollars schwammen und diese in europäischen
    Spielkasinos verschwendeten?

    4) Obgleich Israel schon fast 60 Jahre existiert und als regionale Supermacht gilt
    und obwohl die palästinensische Bevölkerung andererseits keine Möglichkeit hat,
    Israel militärisch zu besiegen, ist die Mehrheit der Palästinenser heute genausowenig
    wie vor 58 Jahren bereit, das Existenzrecht Israels im Nahen Osten anzuerkennen.
    Dies ist nicht nur der Standpunkt der Hamas, sondern jedes
    überzeugten Muslims, der in der Existenz Israels eine Beleidigung und eine
    Verletzung der heiligen Kontinuität des dem arabischen Volk gehörenden Bodens
    sieht.

    5) Arafat wurde anlässlich seines Besuches in der Moschee von Johannisburg im
    Jahre 1994 gefragt (nach der Unterzeichnung der Osloer Abkommen), warum er
    die erklärte Haltung der muslimischen Welt, das Verbot, mit Israel Frieden zu
    schließen, verraten hat (diese Frage wurde ihm gestellt, weil sich die arabischen
    Staaten basierend auf dieser Ablehnung nach 1967 weigerten, ein Abkommen mit
    Israel zu unterzeichnen und sich für die berühmten drei Neins entschieden?) Er
    antwortete (wir besitzen Aufzeichnungen seiner Rede), dass er nur das tat, was
    der Prophet Mohammed vor ihm tat. Wie bekannt ist, schloss Mohammed mit den
    Einwohnern Mekkas vom Stamm der Kureisch einen 10jährigen Frieden, den er
    nach 3 Jahren, als er sich stark genug fühlte, brach. Alle Einwohner der Stadt
    wurden mit dem Schwert ermordet.

    Arafat fügte auch hinzu, dass es die Pflicht jedes Muslims sei, Kompromisse
    einzugehen, wenn er schwach sei, dass er aber sein endgültiges Ziel nicht
    aufgeben dürfe, wenn der Tag der Rache käme.

    6) Und deshalb sehr geehrte Damen und Herren: Wir fürchten uns! Wir fürchten uns
    sehr! Vor dem Hass, der nicht abgebaut werden kann (ich werde an dieser Stelle
    nicht auf Dutzende von Versuchen eingehen, die wir unternahmen, um Frieden zu
    schließen und zurückgewiesen wurden); vor den Terror-Organisationen mit Al
    Qaida an ihrer Spitze; vor der im Iran tickenden Zeitbombe, auf die einzugehen,
    Sie nicht bereit sind und vor dem iranischen Präsidenten, der erklärt, dass er die
    Absicht hegt, ein Land, das UN-Mitglied ist, zu zerstören. Und Sie schweigen alle.

    Und wir fürchten uns, dass der islamische Fundamentalismus in Pakistan
    erstarken und Extremisten den Zugriff auf vorhandene Atomwaffen ermöglichen
    wird.

    7) Und vor allem fühlen wir uns wieder isoliert, weil wir aus Erfahrung gelernt haben
    und wissen, dass die europäische „Objektivität“ höchstens Protestentscheidungen
    in den Parlamenten sowie Protestschreiben, die das Papier nicht wert sind, auf
    dem sie geschrieben werden, erzeugen wird.

    Wahrlich meine gelehrten Freunde, das Problem hat nicht mit Hitler angefangen!
    Nicht er hat den deutschen Juden befohlen, den Judenstern zu tragen, ihm sind
    andere Deutsche zweihundert Jahre zuvorgekommen! Und nicht er war es, der
    Moses Mendelssohn anlässlich seines ersten Besuches in Berlin dazu zwang, die
    Stadt durch das Viehtor zu betreten… und nicht Hitler war es, sondern der
    Komponist Wagner, der bereits im Jahr 1848 eine Schmähschrift über die Juden
    in der Musik schrieb.

    Und so fürchten wir uns sehr vor dem neuen Erwachen des Antisemitismus,
    dessen Glut bereits heute unter den Füßen der Juden in vielen europäischen
    Ländern und insbesondere in Deutschland zu spüren ist. Vergessen Sie nicht,

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    dass hier die Rede von einem bösartigen Kriegs[Krebs]geschwür ist, das sich
    schon viele Jahrhunderte in das Fleisch Deutschlands frisst, das wiederkehren
    und sich so ausbreiten kann, dass es Ihre demokratische Existenz ein weiteres
    Mal bedroht.

    8) Und was noch viel beunruhigender ist, ist die Tatsache, dass Sie als
    Ausgangspunkt Ihres Manifestes Deutschland wie ein demokratisches und
    erleuchtetes Land behandeln, dessen ganze antisemitische Vergangenheit (noch
    vor dem Holocaust) eigentlich nicht existierte; als ob die geleisteten Entschädigungszahlungen
    und die exklusive Auseinandersetzung mit der Holocaust-
    Epoche und nicht mit der chronischen Krankheit, die sich unter vielen in der
    deutschen Öffentlichkeit einnistet, Deutschland heute von der Verpflichtung
    befreien würden, besondere Beziehungen mit dem jüdischen Staat zu unterhalten.
    Und deshalb ist Ihrer Meinung nach der Zeitpunkt gekommen, eine objektive
    Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt einzunehmen.

    Jedoch, sehr geehrte Damen und Herren, fehlt die zweite Seite der Gleichung

    unserer gegenseitigen Beziehungen: Ich meine hiermit, dass das jüdische Volk
    Deutschland die Rückkehr in die Völkergemeinschaft ermöglichte (Deutschland
    wurde bis zu jenem Zeitpunkt als leprös angesehen), indem es bereit war, nur acht
    Jahre nach dem Holocaust, einen Versöhnungsvertrag mit Ihnen zu
    unterzeichnen, geistige Größe bewies sowie die Fähigkeit zeigte, die Wunden der
    Vergangenheit zu überwinden. (Der jüdische Boykott Spaniens infolge der
    Judenvertreibung im Jahre 1492 dauerte fast 500 Jahre!)

    Deshalb ist die Unterstützung, die Sie uns gewähren, nicht nur ein Tribut
    finanzieller Entschädigungszahlungen und politischer Unterstützung! Dies ist Ihre
    innere Schutzformel, dass Sie weiterhin ein demokratischer Staat bleiben können
    und dass Sie mit dem inneren negativen Phänomen, das sich zu unserem
    Bedauern noch immer in Ihren politischen Gruppen einnistet, fertig werden
    können.

    Es war David Ben-Gurion, der uns auftrug, die besondere Beziehung mit dem
    deutschen Volk zu schützen, um Ihnen zu helfen, ein „anderes Deutschland“
    aufzubauen, ein demokratisches, erleuchtetes und tolerantes. So lange die
    besonderen Beziehungen zwischen den beiden Staaten bestehen, ist die
    demokratische Staatsform in Ihrem Land garantiert. All dies steht keinerlei
    Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt!

    Es gibt in Ihrem Manifest auch eine unglückliche Äußerung: Der Versuch,
    jüdische Wissenschaftler und Philosophen, die seinerzeit auf beschämende
    Weise von ihren Professorenfreunden aus deutschen Universitäten und
    wissenschaftlichen Institutionen verwiesen und zu Flüchtlingen wurden, zu
    rekrutieren. Sie wollten nicht gehen, sie strebten danach, weiterhin jüdische
    Deutsche zu sein, die friedlich in ihrem Land sitzen, sie attackierten Deutschland
    nicht und drohten nicht, es zu zerstören, wie es die Palästinenser mit Israel taten

    – und Sie führen diese Wissenschaftler und Philosophen an, ausgerechnet diese,
    um die palästinensische Seite zu rechtfertigen. Diese Einstellung beinhaltet mehr
    als eine Spur von Zynismus…
    9) Zum Schluss gestatten Sie mir bitte, einige faktische Fehler zu korrigieren, die
    Ihnen in Ihrem Manifest unterlaufen sind:

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    a) Der jüdisch-palästinensische Konflikt im Eretz-Israel (Land Israel) wurde nicht
    durch die Immigration deutscher Juden in das Land Israel ausgelöst. Dutzende
    von Juden wurden bereits viele Jahre vorher von Palästinensern umgebracht:

    Schon im Jahre 1886 überfielen die arabischen Nachbarn Petah Tikva, die erste
    Siedlung, die im Land Israel von Juden in der Nähe von Jerusalem gegründet
    worden war, um sie zu vernichten.

    Im Jahre 1920 wurden die jüdischen Siedlungen im Norden des Landes und in
    Jerusalem angegriffen.

    Im Jahre 1921 wurden Tel Aviv, Jaffa und die an der Küste gelegenen jüdischen
    Siedlungen im Zentrum des Landes angegriffen.

    Im Jahre 1929 überfielen die Einwohner Hebrons ihre jüdischen Nachbarn, mit
    denen sie viele hunderte von Jahren zusammengelebt hatten, vergewaltigten und
    schlachteten (genauso!) fast hundert von ihnen.

    b) Der Führer der Araber im Land Israel, Hadsch Amin al-Husseini, der in den
    Jahren 1936-1939 die blutigen Zusammenstöße von Juden und Arabern im Land
    Israel organisiert hatte und von den Briten ausgewiesen wurde, kam später nach
    Berlin und volontierte bei der Rekrutierung muslimischer Truppen zur Unterstützung
    der Nazi-Armee, nachdem sich Hitler verpflichtet hatte, die jüdische
    Ansiedlung im Land Israel zu vernichten. Somit ist es nicht die Immigration von
    etwa 120.000 deutschen Juden ins Land Israel (übrigens befanden sich bereits
    Mitte der Dreißiger Jahre 330.000 Juden im Lande, die Einwanderung aus
    Deutschland erhöhte ihre Zahl auf 450.000), die den palästinensischen
    Widerstand gegen eine jüdische Präsenz im Land Israel auslöste.

    Zusammenfassung

    Deutschland muss und kann sich nicht seinen besonderen Beziehungen mit dem
    jüdischen Staat entziehen und zwar aus allgemein moralischen als auch aus
    subjektiv egoistischen Gründen der deutschen Gesellschaft, die dafür Sorge tragen
    muss, dass sie nicht von neuem in antisemitische Abgründe rollt. Und dies trotz der
    Versuche der Muslime, Deutschland die Schuld für die Errichtung des Staates Israel
    zuzuweisen. Andererseits sollten die von mir oben angeführten Fakten, Deutschland
    nicht von seinen Bemühungen abhalten, bei der Schlichtung des Konfliktes zu helfen;
    im Gegenteil: Israel wird eine solche Beteiligung begrüßen, in der Hoffnung, dass sie
    wirklich helfen wird. Wem es gelingen sollte, die Hamas, die Hizbullah, Al-Qaida, die
    muslimischen Brüder und die Iraner davon zu überzeugen, die Existenz des
    jüdischen Staates im Nahen Osten zu akzeptieren, der hat sich ein ruhmvolles Blatt
    in der Weltgeschichte verdient.

    Hochachtungsvoll

    Dov Ben-Meir
    Vizepräsident der Knesset (a.D.)

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    II.
    AutorInnen des „Manifests der 25″
    Antwort an Dov Ben-Meir (30.3.2007)

    Sehr geehrter Herr Ben-Meir,

    wir haben Ihre ausführliche und freundschaftliche Antwort auf unsere Überlegungen
    zu den deutsch-israelischen Beziehungen mit Respekt und großem Interesse zur
    Kenntnis genommen, und wir bitten um Entschuldigung, dass wir Sie mit unserer
    Antwort so lange haben warten lassen.

    Wir wissen uns mit Ihnen einig darin, dass „nur Offenheit und Aufrichtigkeit (…) eine
    intellektuelle und offene Diskussion der Probleme (…) ermöglichen.“ Dieser Grundkonsens
    ist uns sehr wichtig und wiegt in unserer Sicht mehr als so manche
    Differenz, auf die wir im Folgenden eingehen. Das gleiche gilt für die Freundlichkeit,
    mit der Sie uns entgegentreten.

    Über die „historischen Missverständnisse“, die Sie anführen, lassen wir uns gern
    aufklären. Manches war uns in der Tat nicht klar. In manchen Punkten können wir
    allerdings Ihre Bewertung nicht teilen. Wir folgen Ihrer Gliederung und beantworten
    Ihre Punkte der Reihe nach:

    Ad 1: Ja, Sie haben recht, hätten die Palästinenser und die angrenzenden
    arabischen Staaten bereits im November 1947 den Teilungsplan der UN akzeptiert,
    wäre Israel, Palästina und der ganzen Region viel Blutvergießen und Leid erspart
    geblieben. Wir wünschten, es wäre so gewesen. Aber wenn wir uns in die Lage der
    Palästinenser und der Araber insgesamt hineinversetzen, können wir verstehen,
    wenn auch, da für uns UN-Resolutionen verbindlich sind, nicht billigen, dass sie sich
    der Empfehlung der UN-Generalversammlung damals widersetzt haben. 55 % des
    Landes – so unsere Information, korrigieren Sie uns bitte, wenn sie nicht zutreffen
    sollte – an ein Drittel der Gesamtbevölkerung, die ansässigen und eingewanderten
    Juden, abzutreten, die weniger als 6% des gesamten Boden Palästinas besaßen –
    konnte man erwarten, dass eine solche Entscheidung einfach hingenommen wird?.
    Und dies angesichts der Tatsache, dass die israelische Führung eigentlich das
    ganze Land Palästina westlich des Jordans beanspruchte. (Jedenfalls hatte Ben
    Gurion das 1942 und früher erklärt. Es ist naheliegend, dass die arabische Seite
    fürchtete, dass es mit der Teilung nicht sein Bewenden haben werde. Oder gab es im
    Herbst 1947 israelische Zusicherungen, die geeignet waren, diese Befürchtung zu
    zerstreuen?)
    Historisch nicht zur Gänze zutreffend ist unseres Wissens Ihr Satz „Die Palästinenser
    lehnten das Angebot ab und entschieden, uns mit Hilfe der ausgerüsteten Armeen
    der fünf arabischen Nachbarländer ins Meer zu treiben.“ König Abdullah von
    Jordanien hatte doch in geheimen Verhandlungen mit der israelischen Seite
    geäußert, nur die Herrschaft über den arabisch besiedelten Teil Palästinas zu wollen

    – und er hat sich im Krieg entsprechend verhalten.1
    Ad 2: Sie schreiben: „Das palästinensische Flüchtlingsproblem entstand durch
    diesen Krieg [von 1948].“ Dieser Satz stimmt dem „Großen Ploetz“, einer allgemein
    anerkannten Enzyklopädie, zufolge nur teilweise. Er klammert aus, dass der Angriff

     Wir stützen uns bei dieser Einschätzung auf: Avi Shlaim, Collusion Across the Jordan. King Abdullah, the
    Zionist Movement and the Partition of Palestine, 1988.

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    jüdischer Untergrundgruppen auf das arabische Dorf Deir Jasin bereits im April 1948,
    also Wochen vor dem Angriff der arabischen Staaten am 15. Mai, eine Massenflucht
    auslöste, und dass viele Palästinenser wie u.a. Ihre Landsleute Benny Morris und
    Ilan Pappé nachgewiesen haben, nicht freiwillig geflohen sind, sondern vertrieben
    wurden.2 Auch scheint es eine bewusste Entscheidung der jungen israelischen
    Regierung gewesen zu sein, nach Kriegsende die Flüchtlinge und Vertriebenen nicht
    wieder ins Land zu lassen. Und wenn von den Arabern die Akzeptanz der Teilungsempfehlung
    der UN-Generalversammlung vom 29.11.1947 zu verlangen war, dann
    auch von der israelischen Regierung die Realisierung der jährlich bekräftigten, von
    Israel beim UN-Beitritt 1949 akzeptierten Resolution 194 vom 11. Dezember 1948,
    die das Rückkehrrecht aller Flüchtlinge und Vertriebenen der Region, gleich welcher
    Nationalität und welchen Glaubens, fordert.

    Wir möchten aber noch einmal bekräftigen, dass gegenseitige Unrechtsaufrechnungen
    die Situation nicht verbessern können. Selbstverständlich können Sie den
    Hinweis auf Deir Jasin (oder auf die jüdischen Angriffe auf Einrichtungen der widerstrebenden
    britischen Mandatsmacht) mit einem vorangehenden Angriff arabischer
    Widerstandskämpfer beantworten, und vice versa zurück bis ins 19. Jahrhundert.
    Eine tragfähige, zukunftsorientierte Lösung kann nur auf anderem Wege gefunden
    werden.

    Ad 3: Wir stimmen mit Ihnen überein, dass das Flüchtlingselend der Palästinenser
    nicht allein aus dem Holocaust resultiert. Unsere Absicht war auch nicht
    historiographischer Art, das hätte ein ganz anderes Text-Format erfordert; vielmehr
    wollten wir einen Kernpunkt ansprechen, der im öffentlichen Diskurs und im Selbstverständnis
    der Deutschen unserer Meinung nach unterbelichtet ist: das von Ihnen
    unter 1) anerkannte Faktum, dass es letztlich auch der Holocaust war, der „Völker
    und Staaten davon überzeugte, im Jahr 1947 für die Errichtung eines jüdischen
    Staates zu stimmen“, auch wenn es unter dem Mantel dieses Konsenses weniger
    rühmliche Nebenmotive gegeben haben könnte.
    Die Integration der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem heutigen Polen
    und Tschechien nach 1945 in Westdeutschland hatte grundlegend andere Voraussetzungen
    als die Situation der arabischen Flüchtlinge und Vertriebenen: Deutschland
    hatte erstens unzweifelhaft einen Angriffskrieg geführt, der rund 20 Millionen
    Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion das Leben kostete und große Teile
    russischen Territoriums verwüstete. Dieser bedrückenden Tatsache konnte sich nach
    1945 niemand entziehen. Eine der Folgen war die sog. Westverschiebung der
    polnischen und deutschen Bevölkerung, Vertreibung und Umsiedlung mehrerer
    Millionen Menschen. Sie wurde in Polen, aber auch in Deutschland als Folge der
    deutschen Verbrechen begriffen, zumindest von der großen Mehrheit der Politiker. In
    Palästina dagegen kam der primäre Angriff auf die seit Jahrhunderten bestehenden
    Siedlungsverhältnisse aus der Sicht der Araber von den Juden, die auf arabischem
    Territorium einen eigenen Staat für sich beanspruchten. Auch dann, wenn man
    diesen Vorgang nicht als Angriff auf das damals noch junge arabische Nationalbewusstsein
    wertet, sind die Handlungen während des Teilungskrieges in keiner
    Weise mit dem vergleichbar, was sich Deutschland in Polen und Russland hat zu
    Schulden kommen lassen, selbst wenn man vom Genozid an den Juden sowie an
    den Sinti und Roma für einen Moment absehen würde (Strategie der verbrannten
    Erde, Verhungern lassen von Hunderttausenden sowjetischer Gefangener, Terror

    2 Ilan Pappé spricht sogar von planmäßigen ethnischen Säuberungen: Ilan Pappé, The Ethnic Cleansing of
    Palestine, 2006.

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    herrschaft in Polen, Zwangsarbeit, extrem brutale Niederschlagung des Warschauer
    Aufstands von 1944 usw.) Es gab im Unterschied zur Situationen in Palästina nach
    1948 einfach kaum eine moralische oder gar politische Basis dafür, den ostdeutschen
    Flüchtlingen eine Rückkehr in ihre Heimat selbst in ferner Zukunft in
    Aussicht zu stellen.

    Zeitgeschichtliche Dokumente zur Beurteilung der Lage der deutschen Flüchtlinge in
    den ersten Jahren nach Kriegsende zeigen übrigens, dass die Bereitschaft der
    westdeutschen Bevölkerung, Flüchtlinge und Vertriebene zu integrieren, sehr niedrig
    war. Sie wurden in einigen Regionen ähnlich betrachtet und mit vergleichbaren
    Etiketten belegt wie heute teilweise die in Deutschland lebenden Migranten und von
    mindestens 15 % der deutschen Bevölkerung noch immer (es ist eine Schande!) die
    Juden. Aber wahrscheinlich wäre es möglich gewesen, mit stärkerer arabischer Hilfe
    das Los der palästinensischen Flüchtlinge in den Lagern zu lindern. Es nicht zu tun,
    war zweifellos ein bewusster politischer Akt auf Kosten unschuldiger Menschen, den
    wir so wenig billigen möchten wie Sie. Bei dieser Bewertung ist allerdings zu
    berücksichtigen, dass wiederum laut Ploetz, um eine allgemein anerkannte Quelle zu
    zitieren, im Jahre 1978 von insgesamt 1,75 Mio zu diesem Zeitpunkt registrierten
    Flüchtlingen immerhin 880.000, also gut die Hälfte, in das Wirtschaftsleben der
    arabischen Länder voll integriert waren – angesichts der im Gegensatz zu Deutschland
    schwachen Industrialisierung dieser Länder eine Leistung, die Anerkennung
    verdient.

    Ad 4: Das „Existenzrecht Israels“ wurde unseres Wissens auf saudische Initiative
    hin unter der Bedingung, dass Israel sich auf die Grenzen von 1967 beschränkt, von
    den Staaten der Arabischen Liga im Jahre 2002 ausdrücklich anerkannt. Die
    völkerrechtliche Anerkennung Israels in diesen Grenzen durch die große Mehrheit
    der Staatengemeinschaft steht ohnehin nicht zur Debatte. Die Freundschaft, von der
    wir in unserem Text sprechen, setzt diese Anerkennung selbstverständlich voraus.
    Dass die Hamas, die zu einer solchen Anerkennung bisher leider nicht bereit war, bei
    den letzten Wahlen in Palästina die Mehrheit bekam, hat unseres Wissens viele,
    sehr heterogene Gründe, unter anderem den durch Korruption gekennzeichneten
    Umgang mit den Staatseinnahmen des Autonomiegebietes. Es wäre daher unangemessen,
    die Wahl als Volksabstimmung über Anerkennung oder Nicht-Anerkennung
    Israels zu werten. Vor einer solchen Volksabstimmung wäre unseres Erachtens
    dafür zu sorgen, dass die explizite Anerkennung Israels erkennbare Vorteile für die
    Bewältigung des täglichen Lebens in Palästina und die Zukunft eines lebensfähigen
    palästinensischen Staates bietet. Wir sind nach allen uns zugänglichen Quellen
    davon überzeugt, dass unter diesen Bedingungen eine deutliche Mehrheit sich für
    eine Anerkennung Israels aussprechen könnte, und zwar unabhängig davon, wie die
    Hamas sich dann positioniert. Wir würden eine solche, unter internationaler Aufsicht
    durchgeführte Volksabstimmung (der eine entsprechende Volksabstimmung in Israel
    über die Anerkennung eines palästinensischen Staates folgen oder noch besser
    vorangehen könnte) unter im einzelnen auszuhandelnden Voraussetzungen befürworten
    und deutsche Unterstützung dafür anmahnen.

    Einzelne auf Gewalt setzende Gruppen würden sicher auf beiden Seiten versuchen,
    eine solche Abstimmung zu sabotieren und ihr Ergebnis missachten. Dennoch wäre
    den Gewaltstrategien damit die entscheidende Legitimation entzogen, ein wesentlicher
    Schritt! Auf die Dauer wird auch die Hamas, will sie ihre Stellung in der
    palästinensischen Gesellschaft wahren, Israel in diesen Grenzen, und wenn es
    seinerseits die Besatzung beendet und die Hoheitsrechte Palästinas respektiert,

    7

    anerkennen müssen. (Der Nordirlandkrieg oder der salvadorianische Bürgerkrieg
    sind Beispiele dafür, dass auch äußerst militante Gruppen sich irgendwann der
    Friedenssehnsucht der Bevölkerung beugen.) Signale in diese Richtung gab es ja
    schon. So wurde von der Hamas bzw. ihrem Chefberater Ismael Hanija Ahmed
    Yousef laut New York Times vom 1. 11. 2006 eine „hudna“ ins Spiel gebracht, ein
    Vorschlag zu einem umfassenden Waffenstillstand, der „die Parteien [verpflichtet],
    während dieser Zeit (etwa 10-Jahre) nach einer dauerhaften, gewaltlosen Lösung
    ihrer Differenzen zu suchen.“

    Sie schreiben: „Obgleich Israel schon fast 60 Jahre existiert und als regionale
    Supermacht gilt und obwohl die palästinensische Bevölkerung andererseits keine
    Möglichkeit hat, Israel militärisch zu besiegen, ist die Mehrheit der Palästinenser
    heute genauso wenig wie vor 58 Jahren bereit, das Existenzrecht Israels im Nahen
    Osten anzuerkennen.“ Ein Grund für die Veröffentlichung unserer Überlegungen ist
    genau dieses: Alle auf primär militärische Macht gestützte Sicherheit steht auf
    tönernen Füssen, in der Moderne noch mehr als in früheren Jahrhunderten, das
    ergibt sich jedenfalls aus den Befunden der Friedens- und Konfliktforschung. Letztlich
    werden andere, nicht-militärische Faktoren über Israels Zukunft entscheiden,
    unter anderem die Bereitschaft Israels, im Falle einer friedlichen Lösung dem dann
    existierenden Staat Palästina wirtschaftliche und technologische Hilfe zu leisten.

    Ad 5: Viele von uns kannten Arafats Rede in Johannesburg von 1994 nicht. Seine
    Doppelzüngigkeit ist abscheulich. Aber sie ist zugleich nicht so außergewöhnlich,
    wenn wir an die europäische Geschichte denken, ist also keineswegs aus einem
    angenommenen arabischen Nationalcharakter oder muslimischer Tradition erklärbar.
    Friedensschlüsse sind nur allzu oft Kompromisse, die zähneknirschend eingegangen
    werden in der Hoffnung auf spätere Revision unter günstigeren politischen
    Umständen. Es kommt wesentlich darauf an, ob a) auf den Friedensschluss eine für
    die Bevölkerung positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie internationale
    Anerkennung folgt, die die Revisionsträume verblassen lässt. Der „Tag der Rache“
    wird dann der St. Nimmerleinstag, und der Rest wird hohle Rhetorik zur Beruhigung
    der immer vorhandenen widerstrebenden Geister in den eigenen Reihen. Allerdings
    muss b) eine aktive Begegnungs- und Versöhnungsarbeit hinzukommen, so die
    deutsche Erfahrung insbesondere mit Frankreich, Polen und Tschechien. Wir haben
    seinerzeit mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die israelische Gewerkschaft ha‘
    Histadrut zwischen 1994 und 2000, bis zur zweiten Intifada, mit staatlicher Unterstützung
    zahlreiche Begegnungen zwischen israelischen und palästinensischen
    Jugendlichen organisiert hat, und einige von uns haben sie in der Endphase dabei
    unterstützt. Hier wäre wieder anzuknüpfen.

    Ad 6: Ihr Bekenntnis „Wir fürchten uns! Wir fürchten uns sehr“ ist der Satz Ihrer
    Antwort, der uns am meisten berührt und erreicht hat. Wir glauben Ihnen und
    nehmen Anteil daran! Es muss furchtbar sein, unter solchen Umständen leben zu
    müssen – und das nach der Erfahrung des Holocaust. Sie wird, daran haben wir
    keinen Zweifel, mit jeder auf Israel abgeschossenen Rakete und mit jedem Attentat
    wieder aufgerufen – unvermeidbar und schrecklich. Israel (und Palästina nicht
    weniger) braucht alltägliche Sicherheit, soweit diese unter modernen Bedingungen
    überhaupt erreichbar ist. Darin haben wir Konsens. Es ist uns ein großes Anliegen,
    dass die relative Sicherheit, die wir in Europa derzeit genießen (die Massaker von
    London und Madrid haben uns gezeigt, wie relativ sie ist), auch im Nahen Osten
    einkehrt.

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    Mit großer Besorgnis sehen wir jedoch, dass die Reise derzeit in die entgegengesetzte
    Richtung zu gehen scheint, wenn wir die Informationen, die aus Tel Aviv,
    Teheran, Washington und London zu uns dringen, richtig deuten. Wir haben in
    unserem Manifest deshalb nicht zum Iran Stellung genommen, weil wir den Text auf
    den Kernpunkt der Beziehung zwischen Deutschland und Israel sowie Palästina
    beschränken und nicht auf die gesamte Nahostproblematik ausweiten wollten. Keine
    Frage, dass die Rhetorik der iranischen Mullahs seit den 60er Jahren bedrohlich und
    zu verurteilen ist. Wir haben großes Verständnis dafür, dass Israel darauf empfindlich
    reagiert. Allerdings sind wir überzeugt, dass ein Militärschlag gegen Iran der falsche
    Weg wäre, dieser potentiellen Bedrohung zu begegnen. Er wird die Sicherheitslage –
    nicht nur im Nahen Osten – noch einmal und noch dramatischer verschlechtern als
    der sog. Präventivkrieg gegen und in Irak. Und er wird nach allgemeiner Einschätzung
    die Fähigkeit des Iran, Atomwaffen zu produzieren, nur um wenige Jahre
    verzögern, stattdessen aber das längst überfällige Mullah-Regime über Jahre hinaus
    festigen. Aus unserer Sicht wäre es erfolgversprechender, gegenüber dem Iran eine
    ähnliche Strategie zu fahren wie seinerzeit gegenüber Libyen, dessen „Revolutionsführer“
    Ghaddafi ebenfalls den Mund sehr voll genommen hatte. Heute kooperiert
    dieser Staat mit dem Westen, und niemand wird mehr behaupten, dass eine akute
    Bedrohung von ihm ausginge. (Wir verweisen dazu auf eine Studie von Harald
    Müller, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/Frankfurt/a.M., die zeigt,
    dass es gerade nicht militärischer Druck war, der zu diesem Ergebnis führte.3)

    Aus eben diesem Grunde sind wir in unserem Text auch nicht auf die Rolle Syriens
    und die Problematik der Golanhöhen eingegangen. Wir glauben jedoch Anzeichen
    dafür zu sehen, dass Syrien an einer Friedensvereinbarung mit Israel, so wie sie mit
    Ägypten und Jordanien vollzogen wurde, höchst interessiert ist, vielleicht auch um
    sich dem iranischen Einfluss entziehen zu können. Je länger die israelisch-palästinensische
    Konfrontation andauert, um so größer wird die Gefahr, dass die islamistisch-
    fundamentalistischen Kräfte in diesen Ländern an Einfluss gewinnen und die
    Konfliktlage noch brisanter machen. Deshalb bedauern wir, dass die ersten Vereinbarungen
    auf nachgeordneter Ebene, über die vor einiger Zeit in der Presse berichtet
    wurde, bisher von der israelischen Regierung nicht aufgegriffen wurden. Allein auf
    die amerikanische Unterstützung zu setzen, halten wir für einen Fehler. Es könnte
    der Tag kommen, an dem die weltweite und die inneramerikanische Entwicklung die
    USA dazu veranlassen, ihre derzeit bedingungslos erscheinende Unterstützung
    Israels wieder zu relativieren.

    Die al-Qaida ist unseres Wissens bisher im Nahen Osten, außer im Irak, und dies
    erst nach Intervention der USA und ihrer Verbündeten, nicht in nennenswertem
    Umfang aktiv geworden. Der drohende Zugriff der islamistischen Kräfte Pakistans auf
    die pakistanischen Atomwaffen ist wahrscheinlich nicht durch eine Politik zu stoppen,
    die in der muslimischen Welt als islamfeindlich wahrgenommen wird, im Gegenteil.
    Generell wäre eine atomwaffenfreie Zone, verbunden mit einer ständigen Konferenz
    für Sicherheit und Zusammenarbeit nach dem Vorbild der KSZE, die den gesamten
    Nahen und Mittleren Osten umfasst, aus unserer Sicht die beste Lösung dieser
    Probleme. Sie müsste natürlich auch Israel einschließen.

    Ad 7: Ihr Misstrauen gegen Europa ist angesichts der über Jahrhunderte andauernden
    europäischen Judenverfolgungen und Antisemitismus nur allzu ver

    3 Harald Müller, Libyens Selbstentwaffnung. Ein Modellfall?, HSFK Report 6/2006, Hessische Stiftung
    Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt/a.M., http//www.hsfk.de

    9

    ständlich. Wir haben in unserem Text ja explizit, wenn auch nur kurz, auf diese
    Vorgeschichte des Holocaust verwiesen, die auf keinen Fall ausgeklammert werden
    darf. Und wir bedauern sehr, wie unsere Vorfahren hervorragende Lehrer der
    Gleichberechtigung, Toleranz und Weltoffenheit wie Moses Mendelssohn gedemütigt
    haben. Für Friedrich II. von Preußen sollte allein schon deshalb, weil er die Juden
    von seiner viel gerühmten Toleranzpolitik ausgenommen hat, der Beiname eines
    „Großen“ ein für allemal gestrichen werden.

    Auch wir wünschen uns eine noch aktivere europäische Politik gegenüber dem Iran.
    Allerdings sind zwei erfolgreiche europäische Versuche, den Iran zu einem Kompromiss
    zu bewegen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und während der
    Verhandlungen auf die Fortsetzung der Uran-Anreicherung zu verzichten .. und das
    war mehr als ein Protestschreiben! .. von der US-Regierung torpediert worden. Israel
    zu isolieren wäre aus unserer Sicht weder moralisch vertretbar noch politisch
    vernünftig. Israel macht es aber mit seiner Palästina-Politik, den nach Besatzungsrecht
    illegalen jüdischen Siedlungen und ihrer Bevorzugung in jeder Hinsicht –
    insbesondere den seit Oslo errichteten –, den täglichen Arbeitserschwernissen,
    endlosen Wartezeiten an den Checkpoints, der Verzögerung von Krankentransporten,
    den Autostraßen nur für Juden usw. ungeheuer schwer, diesem von Ihnen
    wahrgenommenen Isolationstrend entgegenzutreten. Ein großzügiges Zeichen, dass
    diese Politik beendet werden soll, könnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg aus
    dieser Isolierung sein.

    Ad 8: Sie haben aus unserem Text den Eindruck gewonnen, dass für uns die „ganze
    antisemitische Vergangenheit [Deutschlands] (noch vor dem Holocaust) eigentlich
    nicht existierte.“ In diesem Punkt sehen wir uns von Ihnen missverstanden. Wir sind
    uns (und meinten das auch ausgedrückt zu haben) der antijudaischen und .. seit
    Ende des 19. Jhd. .. antisemitischen Traditionen und der diesbezüglichen Schuld
    vieler deutscher Personen und Institutionen lange vor dem Nationalsozialismus voll
    bewusst. Ein Leitmotiv für unser politisches Handeln in den vergangenen Jahrzehnten
    war daher der Kampf gegen den Antisemitismus und jede andere Ausprägung
    des Rassismus und der religiösen wie politischen Intoleranz. Dazu gehörte
    auch die Beschäftigung mit der Geschichte des Antisemitismus weit vor Beginn der
    faschistischen Epoche, auch wenn manche von uns und vermutlich der größere Teil
    der deutschen Bevölkerung sie zugegebenermaßen bei weitem nicht mit der
    Intensität betrieben haben, die geboten wäre. Das eindrucksvolle jüdische Museum
    in Berlin und andere Einrichtungen dieser Art sind wesentliche Schritte, um auch in
    dieser Hinsicht breitenwirksam Aufklärung zu betreiben.

    Selbstverständlich kann keine Entschädigungsleistung die Vergangenheit kompensieren.
    Wir stimmen Ihnen zu: Israels Bereitschaft, schon so bald nach dem grauenhaften
    Völkermord an den europäischen Juden mit Deutschland zusammenzuarbeiten,
    war eine gerade auch für Deutschland und die Deutschen wichtige,
    historische Entscheidung und darf nicht vergessen werden. Es tut der Würdigung
    dieser Bereitschaft keinen Abbruch, dass auch der junge Staat Israel mit dieser
    Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland legitimerweise zugleich eigene, nicht
    ganz unähnliche Interessen verband – beiden jungen Staaten ging es um internationale
    Anerkennung.

    Wir wollen die Freundschaft mit Israel nicht aufkündigen. Wir wollen nicht leugnen,
    dass Deutschland dieser Freundschaft viel zu verdanken hat. Wir wollen die
    Freundschaft mit Israel vielmehr bekräftigen, indem wir ein Verständnis von Freundschaft
    in Frage stellen, das unseres Erachtens ihrer produktiven Weiterentwicklung,

    10

    dem Frieden im Nahen Osten und zugleich einer weltweiten Humanisierung der
    Politik entgegensteht. Darüber, dass die Bekämpfung antidemokratischer Tendenzen
    im Inneren Deutschlands und damit Europas hohe Priorität haben muss, sind wir mit
    Ihnen einig.

    Es tut uns leid, dass unsere Erwähnung der von den Nationalsozialisten vertriebenen
    Intellektuellen als Versuch missverstanden werden konnte, sie zu „rekrutieren“, „um
    die palästinensische Seite zu rechtfertigen.“ Wir schätzen das große Erbe jüdischer
    Intellektualität, ohne das die deutsche und internationale Kultur um so viel ärmer
    wäre. Dies klar zu sagen, war uns auch deshalb wichtig, um Zustimmung von der
    falschen, von jeher antijüdischen deutsch-nationalen und rechtsextremen Seite zu
    vermeiden. Natürlich wollten wir den jüdischen Verfolgten des Naziregimes nicht
    unterstellen, etwa die Politik und die low intensity-Kriegführung der Hamas zu
    rechtfertigen, die zu ihrer Zeit noch gar nicht existierte. Aber erstens gibt es auch
    andere, auf Versöhnung ausgerichtete Kräfte, also nicht nur eine „palästinensische
    Seite“. Z. B. riefen palästinensische Intellektuelle am 17. 6. 2006 öffentlich in „Al-
    Quds“ auf, die Selbstmordanschläge zu beenden und forderten dringend eine
    Reform der palästinensischen Politik. Und zweitens können wir uns in der Tat nicht
    vorstellen, dass diese großen Geister einer Politik der kollektiven Bestrafung,
    Demütigung, Behinderung, Verletzung von Besatzungsrecht und Verdrängung je
    hätten zustimmen können. Wo finden sich in den Schriften der genannten und vieler
    nicht genannter jüdischer Schriftsteller, Wissenschaftler, Künstler und Musiker Äußerungen,
    auf die sich eine solche Politik berufen könnte?

    Ad 9: Es ist richtig: Der jüdisch-palästinensische Konflikt wurde nicht durch die
    Immigration deutscher Juden ab 1930 ausgelöst. Das haben wir auch nicht
    behauptet. Vielmehr haben wir erstens geschrieben, dass die jüdische Emigration
    aus Europa Folge des europäischen Antisemitismus war, und zweitens, dass die
    extremste Form dieser unseligen Tradition, der Nationalsozialismus, die Einwanderung
    verstärkt hat. Wir lassen uns gern korrigieren, dass die uns bisher zugänglichen
    Zahlen untertrieben waren. Aber auch mit 350.000 (statt 160.000) jüdischen
    Siedlern hätte kein Staat errichtet werden können, zumindest nicht mit internationaler
    Zustimmung und Unterstützung. Insofern sind der israelisch-palästinensische Konflikt
    und das Elend der Palästinenser zu einem Teil (über dessen Größe man streiten
    mag) auf die schrecklichen Entwicklungen im Deutschland der 30er und 40er Jahre
    zurückzuführen. Deutsche Vermittlungsschritte im Nahen Osten sind nicht nur mit
    dieser Einsicht zu begründen, sie wären sinnvoll, auch wenn es diesen Hintergrund
    nicht gäbe. Aber als Deutsche können und wollen wir davon nicht einfach absehen.
    Dass Sie bereit sind, angesichts der Geschichte ausgerechnet von Deutschland
    solche Vermittlungsversuche zu akzeptieren, kann gar nicht genug gewürdigt werden
    und stellt eine echte positive Herausforderung dar. Wir versuchen, durch Beteiligung
    an der öffentlichen Debatte das Unsere dazu beitragen, dass die deutsche
    Außenpolitik alles von hier aus Mögliche tut, um die von Ihnen zum Schluss
    genannten Organisationen und den Iran dazu zu bewegen, den Staat Israel in den
    Grenzen von 1967 (eventuell mit wechselseitig verabredeten Korrekturen) anzuerkennen.
    Eine solche Anerkennung wird nach unserer Einschätzung jedoch nur
    dann zu erreichen sein, wenn sich Israel davon überzeugen lässt, dass die nach
    Oslo weiterhin verfolgte Politik partieller Annexionen und partieller Verdrängung der
    Palästinenser diesem Ziel diametral entgegensteht. Deutsche Politik muss, wenn sie
    einen Beitrag zum Frieden im Nahen Osten leisten will, und das sollte sie unserer
    Meinung nach, den Dialog beharrlich mit beiden Seiten führen.

    11

    Auch wir grüßen Sie voller Hochachtung.

    gez. Dieter Arendt, Detlev Bald, Jörg Becker, Johannes Maria Becker, Hanne
    Margret Birckenbach, Tilman Evers, Marianne Gronemeyer, Reimer Gronemeyer,
    Karl Holl, Karlheinz Koppe, Gert Krell, Georg Meggle, Hannah Reich, Werner Ruf,
    Hajo Schmidt, Reiner Steinweg, Helmut Thielen, Christian Wellmann, Wolfram Wette

    III.
    An
    Herrn Dr. Reiner Steinweg

    Reiner.steinweg@liwest.at
    und an alle anderen Autoren des „Manifests der 25″

    19 July 2007

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    vielen Dank für Ihre gemeinsamen Anstrengungen beim Verfassen der Antwort auf meine
    Reaktion zum obenerwähnten Manifest und dafür, daß Sie sich die Mühe genommen haben,
    mit gebührendem Ernst auf die ungelösten Fragen des israelisch-palästinensischen Konflikts
    einzugehen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß unser Briefwechsel – besonders
    seit der Veröffentlichung des ausführlichen Werks von Prof. Georg Meggle – in Israel breite
    Beachtung findet. Der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung [in Israel], Hermann Bünz, und die
    Stiftungsleitung verfolgen unseren Meinungsaustausch mit großem Interesse. Herr Bünz
    möchte der Diskussion einen breiteren Rahmen geben und Vertreter ihrer Gruppe zur
    Fortsetzung des Dialogs nach Israel einladen.

    Ich bitte Sie um Verständnis für die Verzögerung meiner jetzigen Reaktion auf Ihr
    Antwortschreiben. Da ich einerseits die deutsche Sprache nicht genügend beherrsche und
    andererseits kein einziges Detail Ihres Briefes verpassen wollte, war ich gezwungen, ihn
    zuerst ins Hebräische zu übersetzen. Auch meine jetzige Antwort habe ich auf Hebräisch
    formuliert und danach ins Deutsche übersetzen lassen.

    Leider beruhen Ihre Antworten teilweise auf ungenauer Kenntnis der Tatsachen. Es ist
    von größter Wichtigkeit, daß Akademiker und Wissenschaftler Ihres Ranges sich zuerst
    eingehend mit den Fakten befassen, bevor sie daraus Schlußfolgerungen ziehen und politisch
    Stellung nehmen, obliegt Ihnen doch die Ausbildung der nächsten Wissenschaftler- und
    Politikergeneration. Auf Ihnen lastet somit die historische Verantwortung dafür, Ihren
    Schülern die exakten Fakten vorzulegen. Sie räumen selbst ein, daß Ihnen „Manches nicht
    klar war“. Es wäre somit sicherlich empfehlenswert gewesen, vor der Veröffentlichung Ihres
    Manifests den Fakten auf den Grund zu gehen.

    Um den Rahmen unserer Diskussion beizubehalten, möchte ich Ihre Punkte ebenfalls
    der Reihe nach beantworten:

    Zu Punkt 1:

    Ihrem Wunsch entsprechend, Sie über Irrtümer bei der Erwähnung von Tatsachen
    aufzuklären, möchte ich einige Grundannahmen korrigieren, worauf Ihre Antwort zu diesem
    Punkt beruht:

    12


    In der Tat sah der UN-Beschluß vom 29. November 1947 (UN-Resolution 181) die
    Bildung eines jüdischen Staates auf 55% des Territoriums von Palästina (27.000
    Km2) vor, doch bei 9.600 Km2 von 15.000 Km2, die Israel zugesprochen wurden,
    handelte es sich um unfruchtbare Wüste (Negev), während sämtliche für den
    arabischen Staat vorgesehenen Gebiete (12.000 Km2) von arabischer Bevölkerung
    besiedelt und landwirtschaftlich genutzt wurden. Zudem mußten beide Staaten gut
    2.000 Km2 für eine Zone unter UN-Verwaltung abtreten (Jerusalem, Bethlehem und
    umliegende Dörfer).

    Sie betrachten Palästina als arabisches Territorium, wovon nur 6% in jüdischem
    Besitz war. In Wirklichkeit war mehr als 80% des Territoriums von Palästina
    Staatsland, d.h. zuerst Herrschaftsgebiet des osmanischen Reichs und später unter
    britischer Mandatsverwaltung. Diese Ziffer schließt auch das Land mit ein, das die
    jeweiligen Landesherren arabischen Landwirten pachtweise zur landwirtschaftlichen
    Nutzung überließen – sogenanntes Miri-Land. Leider blieb jüdischen Landwirten
    diese Art von Landpacht verwehrt.

    Die israelische Führung hat niemals Anspruch auf ganz Palästina erhoben. Das
    Gegenteil trifft zu: Bereits 1935 beschloß die dominante [jüdische] Partei in
    Palästina, die Miflegeth Poalei Eretz-Israel [„Arbeiterpartei Palästinas“] die Teilung
    des Landes zwischen beiden Völkern vorzuschlagen. Dieser Beschluß wurde 1942
    von der Führung der weltweiten zionistischen Bewegung auf einer Sonderkonferenz
    in der amerikanischen Stadt Baltimore bestätigt und ist seither als Baltimoreplan
    bekannt.
    Diese Position, auf der auch die Bereitschaft Israels zum Rückzug auf die Grenzen
    von 1967 (gegen echten Frieden) beruht, wurde von den israelischen Regierungen
    sowohl unter der Führung der Arbeitspartei als auch unter Herrn Ariel Scharon
    (Likud) bestätigt, der sich für „zwei Staaten für zwei Völker“ entschied. Sie kommt
    in der Bereitschaft Israels zum Ausdruck, die UN-Resolution 242 vom 22.
    November 1967 zu akzeptieren, genau wie sie zuvor den Teilungsplan (Resolution
    181) akzeptiert hat, und wie sie der Roadmap verpflichtet ist, obschon sie von
    arabischer Seite beharrlich abgelehnt wird.
    Diese Position wurde in den 19 Jahren zwischen 1948 und 1967 verschiedentlich
    unter Beweis gestellt. In jenem Zeitabschnitt war Israel zu einem
    Friedensabkommen mit den arabischen Staaten bereit (ein palästinensisches
    [politisches Gemein-]Wesen gab es damals noch nicht) und zwar auf der Grundlage
    der Grenzen von 1949 mit Ostjerusalem als Hauptstadt des arabischen Staates.
    Die arabischen Staaten, allen voran Ägypten und Jordanien, die den Gazastreifen,
    das Westjordanland und Ostjerusalem kontrollierten, lehnt dieses Angebot ab.
    Gleichzeitig erwogen sie nicht, in diesen Gebieten die Gründung eines
    palästinensischen Staates zuzulassen. Statt dessen setzten diese Staaten (inklusive
    Syrien und Irak) auf eine „zweite Runde“ gegen Israel mit dem Zweck „seine
    Bewohner ins Meer zu werfen“. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, daß der Krieg von
    1967 aufgrund militärischer Aktivitäten der arabischen Seite ausbrach (Ausweisung
    der UN-Truppen, Sperrung der Meerenge von Tiran, ägyptische
    Truppenverlegungen auf die Sinaihalbinsel und Einnahme von Angriffsstellungen,
    jordanische und syrische Truppenkonzentrationen an der Grenze zu Israel) und nicht
    aufgrund israelischer Eroberungsgelüste.

    Die Nachsicht und das Verständnis, das sie dem Beschluß von König Abdullah
    entgegenbringen, gegen den Jischuw [die jüdische Gemeinschaft Palästinas] in den
    13

    (wenn auch laut seiner Behauptung beschränkten) Krieg zu ziehen, kann ich in
    keiner Weise nachvollziehen. Golda Meir hat König Abdullah tatsächlich vor dem

    15. Mai 1948 in seinem Palast besucht und ihn gebeten, sich aus dem Krieg
    herauszuhalten. Doch er lehnte ab (mit der Begründung, die „arabische Solidarität“
    zwinge ihn dazu, am Krieg teilzunehmen). Seine gut ausgebildete und ausgerüstete
    Armee marschierte dann unter Führung britischer Offiziere in Palästina ein, stieß bis
    nach Jerusalem vor, trennte die Stadt von den küstennahen Gebieten ab und hoffte,
    die Zivilbevölkerung durch Aushungerung (Unterbrechung der
    Versorgungskolonnen von der Küstenregion), durch die Unterbrechung der
    Wasserversorgung (Unterbrechung der lebenswichtigen Wasserpipeline von der
    Küstenebene), durch die Besetzung und Zerstörung der jüdischen Ansiedlungen in
    der Peripherie (Gusch Etzion, jüdisches Quartier in der Jerusalemer Altstadt) sowie
    durch die Tötung Hunderter Zivilisten durch anhaltende Bombardierung
    verschiedener Stadtviertel zur Aufgabe zu bewegen.
    Und Sie zögern nicht zu schreiben, daß Sie „Verständnis“ haben für ihn und seinen
    Beschluß, das Westjordanland in sein Königreich einzuverleiben! Wer gab ihm das
    Recht, in jene Gebiete Palästinas einzufallen, die die Vereinten Nationen dem
    arabischen Staat zuteilten? Wer ermächtigte ihn dazu, diese Gebiete 19 Jahre lang
    unter seiner Kontrolle zu behalten ohne den Palästinensern die Möglichkeit zu
    geben, dort ihren Staat zu gründen? Und woher die Rechtfertigung des Beschlusses
    eines arabischen Herrschers, Israel ohne jede Provokation seitens dieses Staates
    anzugreifen?

    Soweit meine Anmerkungen punkto Korrektur unrichtiger Fakten in Punkt 1 Ihrer
    Antwort. Doch dieser Punkt enthält noch einen äußerst unerfreulichen Satz. Sie
    behaupten: „Wenn wir uns in die Lage der Palästinenser und der Araber insgesamt
    hineinversetzen, können wir verstehen, wenn auch nicht billigen, daß sie sich der
    Empfehlung der UN-Generalversammlung widersetzt haben.“
    In meinen obigen Ausführungen habe ich Ihre Argumente, weshalb dem arabischen
    Standpunkt „Verständnis“ entgegenzubringen sei, bereits widerlegt. Sie
    rechtfertigen den arabischen Angriff gegen die kleine jüdische Gemeinschaft
    [Palästinas] und später gegen den eben erst gegründeten Staat Israel. Hinsichtlich der
    Angriffe der arabischen Seite auf Israel zeigen sie „Verständnis“, was hingegen
    Israel und seine klaren Positionen punkto Bedingungen für ein Friedensabkommen
    mit den Palästinensern anbetrifft (zuallererst Stop des Terrors), halten Sie es für
    richtig, diesem Staat Moral zu predigen, wie folgendes Beispiel (in Punkt 4) zeigt:
    „Alle auf primär militärische Macht gestützte Sicherheit steht auf tönernen Füssen“
    (??)
    Ohne diese militärische Macht, die wir nach dem UN-Beschluß von 1947 erfolgreich
    aufgebaut und damit die arabischen Angriffe zurückgeschlagen haben, wären die
    Staaten der Welt (zum zweiten Mal in drei Jahren!) gezwungen gewesen, Schiffe an
    die Ufer Palästinas zu entsenden, um die letzten Reste der jüdischen Bevölkerung zu
    evakuieren, die das große Massaker überlebt hätten, das die Verbände der
    Palästinenser und der in Israel eingefallenen arabischen Staaten angerichtet hätten!
    Zu Punkt 2:

    Auch Ihre Anmerkungen zu diesem Punkt stützen sich auf unvollständig wiedergegebene
    Tatsachen. Hier die vollständige Darstellung:

    14

    Der Krieg gegen den Jischuw begann am 30. November 1947 (und nicht am 15. Mai 1948).
    Er brach einen Tag nach dem UN-Beschluß aus und nachdem der palästinensische UN-
    Delegierte Achmed Schukeiri erklärte, jedes Wort in jenem UN-Beschluß werde mit dem Blut
    der Juden ausradiert. An jenem Tag starben sieben unschuldige jüdische Zivilisten, die in
    einem Bus neben der Stadt Lod unterwegs waren. Von da an und bis zum Tag des tragischen
    Zwischenfalls in Deir Jassin (April 1948) starben Tausende Juden durch Palästinenser – bei
    Angriffen auf jüdische Siedlungen, Viertel und Verkehrsmittel. Es handelte sich um einen
    irregulären Bürgerkrieg unter Teilnahme der Bewohner arabischer Dörfer und der arabischen
    Stadtjugend, die in Hunderten von organisierten Gruppen über ihre jüdischen Nachbarn
    herfielen.
    Ein Beispiel: Als sich Lastwagenkolonnen beladen mit Lebensmitteln auf den beschwerlichen
    Weg nach Jerusalem machten, gaben die Bewohner umliegender arabischer Dörfer einander
    Signale (Fazaa – arab. für Hilferuf im Kriegsfall), worauf sie sich zu Hunderten auf die Lauer
    legten und das Feuer auf die Kolonnen eröffneten, die sich auf der schmalen Straße nur
    langsam fortbewegen konnte. Zurück blieben ausgebrannte und geplünderte
    Lastwagenwracks und Dutzende von Toten. Es handelte sich also um einen Krieg zwischen
    den Bewohnern benachbarter arabischer und jüdischer Dörfer, zwischen Bewohnern
    angrenzender arabischer und jüdischer Stadtviertel. Als die jüdische Seite die Oberhand
    gewann und ein solches arabisches Dorf, das gegen die Juden aktiv gewesen war, unter seine
    Kontrolle brachte, ist es verständlich, daß dessen Bewohner aus Furcht vor Vergeltung
    flüchteten. Es gab auch Fälle, in denen die Ortsbewohner als Strafe für die Teilnahme an
    feindlichen Militäraktionen vertrieben wurden (man darf nicht vergessen, daß bis Mai 1948
    der Krieg zwischen Bürgern beider Seiten und nicht zwischen regulären Armeen geführt
    wurde).
    Erst als die palästinensische Führung einsah, daß der irreguläre Krieg, den sie gegen den
    Jischuw angezettelt hatte, verloren war, rief sie die arabischen Staaten zur Hilfe.
    Die Niederlage, die die arabische Gemeinschaft im Krieg hinnehmen mußte, den sie gegen
    ihre jüdischen Nachbarn angezettelt hatte, führte also zur Flucht all jener, die sich vor Strafe
    fürchteten. Ein anderer Teil dieser Bevölkerung folgte den Befehlen ihrer Führung, ihre
    Dörfer und Häuser in den Städten vorübergehend zu räumen, um die einmarschierenden
    arabischen Armeen nicht bei der physischen Vernichtung des Jischuws zu „stören“.
    Tatsache ist, daß Dörfer, die sich nicht am Krieg beteiligten wie etwa das Dorf Abu Gosh bei
    Jerusalem, oder Tausende von Haifas Stadtbewohnern, die dem Aufruf ihrer jüdischen
    Nachbarn folgten, in ihren Häusern zu bleiben und nicht zu flüchten, unversehrt blieben. So
    verhielt es sich auch später, als die reguläre Armee des Staates Israel die arabischen Armeen
    schlug, und diese sich hinter die Grenzen zurückzogen: Jedes Dorf, das sich ergab (vor allem
    im nördlichen Galiläa) und sich nicht an den Kämpfen beteiligte – blieb bestehen. Daher die
    hohe arabische Siedlungsdichte im oberen Galiläa und entlang der ehemaligen Grenze zu
    Jordanien.
    Und was die Forderung nach Rückkehr dieser Flüchtlinge an ihre Wohnorte auf israelischem
    Hoheitsgebiet betrifft: Sie ist, meines Erachtens, nicht vergleichbar mit dem deutschen
    Flüchtlingsstrom aus den Sudeten und aus Schlesien nach 1945 oder aus dem Dongebiet nach
    dem Zusammenbruch der Sowjetunion – und der Übersiedlung nach Deutschland. Die
    deutschen Flüchtlinge kehrten in ihre Heimat zurück, zu ihrer Muttersprache und zu der
    Umgebung, in der ihre Vorfahren geboren waren, die später ostwärts zogen. Bei den
    arabischen Flüchtlingen handelt es sich hingegen um eine feindliche Gemeinschaft, die nach
    wie vor auf die Liquidierung des (von der UN gebilligten) Staates Israel als jüdischen Staat
    und dessen Umwandlung in einen binationalen Staat mit Aussicht auf eine erneute arabische
    Mehrheit wegen des hohen natürlichen Bevölkerungswachstums [des arabischen
    Bevölkerungsteils] hofft.

    15

    Die Rückkehr dieser Flüchtlinge hätte insofern einen sofortigen politischen Effekt, als sie sich
    als innere Kraft zur Aufhebung des jüdischen Charakters des Staates Israel auswirken würde.
    Zur Veranschaulichung der politischen und nationalen Bedrohung, die mit der Rückkehr
    dieser Flüchtlinge ins israelische Kernland verbunden wäre, genügt es, auf den derzeitigen
    Wandel der arabischen Minderheit im Land hinzuweisen, der sich immer mehr von den
    jüdischen Mehrheit abspaltet. Die arabische Bevölkerung sieht sich nicht mehr als arabischisraelische
    Staatsbürger, sondern als palästinensische Araber und fordert die Anerkennung als
    separate nationale Minderheit und die Umwandlung des Staates Israel in einen „Staat aller
    Bürger“, d.h. die Aufhebung seines jüdischen Charakters.
    Einen solchen Vorschlag zu akzeptieren, käme dem Selbstmord gleich, und bei allem Respekt
    für Ihre Standpunkte – noch sind wir nicht bereit, als souveränen jüdischen Staat Selbstmord
    zu begehen. Zudem: Nachdem die Versuche der arabischen Staaten Israel militärisch zu
    liquidieren, gescheitert waren, begannen sie damit, die jüdischen Minderheiten, die
    Jahrtausende in ihrer Mitte lebten, zu terrorisieren und sie zum Sündenbock für ihre
    Niederlage im Krieg zu stempeln. Das erste Pogrom gegen syrische Juden ereignete sich
    bereits am 30. November 1947, einen Tag nach der Annahme des Teilungsplanes durch die
    Vereinten Nationen. Danach kam es auch zu Ausschreitungen gegen Juden im Irak und in
    Ägypten. Daraus ergab sich die dringende Notwendigkeit, diese jüdischen Bevölkerungen aus
    den arabischen Ländern zu evakuieren. So wurden in heroischen (und manchmal geheimen
    Aktionen) mehr als eine Million jüdische Flüchtlinge aus dem Irak, aus Ägypten, Jemen,
    Syrien, Libyen und dem Libanon nach Israel geholt. Wenige Jahre danach folgte die
    Evakuierung der maghrebinischen Juden – aus Tunesien, Marokko und Algerien.
    Faktisch kam es hier also zu einem Bevölkerungsaustausch, denn Israel forderte die
    arabischen Staaten parallel dazu auf, die 500 Tausend palästinensischen Flüchtlinge
    aufzunehmen, so wie es die jüdischen Flüchtlinge aufnahm. Wie ich bereits in meiner letzten
    Antwort darlegte, weigerten sich die arabischen Staaten diesen Schritt zu tun, so daß sich das
    Problem der palästinensischen Flüchtlinge in den vergangenen 60 Jahren nur weiter verschärft
    hat. Die Zahl dieser Flüchtlinge ist heute um ein Vielfaches größer als 1948, und sie sind eine
    offene Wunde im Fleisch der renitenten arabischen Staaten (vgl. z.B. die derzeitigen Kämpfe
    zwischen der libanesische Armee und den Extremistenorganisationen in den Flüchtlingslagern
    dieses Landes).
    Arafat, übrigens, der nach der Unterzeichnung des Osloer Abkommens die Kontrolle über
    sämtliche arabischen Städte im Gazastreifen und im Westjordanland sowie über Hunderte
    palästinensischer Dörfer erhielt, hätte die Möglichkeit gehabt, wenn er es nur gewollt hätte,
    dort mit der Wiederansiedlung von Flüchtlingen aus den Lagern zu beginnen, wo sie bereits
    60 Jahre aufhielten (einschließlich Flüchtlingstransfer aus dem Libanon und Jordanien). Er
    wäre dabei von allen Staaten der Welt finanziell und politisch voll unterstützt worden, auch
    von Israel, und hätte faktisch mit dem Aufbau des palästinensischen Staates beginnen können.
    Doch wie alle anderen Herrscher der arabischen Staaten, zog es auch Arafat vor, die
    Flüchtlinge als politische Waffe einzusetzen, ohne jede Rücksicht auf ihre Notlage und ihr
    Leid.
    Ich kann diesen Punkt nicht abschließen, ohne auf Ihre letzten Sätze hierzu einzugehen, wo
    Sie eine Parallele ziehen zwischen den (tragischen und als Ausnahmefall zu wertenden)
    Ereignissen in Deir Jassin – Sie kritisieren die Widerstandsaktionen des jüdischen
    Untergrunds, die sich gegen die Nichteinhaltung der internationalen Verpflichtungen der
    Briten richteten, darunter die Schließung der Landesgrenzen vor den Hitler-Flüchtlingen aus
    Europa – und den arabischen Angriffen auf den Jischuw in der Zeit vor dem 15. Mai 1948.
    Man kann und darf nicht einfach ignorieren, was sich vor der UN-Resolution vom November
    1947 ereignet hat, mit der Begründung, „gegenseitige Unrechtsaufrechnungen“ seien sinnlos
    und man müsse in die Zukunft blicken.
    Meine verehrten Herren,

    16

    keine Zukunft ohne Vergangenheit, schon gar nicht in einem derart langanhaltenden
    historischen Konflikt. Es gibt keine Alternative, als einige historische Fakten zu beachten, die
    diesen Konflikt nährten und es bis zum heutigen Tag weiter tun. Ich werde versuchen, hier im
    Detail darauf einzugehen:


    Die Bindung der Juden zum Land Israel begann nicht erst 1882, als die Einwanderung
    von Juden in Palästina ihren Anfang nahm. Sämtliche jüdische Gemeinden überall auf
    der Welt pflegen seit Jahrtausenden eine religiöse, emotionelle und nationale
    Verbindung zum Land Israel. Ihre Mitglieder spendeten Geld zur Aufrechterhaltung
    der erhalten gebliebenen jüdischen Gemeinden (mehrheitlich Talmudschulen) im
    Land. Im Gebet richten die Juden ihren Blick, dreimal täglich, gegen Osten, nach
    Jerusalem. Dabei flehen sie zu Gott, er möge sie in ihre historische Heimat
    zurückführen. Diese Sehnsucht stand im Mittelpunkt des jüdischen Lebens in allen
    jüdischen Gemeinden der Welt…

    Diese Bindung blieb der religiösen Führung der christlichen Welt nicht verborgen, die
    die Auferstehung Jesu unter anderem von der Versammlung des jüdischen Volkes im
    Gelobten Land und seiner Bekehrung zum Christentum abhängig sah.

    Die Verpflichtung der britischen Regierung zur Gründung einer nationalen Heimstätte
    der Juden in Palästina (sog. Balfourdeklaration vom 2. November 1917) wurde
    demnach vor dem Hintergrund der zahlreichen Nationalbewegungen jener Epoche als
    angemessene und vernünftige Entscheidung empfunden.

    Die „Balfourdeklaration“ wurde wörtlich in das Mandat für Palästina (auf beiden
    Seiten des Jordan!) aufgenommen, das der Völkerbund 1922 Großbritannien übertrug.
    Damit wurde die Deklaration aufgrund des Beschlusses der Vorläuferorganisation der
    UN zu einem die Mandatverwaltung verpflichtenden Programm.

    An diesem Beschluß des Völkerbunds war damals nichts außergewöhnlich, da die
    imperialistischen Staaten – Großbritannien und Frankreich – den Nahen Osten unter
    sich aufteilten (Sikes-Picot-Abkommen von 1917) und ihren Interessen entsprechend
    Grenzen für neue Staaten zogen. Diese Grenzziehungen nahm keine Rücksicht auf die
    ethnische Zusammensetzung der jeweiligen Länder. So gründete Großbritannien den
    Irak ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß er sich aus drei rivalisierenden religiösen
    und ethnischen Gruppen zusammensetzte: aus einer schiitischen Mehrheit sowie aus
    Sunniten und Kurden. Diesen unglücklichen Entscheid bezahlen die Briten und
    Amerikaner heute teuer mit ihrem Blut. Frankreich faßte Sunniten, Schiiten, Christen
    und Drusen in einem künstlichen Protektorat zusammen – dem Libanon. Die
    Konsequenzen der inneren Spannungen und Kriege, die sich in diesem Staat
    ereigneten, erleben wir schon seit Jahrzehnten. Großbritannien ging noch einen Schritt
    weiter, indem es vom Territorium der jüdischen Heimstätte – ohne internationale
    Zustimmung – das Gebiet östlich des Jordan (rund 89.000 Km2, verglichen mit dem
    westlichen Palästina, das sich über eine Fläche von 27.000 Km2 erstreckte) abtrennte
    und dort, gestützt auf nur 350.000 Beduinen, die auf diesem Gebiet umherwanderten,
    ein weiteres Emirat gründeten. Zum König dieses Königreichs setzte Großbritannien
    einen Sproß der Haschemitendynastie, Emir Abdallah, ein (nachdem es seinen Bruder
    Feisal zum König von Irak gekrönt hatte) und machte es zu einem unabhängigen,
    fragilen Staat, der vom Westen (und auch von Israel) gegen seine arabischen
    Nachbarn, besonders gegen Syrien und Irak unter Saddam Hussein, verteidigt werden
    mußte.
    17

    Die Verpflichtung für die Schaffung einer nationalen Heimstätte der Juden in
    Palästina war zu jener Zeit also nichts Außergewöhnliches und wurde auch von der
    arabischen Seite akzeptiert! Als Anlage zu diesem Brief sende ich Ihnen den
    Wortlaut des Abkommens von 1919 zwischen dem Präsident der Zionistischen
    Bewegung Prof. Chaim Weizmann und Prinz Feisal (dem Sohn des
    Haschemitenkönigs Hussein, der damals im Staat Hidjas auf der Arabischen Halbinsel
    herrschte). In diesem Abkommen gab Prinz Hussein das schriftliche Einverständnis
    der arabischen Seite für die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina, der das
    Recht haben würde, Juden aus der ganzen Welt aufzunehmen, sofern sie daran
    interessiert sind, gegen die Unterstützung der internationalen jüdischen Gemeinschaft
    für die Errichtung eines großen arabischen Staates, der Hidjas, das Gebiet östlich des
    Jordan, Syrien und den Irak umfassen würde, sowie für die Krönung Husseins zum
    König dieses Reiches.
    Leider fanden die Franzosen, denen der Völkerbund das Mandat für Syrien
    zugesprochen hatte, keinen Gefallen an der Idee, Hussein in Damaskus zum König zu
    krönen und den Einflussbereich des Rivalen Großbritannien im Nahen Osten
    auszuweiten. Sie vertrieben ihn von dort, und damit war auch das Abkommen
    hinfällig. Als Entschädigung setzten die Briten Feisal zum König von Irak ein.


    Die palästinensische Nationalbewegung, deren Anfänge auf 1919 zurückgehen, war
    gegen die Idee der Errichtung einer nationalen Heimstätte für die Juden in Palästina,
    und begann, die arabische und muslimische Welt (einschließlich Millionen Moslems
    in Indien und Indonesien) gegen die Politik der britischen Regierung zu mobilisieren.
    Die lokale [arabische] Bevölkerung wurde politisch aktiv, organisierte Kundgebungen
    und Streiks und begann damit, militärisch gegen den Jischuw vorzugehen, um
    Großbritannien zur Aufgabe ihrer Verpflichtung für die Errichtung einer Heimstätte
    für die Juden zu bewegen:
    1920 kam es zu blutigen Ausschreitungen in Jerusalem, 1921 zu blutige Unruhen in
    Jaffa und 1929 zu einem Massaker in Hebron, dem rund 80 jüdische Stadtbewohner
    zum Opfer fielen. 1936-1939 ereignete sich ein Aufstand gegen die
    Mandatsverwaltung und gegen den Jischuw. In all diesen militärischen Aktionen
    kamen Hunderte von Juden ums Leben.
    Die Lehre, die die jüdische Führung aus diesen Ereignissen zog, war, die Tatsache
    anzuerkennen, dass Palästina von einer weiteren Nationalbewegung beansprucht wird,
    sowie die Anerkennung der Notwendigkeit, mit dieser Nationalbewegung zu einem
    Kompromiss zu gelangen. Dies führte zur erwähnten Adoption der Teilungsidee.
    Doch die arabische Seite war nicht zu Kompromissen bereit und forderte
    uneingeschränkte arabische Souveränität in ganz Palästina. Wie ich bereits erwähnte,
    trug ihre Verweigerungshaltung sowie die Mobilisierung der muslimischen Welt für
    die arabische Position Früchte: Großbritannien, das befürchtete, die gesamte
    muslimische Welt könnte sich mit ihrem Anliegen im Falle eines Krieges an
    Nazideutschland wenden, gab nach und veröffentlichte im Jahre 1939 ein Weißbuch,
    das die britische Verpflichtung für die Errichtung einer Heimstätte für die Juden
    aufhob und die Rahmenbedingungen für die Gründung eines arabischen Staates in
    Palästina schuf.

    Dann brach der Zweite Weltkrieg aus und stellte das jüdische Volk vor ein schweres
    Dilemma: Einerseits kämpfte Großbritannien gegen den Judenhasser Hitler,
    andererseits distanzierte es sich von seinen internationalen Verpflichtungen und
    verhinderte jede Möglichkeit der Rettung von Juden, die dem Naziinferno entkamen
    und an die verschlossenen Tore Palästinas klopften.
    18

    David Ben-Gurion erklärte: „Wir werden gegen Hitler kämpfen, als gäbe es kein
    Weißbuch, und das Weißbuch bekämpfen, als gäbe es keinen Hitler“. Dieser Krieg
    gegen das Weißbuch, darunter auch militärische Aktionen, um die Mandatsverwaltung
    zu zwingen, den Schoah-Flüchtlingen aus Europa die Tore des Landes zu öffnen, trug
    Früchte: Die britische Regierung gab der UN das Palästinamandat zurück, und die
    Fortsetzung ist bekannt.


    Wenn wir also mit Blick in die Zukunft versuchen, zu einer Verständigung und zu
    friedlicher Koexistenz mit einem Palästinenserstaat an Israels Seite zu gelangen,
    dürfen wir nicht vergessen, dass wir volles (historisches und faktisches) Anrecht auf
    mindestens einen Teil unsere Heimat haben, trotz Ihrer (von mir oben widerlegten)
    Behauptung, dass die Juden nur 6% der Landesfläche besaßen.
    Zu Punkt 3:

    Es trifft zwar zu, dass die Schoah und deren psychologische Auswirkungen, inklusive
    Schuldgefühle der christlichen Welt für ihre Tatenlosigkeit angesichts der Vernichtung von 6
    Millionen Juden, zum UN-Beschluss für die Gründung eines Staates für das jüdische Volk
    beitrugen, doch dies war nicht der entscheidende Beitrag. Entscheidend war meines Erachtens
    zwei weitere Faktoren, die nicht mit der Schoah zusammenhängen:


    Der christliche Glaube (wie oben ausgeführt), der den Christen die Pflicht auferlegt,
    den Juden bei der Rückkehr in ihre historische Heimat (im Heiligen Land) zu helfen,
    um die Auferstehung Jesu näher zu bringen, veranlasste vor allem die christlichen
    Staates Zentral- und Südamerikas für den Teilungsplan zu stimmen (auch heute gibt es
    in den USA einen Block von 80 Millionen Christen, der das Recht des jüdischen
    Staates auf ganz Palästina aus genau diesen Gründen vorbehaltlos unterstützt…)

    Das Interesse der Sowjetunion, im Nahen Osten Fuß zu fassen mit Hilfe des
    sozialistisch orientierten Jischuw, sowie die Tatsache, dass der Jischuw der
    Sowjetunion und ihren Satelliten für ihre Abstimmung in der UN (sowie für die
    umfangreiche tschechische Waffenlieferungen bereits im April 1948) hernach
    verpflichtet sein würde, waren entscheidend für die Unterstützung des Teilungsplanes
    durch den kommunistischen Block (siehe die „zionistische Rede“ des sowjetischen
    Außenministers Gromyko anlässlich jener UN-Versammlung für die Gründung eines
    jüdischen Staates).
    Aus den genannten Gründen ist es überflüssig, falsch (und sogar gefährlich für Staaten wie
    Deutschland und Österreich) dem modernen Hitler – dem iranischen Präsidenten – , der damit
    droht, den jüdischen Staat durch einen Atomangriff zu vernichten und die europäischen
    Staaten auffordert, die Juden, die bis 1939 auf ihrem Gebiet lebten, wieder aufzunehmen, in
    die Hände zu spielen.

    Soweit der Versuch, die Entwicklung des israelisch-palästinensischen Konfliktes mit Fakten
    und auf objektive Weise zu erhellen. Folgenden Satz in Ihrer Antwort weise ich jedoch
    kategorisch zurück: „Aus der Sicht der Araber kam der primäre Angriff auf die seit
    Jahrhunderten bestehenden Siedlungsverhältnisse von den Juden, die auf arabischem
    Territorium einen Staat für sich beanspruchten.“

    19

    Weiter oben habe ich bereits nachgewiesen, dass die jüdische Einwanderung in Palästina
    nicht auf Kosten der arabischen Landesbewohner geschah. Zur damaligen Zeit (in den
    dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts) lebten in Palästina rund 1,2 Millionen
    Einwohner (ein Drittel Juden und zwei Drittel Araber). Die britischen
    Untersuchungskommissionen, die sich in regelmäßigem Abstand nach Palästina begaben, um
    die Behauptungen beider Seiten zu prüfen, stellten mehrmals fest: „In Palästina ist kein Platz
    mehr, nicht einmal für eine weitere Katze…“.
    Doch siehe da, derzeit leben auf dem Gebiet von Palästina (inklusive Gazastreifen und
    Westjordanland) rund 10 Millionen Menschen, Juden und Palästinenser, und ich kann Ihnen
    versichern, dass das Land ohne weiteres die doppelte Einwohnerzahl aufnehmen kann
    (einschließlich der Besiedlung der Negevwüste, die rund 40% der Landesfläche ausmacht),
    dies unter der einzigen Voraussetzung, dass die Juden und Palästinenser, Schulter an Schulter,
    zusammenarbeiten, für eine bessere Zukunft für unsere Kinder.

    Tatsache ist, dass die arabischen Staaten wie Ägypten und Jordanien ]den Staat[ Israel
    anerkannt haben und mit ihm Friedensverträge unterzeichneten, trotz der Besetzung der
    palästinensischen Gebiete. Der – von der Arabischen Liga abgesegnete – saudische
    Friedensplan knüpft die Anerkennung Israels durch die gesamte arabische Welt dagegen an
    folgende Bedingungen: Israel zieht sich auf die Grenzen von 1967 zurück und ermöglicht die
    Rückkehr der [palästinensischen] Flüchtlinge an ihre Wohnorte innerhalb der Grenzen Israels.

    Insofern ist Ihre Parteinahme ausgerechnet für die extremsten Standpunkte im
    arabischen Lager, die der jüdischen Präsenz in Palästina die Legitimität absprechen, für
    mich unverständlich.

    Zu Punkt 4:

    Sie zitieren leider nur Teile des Beschlusses der Arabischen Liga von 2002: Sie erwähnen den
    Rückzug auf die Grenzen von 1967 (der von der Bevölkerung Israels mehrheitlich
    befürwortet wird), ignorieren jedoch die geforderte Rückkehr der Flüchtlinge auf israelisches
    Staatsgebiet. Wie ich weiter oben bereit festgestellt habe, wird die Flüchtlingsfrage von Israel
    als Casus Belli eingestuft. Sämtliche jüdischen Parteien in Israel sind geschlossen gegen die
    Rückkehr von Flüchtlingen (jedoch zu großzügiger Entschädigung bereit). In dieser Frage
    wird es demnach keine Konzessionen geben.
    Dennoch lege ich Wert darauf, Sie auf grundsätzliche Missverständnisse in Ihrer Antwort zu
    diesem Punkt hinsichtlich der Hamas, der iranischen Bedrohung sowie der Al-Qaida
    hinzuweisen.

    Hamas

    Es fällt mir nun, Anfang Juli 2007, leichter, mich zu diesem Thema zu äußeren, nachdem die
    Hamas den gesamten Gazastreifen unter ihre Kontrolle gebracht hat, und die offiziellen
    Vertreter von Präsident Abbas kaltblütig ermordet oder verletzt wurden bzw. (mit ihren
    Familien) Hals über Kopf nach Israel geflüchtet sind.


    Ich wundere mich über die Gewissheit, die Sie in dieser Frage verschiedentlich zum
    Ausdruck bringen. Sie schreiben: „Wir sind davon überzeugt, dass unter diesen
    Bedingungen sich eine deutliche Mehrheit für eine Anerkennung Israels aussprechen
    könnte, und zwar unabhängig davon, wie die Hamas sich dann positioniert.“ Woher
    nehmen Sie diese Gewissheit? Sind Ihnen die Hauptpunkte des ideologischen
    Programms der Hamas und ihre Ziele überhaupt bekannt?
    Ich erlaube mir, Sie auf folgende relevanten Details hinzuweisen. Die Hamas-
    Bewegung ist eine extremistische islamische Bewegung, eine ideologische
    20

    Abzweigung der 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft. Die
    Muslimbrüder treten für die Beseitigung sämtlicher laizistischer arabischer Regime
    und für die Errichtung eines neuen Kalifats ein, das sämtliche arabischen Staaten
    umfasst und in dem das islamische Recht, die Scharia, gelten soll.
    Die Muslimbrüder wirkten und wirken in den laizistischen arabischen Staaten bis
    heute auf religiöse Umstürze hin. Deshalb befindet sich die Führung der
    Muslimbruderschaft in Ägypten mehrheitlich im Gefängnis, und ein Umsturzversuch
    der Muslimbrüder in Syrien im Jahre 1982 endete in einem Blutbad, das der Vater des
    heutigen syrischen Präsidenten unter ihnen anrichtete (rund 15 Tausend Tote).


    Was für die arabischen Staaten gilt, betrifft umso mehr das (nach ihrer Ansicht)
    arabische Territorium, das von „Ungläubigen“ wie den Juden beherrscht wird (die
    Mohammed im Koran mit den Affen gleichsetzt). Daher ist es völlig ausgeschlossen,
    dass die Hamas den Staat Israel und das Recht der Juden auf Eigenstaatlichkeit in
    einem Gebiet, das „die heilige territoriale Kontinuität der arabischen Nation“
    unterbricht, anerkennt. Ein kleines Anschauungsbeispiel wurde am 24. Juni geliefert,
    als der abgesetzte Premierminister von der Hamas, Ismail Hanija, die Vertreter
    Ägyptens, Jordaniens und der Palästinenser dazu aufrief, nicht an der Konferenz in
    Scharm El-Scheich teilzunehmen und keine Vereinbarung mit Israel zu schließen,
    denn die Araber hätten nur eine Option: „Weiter zu kämpfen bis zur Liquidierung
    Israels“.

    Der verstorbene israelische Ministerpräsident, Jitzchak Rabin, versuchte in
    monatelangen Gesprächen mit dem Hamasideologen Scheich Jassin zu politischen
    Konsenspunkten mit dieser Bewegung zu gelangen, doch Jassins Antwort war immer
    dieselbe: „Es ist völlig ausgeschlossen, dass unsere Bewegung das Recht der Juden
    auf einen souveränen Staat auf der heiligen arabischen Erde jemals anerkennt.“

    Sie betrachten den israelisch-palästinensischen Konflikt aus einer grundsätzlich
    europäischen Perspektive, ihre Analyse gründet deshalb ausschließlich auf Ratio.
    Doch in dem Teil der Welt, in dem sich Israel befindet, dominiert nicht die Ratio,
    sondern das Gefühl, der Instinkt und der fanatische religiöse Glaube. Bei Letzteren ist
    seitens des fanatischen religiösen Teils der arabischen Welt (zu dem auch die Hamas
    zählt) leider kein Platz für Kompromisse.

    Nicht Volksbefragungen sind also ausschlaggebend für den Standpunkt der Araber
    und ihre Bereitschaft, sich mit dem Fakt der Existenz Israels auseinanderzusetzen, und
    bestimmt nicht Befragungen, die stattfinden, wenn auf den Straßen bewaffnete Banden
    der Hamas wüten. In Israel ist eine solche Abstimmung ohnehin unnötig, da die
    israelische Regierung den klaren – von der überwiegenden Mehrheit der Öffentlichkeit
    geteilten – Standpunkt vertritt, dass man gegen echten Frieden und die Beendigung
    des Terrors bereit ist, sich von allen besetzten Gebieten auf die Grenzen von 1967
    zurückzuziehen und beim Aufbau eines Palästinenserstaates an der Seite Israels
    mitzuhelfen.

    Dass Sie Ihre Argumentation zudem auf die propagandistischen und zweckgerichteten
    Äußerungen von Hamas-Sprechern wie Ismail Hanija abstützen, die sich zu einer
    zehnjährigen „Hudna“ [Waffenstillstand] bereit erklärten, zeugt von Ihrer Unkenntnis
    der Denkweise extremistischer Muslime, die für die „Ausbreitung des Islam durch das
    Schwert“ eintreten, d.h. für die Durchsetzung islamischer Herrschaft und islamischen
    Rechts in allen Staaten der Welt durch das Schwert. (Bin Laden versprach dem
    21

    amerikanischen Volk in einer seiner Botschaften, den Terror gegen die Amerikaner
    einzustellen, falls sie zum Islam übertreten). In meinem Brief an Sie habe ich aus
    Arafats Rede in einer Moschee in Johannesburg zitiert. Das „Hudna“-Angebot der
    Hamas gründet auf demselben Konzept: Den Feind auf eine Feuerpause verpflichten,
    damit die arabische Seite an Stärke gewinnen kann, um dann bei geeigneter
    Gelegenheit wieder über ihn herzufallen, wie Mohammed in Mekka mit dem Koresh-
    Stamm verfuhr, mit dem er eine zehnjährige Hudna vereinbart hatte, die er schon nach
    drei Jahren brach.

    Die iranische Bedrohung

    Das iranische Streben nach Atomfähigkeit hätte durchaus akzeptabel sein können. Es begann
    nicht erst mit dem derzeitigen Mullahregime. Schon der letzte persische Schah, Reza Khan,
    träumte davon, den Iran in eine Regionalmacht zu verwandeln, und die Bemühungen zur
    Erlangung der Fähigkeit der Kernspaltung begannen bereits unter seiner Herrschaft. Der Staat
    Israel hat sich bislang nie gegen die atomare Entwicklung in Staaten geäußert, die ihn nicht
    bedrohen, wie beispielsweise Pakistan. Dasselbe gilt auch für die atomaren
    Aufrüstungsversuche des libyschen Herrschers Muammar Gaddhafi.
    Doch wenn sich ein solches Potential gegen uns richtet, wie dies zum Beispiel vom
    abgesetzten irakischen Herrschers Saddam Hussein angekündigt wurde, zögern wir nicht, es
    zu vernichten. Nun sind wir erneut mit einer lebensgefährlichen Bedrohung konfrontiert,
    diesmal vom Präsidenten des Iran ausgehend. Dieser erklärt bei jeder Gelegenheit, dass er
    gedenkt, eine Bevölkerung von fünf Millionen Menschen auszulöschen, nur weil sie Juden
    sind. Erinnert Sie das nicht an Hitlers Worte im selben Zusammenhang, „Die Juden sind unser
    Unglück“? Wie ist es zu erklären, dass Sie diese Äußerungen in keiner Weise verurteilen?
    Warum wenden Sie sich in Ihrem Manifest nicht an die Vereinten Nationen mit der
    Forderung, die Mitgliedschaft von Staaten zu suspendieren, die anderen Mitgliedstaaten
    unverhohlen mit der Vernichtung drohen? Sie lösen dieses Problem auf sehr elegante Art: Sie
    ignorieren es schlicht…
    Doch was uns anbetrifft, meine sehr verehrten Freunde, geht es um eine konkrete physische
    Existenzbedrohung, um Lebensgefahr. Sich nicht damit auseinanderzusetzen, wäre
    gleichbedeutend mit passivem Warten auf den Tod, so wie es Millionen von Juden taten, die
    von Hitlers Vollstreckern in Todeslagern konzentriert wurden. Wir können deshalb nicht
    warten „bis die Wirtschaftssanktionen Wirkung zeigen“ wie im libyschen Beispiel. Ghaddafi
    hat Israel nie mit atomarer Vernichtung gedroht.
    Zudem: Die atomare Aufrüstung des Iran wäre ohne die geheimen Lieferungen von Knowhow
    und strategischem Material durch zahlreiche europäische Firmen (darunter auch deutsche
    Firmen) und ohne die allgemein bekannte russische Hilfe beim Bau von Atomreaktoren im
    Iran und bei der Beschaffung von Know-how und angereichertem Uran (die von der
    europäischen Friedensbewegung ohne jeden Protest oder andere Gegenmaßnahmen einfach
    hingenommen wurde) nicht möglich gewesen. Sie haben deshalb nicht das Recht, „nicht zu
    diesem Thema Stellung zu nehmen“, denn für uns ist sie eine Frage von „Sein oder nicht Sein.
    Und wir werden nicht noch einmal und passiv auf den iranischen Schlächter warten.

    Die Gespräche mit Syrien

    Sämtliche bisherigen Gespräche mit Syrien bis zu den Verhandlungen, die der israelische
    Ministerpräsident Ehud Barak mit den Syrern führte, scheiterten bislang an einem „kleinen
    Stolperstein“: Über die Forderung der arabischen Staaten hinaus, dass sich Israel auf die
    Grenzen von 1967 zurückzieht, einer Forderung, wir in den Abkommen mit Ägypten und
    Jordanien nachgekommen sind und dementsprechend auch die Markierung der Grenze zum
    Libanon durch die UN akzeptiert haben, beansprucht Syrien (als entmilitarisierte Zonen unter
    syrischer Souveränität) auch die Gebiete, die es im Krieg von 1948 besetzte und bis 1967

    22

    kontrollierte. Zudem fordert Syrien auch den nordöstlichen Teil des Genezareth-Sees, ein
    Gebiet, das nie zum syrischen Hoheitsgebiet gehörte. Diese Forderungen Syriens zu
    akzeptieren, würde bedeuten, dem Grundsatz zuzustimmen, dass der Besetzer Gebiete
    behalten darf, die er sich im Krieg angeeignet hat, ein Grundsatz, der von der arabischen Seite
    immer dann abgelehnt wurde, wenn Israel versuchte, arabische Gebiete unter seiner Kontrolle
    zu behalten wie im Fall Taba bei Eilat.
    Dies ist ein typisches Beispiel für die heuchlerische arabische Haltung, die im Namen der
    Gerechtigkeit den israelischen Rückzug aus allen besetzten Gebieten fordert, und gleichzeitig
    den Anspruch auf Gebiete verteidigt, die arabisch besetzt sind.
    Trotzdem finden, soweit mir bekannt, Geheimgespräche mit der syrischen Seite statt. Ich
    hoffe, dass diese Gespräche Früchte tragen, inklusive Anerkennung der Golanhöhen als
    syrisches Hoheitsgebiet durch Israel. Frieden mit Israel würde Syrien endlich aus der
    politischen Isolation befreien, in der sich das Land derzeit befindet. Dies würde den Syrern
    den Weg in eine bessere wirtschaftliche und außenpolitische Zukunft ebnen. Sie würden
    wieder in die Völkerfamilie zurückfinden und hätten mehr Wohlstand.

    Al Qaida

    Diese Organisation ist im Nahen Osten schon seit Jahren aktiv. Sie ist verantwortlich für
    Anschläge in der Türkei, in Jordanien (Bombenanschläge auf Hotels in Amman) und im
    Libanon (wo sich ihre Kämpfer in palästinensischen Flüchtlingslagern Gefechte mit der
    libanesischen Armee liefern). Al Qaida zeichnet verantwortlich für Terroranschläge auf der
    Sinaihalbinsel (Bombenanschlag auf ein Hotel in Taba) sowie in Jemen, wo ein
    amerikanisches Kriegsschiff getroffen wurde. Al Qaida hat bereits den Gazastreifen infiltriert
    und war führend an terroristischen Aktivitäten gegen die Fatah und offizielle Institutionen der
    palästinensischen Autonomieverwaltung beteiligt. Die Hamas ist ihrer Meinung nach nicht
    genug radikal in ihrem Kampf gegen den laizistischen Teil der palästinensischen [National]
    Bewegung. Deshalb arbeiteten ihre Vertreter vor Ort auf eine Zuspitzung der
    innerpalästinensischen Spannungen durch die Beschießung und Ermordung von Vertretern
    von Präsident Abbas im Gazastreifen hin.
    Natürlich darf man die Ereignisse im Irak nicht vergessen, wo Al Qaida auf der Fortsetzung
    des Krieges gegen die amerikanischen Streitkräfte und die gewählte irakische Regierung
    beharrt. Al Qaida entfaltet seine zerstörerische Wirkung immer dann, wenn die irakische
    Regierung kleine Fortschritte bei Verständigung zwischen den drei Gruppen, Sunniten,
    Schiiten und Kurden, aus denen sich dieser Unglücksstaat zusammensetzt, erzielt. Auf die
    Ereignisse in Südjemen, Somalia und in Ostafrika (Sprengung der amerikanischen Botschaft
    und der gescheiterte Raketenangriff auf ein israelisches Flugzeug) einzugehen, würde hier zu
    weit führen. Doch die dortigen Ereignisse, wie auch die zunehmenden Aktivitäten (der von Al
    Qaida unterstützten) Taliban in Afghanistan verheißen nichts Gutes für die ganze Region. Al
    Qaida ist im Nahen Osten äußerst aktiv. Sie müssen seine Tätigkeit also genau verfolgen,
    bevor sie zu dem Schluss gelangen, dass er in der Region bisher nicht tätig geworden ist.

    Zusammenfassung

    Sie haben sicherlich festgestellt, dass ich in meinen langen Ausführungen nur versucht habe,
    die Fakten richtig zu stellen. Ich weiß nicht, ob diese Richtigstellungen ihre Haltung punkto
    Notwendigkeit, das besondere deutsch-israelische Verhältnis aufzukündigen, beeinflussen
    wird. Ich kann vor einem solchen Schritt nur warnen, denn er würde sich zuallererst gegen
    Deutschland selbst richten, das seit Jahren die Gleichstellung mit den fünf ständigen
    Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates anstrebt. Die Furcht vor der Erstarkung Deutschland
    und, im Falle einer inneren Katastrophe, davor, dass sich Deutschland erneut in einen

    23

    totalitären Staat verwandeln könnte, ist nicht nur eine israelische Angelegenheit. Sie wird
    auch von Polen, von den USA, Kanada, Russland und Tschechien geteilt.
    Solange die deutsche Außenpolitik im besonderen Verhältnis zu Israel verankert ist, ist sie
    gegen einen solchen Verfall gefeit. Ich rate Ihnen, diese Sonderposition zu festigen,
    unabhängig von den derzeitigen Ereignissen im Nahen Osten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dov Ben-Meir

    IV

    Linz, 7.8. 2007
    Dear Mr. Ben-Meir,
    just coming back from holiday I am very pleased to find your answer to our letter in my
    mailbox. I will forward it immediately to the authors of our Manifest, and, if you agree, I will
    also publish it on the homepage of the „Forum Crisis Prevention“ of which I happen to be the
    chairman.
    I am sorry for the delay in confirming that I have got your answer and as well for all the
    trouble you have had with translating our letter into Hebrew, etc. I am sure I may say already
    in the name of all my collegues that we esteem your engagement very much. Again it will
    take some time until you get a reaction as to the content of your letter, but you can be sure we
    will go on and that we will seriously consider to meet you in Israel, if Mr. Benz finds a way
    how to manage that.
    Personally I thought already to invite you to discussions in Germany or Austria and how to
    manage that financially. I would be happy if we could realize both.
    Looking forward to a possible personal meeting and any way to continue our exchange of
    letters,
    Yours sincerely,
    Reiner Steinweg

    24

     

und  

 


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