Ariel Scharon wird 80 (am Mittwoch)

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Jerusalem, 25. Februar 2008 – Seinen achtzigsten Geburtstag „feiert“ der wohl umstrittenste Politiker Israels im Koma. Vor zwei Jahren setzte ein Schlaganfall der Karriere Ariel Scharons ein abruptes Ende. Schon in den vierziger Jahren beteiligte sich der 14-jährige Scharon an den blutigen Konflikten zwischen Juden und Arabern, noch vor der Gründung eines jüdischen Staates, den die Araber mit Gewalt verhindern wollten. In der israelischen Armee machte Scharon Karriere als Berufssoldat an der Spitze der berüchtigten Einheit 101. Sie führte besonders riskante Einsätze jenseits der Grenze im damals jordanischen Westjordanland aus. So entstand schon in den fünfziger Jahren in Israel der Mythos um den mutigen wie eigenwilligen Soldaten. Gleichzeitig war er auf der arabischen Seite gefürchtet. Bei seinen Kommando-Einsätzen starben zu viele Zivilisten.
Während des Jom Kippur Krieges 1973, als Israel überraschend von Ägypten und Syrien angegriffen worden war, trieb der inzwischen ins Zivilleben verabschiedete General als Reservist entgegen stehenden Befehlen einen Keil zwischen zwei ägyptischen Armeen. Er stieß zum Suezkanal vor und marschierte in „Afrika“ ein. Scharon wendete das Kriegsglück Israels und „rettete“ den jüdischen Staat.
Scharon war vor Allem ein Stratege. In den siebziger Jahren brachte Scharon den Widerstand im Gazastreifen unter Kontrolle, indem er mit Bulldozern breite Schneisen durch die Flüchtlingslager schlug und Militärpatrouillen ermöglichte. Während des „schwarzen September“ in Jordanien, als die PLO unter Arafat gegen König Hussein putschte, meinte allein Scharon, dass Israel nicht, auf Bitten der USA, den bedrängten König retten sollte. Arafat sollte Präsident Jordaniens werden. Aber Scharon wurde überstimmt.
Weil die arabischen Staaten jeglichen Kontakt mit Israel ablehnten, glaubten die Israelis, auf den seit 1967 besetzten Gebieten sitzen zu bleiben. Um sie halten zu können wurden Militärstützpunkte an strategischen Orten in zivile Ortschaften verwandelt. Diese „Siedlungspolitik“ wurde von Scharon massiv vorangetrieben. Sie war aus seiner Sicht „zum Wohle Israels“. Doch Scharon war kein Ideologe. Für den Frieden mit dem größten arabischen Land, Ägypten, gab der zum Verteidigungsminister avancierte Scharon die Anweisung, von ihm selber gegründete Siedlungen und Städte auf dem Sinai zu räumen und teilweise zu zerstören. Wenig später, 1982, war der Zustand im Norden Israels wegen ständigem Raketenbeschuss durch die im Libanon herrschende Fatah-Miliz unerträglich geworden. Unter Premierminister Menachem Begin, befürwortete Scharon den ersten Libanonkrieg und ließ Beirut erobern. Gegenüber den Amerikanern bestand Scharon auf einem Abzug der politischen Spitze der Fatah, also Jassir Arafat, mitsamt der kämpfenden palästinensischen Truppen. Nur so könne es Verhandlungen mit den Palästinensern geben, schrieb Scharon in seinen Memoiren. Der Stratege Scharon sah die Osloer Verträge voraus, als die meisten Israelis in Arafat nur den Erzterroristen sahen. Seine politische Karriere endete nach dem Massaker christlicher Falangisten an Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schattillah 1982 bei Beirut. Eine Untersuchungskommission bescheinigte Scharon „indirekte Verantwortung“: Der Verteidigungsminister habe das Blutbad nicht vorhergesehen und nicht schnell genug beendet.
Premierminister Benjamin Netanjahu ebnete Sharons Rückkehr in die Politik, indem er ihn 1996 überraschend zum Außenminister ernannte. „Scharon ist jener Politiker, der am klarsten die Interessen Israels vertritt“, lautete ein doppeldeutiger Kommentar aus dem Libanon. Aus dem Satz konnte man Abscheu und Bewunderung, Respekt und Verachtung herauslesen. Nachdem Premierminister Ehud Barak mit seinen Friedensangeboten gescheitert war, wollte Oppositionschef Scharon Israels Anspruch auf Jerusalem demonstrieren. Für den palästinensischen Politiker Marwan Barghouti war Scharons provokanter Besuch auf dem Tempelberg der willkommene Funke, am nächsten Tag die seit Monaten vorbereitete „El Aksa Intifada“ auszulösen. Im Januar 2001 gewann Scharon als „Retter der Nation“ die Wahlen. Mit dem erneuten Einmarsch in die autonomen palästinensischen Städte nach tödlichen Selbstmordanschlägen, mit der Belagerung von Arafats Amtsitz und dem Bau von Zaun und Mauer, bändigte Scharon die Intifada. Die Zahl der israelischen Toten sank drastisch. Gegen den Willen seiner Likud-Partei aber mit Zustimmung von 76 Prozent der Israelis, verfügte Scharon den völligen Rückzug aus Gaza und einen Teilrückzug aus dem Norden des Westjordanlandes, wo vier Siedlungen geräumt wurden.
Der Stratege Scharon hatte verstanden, dass Israel als jüdischer Staat Bestand haben könne mit Millionen Palästinensern unter einem Besatzungsregime. Mit dem Grenzwall legte er Israels künftige Grenze fest, gegen den Willen der Palästinenser, aber vielleicht „zum Wohle Israels“. Nicht „Frieden“ motivierte ihn, sondern allein die Sicherheit Israels und das physische Überleben des jüdischen Staates. 

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