Hojatiye: Eine schiitische Geheimorganisation

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Hojatiye: Eine schiitische Geheimorganisation

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 
  
Die Hojatiyeh ist eine Geheimorganisation, die an die Wiederkehr des zwölften Imam, an die Wiederkunft des Messias glaubt. Diese Organisation will die Baha´i im Iran vernichten. Auch staatliche iranische Institutionen verfolgen die Baha´i,- allein wegen ihrer Identität.

Die Grundlage der Staatsphilosophie der „Islamischen Republik Iran“ ist die Frage nach der Wiederkehr des zwölften Imam, der als Messias betrachtet wird. Der revolutionäre Klerus müsse unbedingt seine Herrschaft errichten, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der zwölfte Imam zurückkehrt. Das war die Sicht des „Revolutionsführers“ Ayatollah Khomeini. Schon Ali Schariati behauptete, dass der bewaffnete Kampf gegen den Imperialismus und gegen das Schahregime die Wiederkehr des Mahdi, des Messias, beschleunigen werde.

Auch die Hoatiyeh glaubt an den zwölften Imam, aber mit einem anderen Habitus. Die Geheimorganisation der Hojatiyeh verhielt sich von Anbeginn nicht revolutionär. Sie versuchte erfolgreich Einfluss auf die Macht auszuüben. Seit über 50 Jahren verfolgt diese Organisation das programmatische Ziel der Vernichtung der Baha´i-Religion. Sie kämpft ferner gegen alle Säkularisten.

Die Hojatiyeh hat auch die schiitische Haqqani-Schule stark beeinflusst und arbeitete stets mit ihr zusammen. Ayatollah Mesbahe Yasdi, ein Lehrer des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad, gehört dieser Schule an. Die messianischen Vorstellungen des iranischen Präsidenten sind nicht neu. Auch einige Regierungsangehörige des Präsidenten Ahmadinedschad glauben, dass die Welt tief versinken muss, bis der 12. Imam erscheint.

Die Gründungsgeschichte der Hojatiyeh

Scheich Mahmud Halabi ist der Begründer der Organisation der Hojatiyeh. Halabi hatte zuvor gemeinsam mit Mohammad Taqi Shariati einen Verein namens „Verein zur Verbreitung islamischer Wahrheiten“ gegründet. Abedsadeh war ein weiterer Mitstreiter von Halabi, der den „Koran-Verein“ leitete. Sie arbeiteten gegen die britisch-iranischen Beziehungen und unterstützten in diesem Kontext den damaligen Ministerpräsident Mohammad Mussadiq, der wiederum die „Nationale Front“ des Iran führte.

Für Halabi gab es eigentlich nur einen Feind: Die Baha´i-Religion. Er gründete daher bald einen Verein, der explizit „Anti-Baha´i-Verein“ hieß. Im Jahre 1953 wurde dieser Verein in „Anjomane Hojatiye Mahdawiye“, der „messianische Hojatiye Verein“ umbenannt. Halabi erlitt eine schwere persönliche traumatische Niederlage als einer seiner besten Genossen, Abbas Alawi, Baha´i wurde. Er beschloss seinen Kampf gegen die Baha´i zu verstärken, schreibt Reza Khojasteh Rahimi, Redaktionsmitglied der in Teheran erscheinenden „Shahrwande Emrooz“. Diese Zeitschrift wird von Mohammad Qochani herausgegeben, einer der intellektuellen Unterstützer des Ex-Präsidenten Mohammad Khatami.

Hojatiyeh erhält freie Hand vom Schah, damit er still hält

Saeed Harjarian, ein weiterer islamistischer Intellektueller im gegenwärtigen Iran schreibt in der selben Zeitschrift, dass der Schah nach dem CIA-Putsch von 1953 rund zwei Jahre lang der Hojatiyeh freie Hand gelassen habe, damit diese gegen die Baha´i hetzen können. Mohammad Taqi Falsafi, ein Mitglied der Hojatiyeh erhielt die Möglichkeit eine Anti-Baha´i-Sendung im staatlichen Radio zu senden. Das war der Preis dafür, dass die Organisation nicht politisch gegen das Schahregime agierte. Die Hojatiyeh arbeitete still weiter. Tatsächlich überzeugte Halabi sogar den Großayatollah Mohammad Hussein Tabatabai Borujerdi eine Fatwa gegen die Baha´i zu schreiben. Falsafi machte aber einen Fehler und ging einen Schritt zu weit. Er agitierte auch gegen die Bodenreform des Schahs. Daraufhin ließ Assadollah Alam, Justizminister des Schahs, Falsafi verhaften.

Hojatiyeh vor der „islamischen Revolution“

Strategisch hatte die Organisation der Hojatiyeh sich in den 60er und 70er Jahren entschieden sich nicht politisch zu beteiligen. Geistliche wie Ayatollah Ahmad Khansari setzten sich immer wieder für Hojatiyeh ein, damit die Organisation nicht verboten werde. Halabi gründete innerhalb der Hojatiye „Komitees“ mit unterschiedlichen Aufgaben. Ein Komitee bekam die Aufgabe die Baha´i auszuspionieren und ein weiteres „Komitee“ war für die Propaganda gegen die Baha´i zuständig. Halabi selbst schrieb ein tausendseitiges Buch, um die Baha´i-Religion zu widerlegen, schreibt die iranische Zeitschrift.

Die Hojatiye interessierte sich nicht für den Kampf gegen den Schah und gegen den Imperialismus. Sie unterstützten auch nicht die politischen Aktivitäten des jungen Khomeini im Jahre 1963. Für sie war der Kampf gegen den Imperialismus zweitrangig. Halabi glaubte in den 60er Jahren, anders als Khomeini, dass der „Retter“, der zwälften Imam, kommen werde, und erst nach seinem Erscheinen werde eine islamische Revolution reif sein. Halabi glaubte, dass der Messias die Revolution führen müsse. Daher beteiligte er sich auch nicht an den Protesten gegen den Schah. Erfolgreich hatte Falsafi, einer der Mitglieder dieser Geheimorganisation, doch auch eine Zeitlang sogar vom Schah die Möglichkeit erhalten gegen die Baha´i-Religion zu agitieren.

Hojatiyeh nach der „islamischen Revolution“

Als die „islamische Revolution“ im Jahre 1979 tobte, gehörte Scheich Mahmud Halabi nicht zu den Revolutionären. Er änderte seine Strategie erst als Ayatollah Khomeini an die Macht kam. Halabi kandidierte sogar für das erste Pseudoparlament Khomeinis und bekam 307.374 Stimmen in Mashad. Dies reichte dennoch nicht aus, um ins Madschless zu kommen.

Halabi wollte nun die Islamische „Republik“ mitgestalten. Seine Organisation legte sogar einen Verfassungsentwurf vor. Auch ohne das Erscheinen des zwölften Imam, war Halabi damit einverstanden, dass das Prinzip der Herrschaft des Klerus in der Verfassung festgeschrieben werde.

Und trotzdem war Hojatiyeh nicht gänzlich von den khomeinistischen Revolutionären willkommen. Die Anhänger dieser Geheimorganisation hatten nicht gegen den Schah gekämpft und sie arbeiteten auch noch selten mit den anderen islamistischen Gruppierungen zusammen. 1982 kritisierte Ahmad Jannati diese Organisation öffentlich. Die Hojatiyeh waren damit aufgefallen, Schlüsselpositionen im iranischen Geheimdienst zu besetzen. Reza Khojaesteh Rahimi berichtet, Jannati habe damals die Hojatiyeh gefragt: „Warum wollt ihr unbedingt in die Geheimdienstzentren? Wollt ihr euch kulturell betätigen oder politisch? Warum gebt ihr eure Informationen nicht weiter an die revolutionären Organe? Dürfen denn etwa die Revolutionsgarden und andere revolutionäre Organe nicht über die Informationen verfügen, die ihr habt? Sollen die revolutionären Organe nicht die Konterrevolution verfolgen? Warum wollt ihr nicht eng mit den Revolutionsgarden zusammenarbeiten?“

Die Organisation der Hojatiye antwortete auf die Fragen des mächtigen Klerikers konziliant. Man wolle keineswegs die staatlichen Institutionen politisch beeinflussen. Es gehe nur um eine religiöse „Pflichterfüllung.“ Die Hojatiyeh bekam dennoch massive Kritik. Ayatollah Khomeini persönlich, aber auch Ayatollah Madani kritisierten die Hojatiye, weil diese unkontrollierbar erschien. Die Hojatiyeh aber versuchte immer wieder ihre Treue zur „Islamischen Revolution“ unter Beweis zu stellen. Gleichzeitig wurde die Organisation von anderen einflussreichen Persönlichkeiten der islamischen „Republik“, wie Abolqassem Khase-Ali unterstützt. Ab 1983 wurde es wieder leise um die Hojatiyeh. Sie wollten überleben und langfristig Einfluss ausüben, auf die Macht im Staat.

Taher Ahmadzadeh schreibt in derselben Zeitschrift, dass die Hojatiye-Mitglieder sich zwar nicht an der Revolution beteiligt haben, aber viele von ihnen seien nach der Revolution in die Partei Khomeinis, in die „Islamisch Republikanische Partei“ eingetreten. Dennoch blieben die Fragen und Konflikte über die richtige Taktik. Sollten zuerst die Baha´i bekämpft werden, was die Hojatiye forderte oder der US-Imperialismus, was Khomeini forderte. Beide gehörten trotz der Differenzen zu einer islamistischen Front, die Baha´i, den US-Imperialismus, Israel, die westlichen Demokratien insgesamt und alle iranischen Säkularisten bekämpfen wollten.

Hojatiyeh sollen dieselben Rechte haben wie alle anderen islamischen Gruppen

Auch Emadol-Din Baqi war staatlicher „Menschenrechtsbeauftragter“. Er selbst sagt, dass er ein glühender Anhänger Khomeinis war und mit den Revolutionsgardisten Kontakt hatte. Es ist nicht klar, ob er für die Revolutionsgardisten direkt gearbeitet hat, wie manche Experten behaupten. Tatsache ist, dass er die Entlassung einiger Universitätsprofessoren seit der Regierungsübernahme von Ahmadinedschad kritisierte und deswegen für eine kurze Zeit ins Gefängnis kam und gegen Kaution frei gelassen wurde. Dennoch vertritt er merkwürdige Ansichten und setzt sich für die Freiheit der Hojatiyeh ein.

Baqi sagt in einem Interview mit der oben genannten Zeitschrift, dass viele der islamischen Revolutionäre „Begegnungen“ mit der Hojatiye gehabt haben. Auch er hatte regen Kontakt mit ihnen. Baqi entschuldigt die Hojatiye damit, dass diese zwar nicht wirklich gegen den Schah gekämpft habe, aber immerhin soll die Organisation nach der Revolution Bücher veröffentlicht haben, die das Ziel verfolgten nachzuweisen, dass der Messias ein islamischer Revolutionär sein müsse. Letztlich habe auch Ali Schariati ähnlich argumentiert, allerdings vor der Revolution. Für Schariati habe der Guerillakämpfer die Rolle gehabt im bewaffneten Kampf gegen den Imperialismus das Kommen des Messias zu beschleunigen.

Baqi entdeckt sogar Ähnlichkeiten in den pauperistischen Visionen von Hojatiye und mancher Sozialisten. Beide gingen davon aus, dass die Unterdrückung und Armut zunehmen müsse, bis ein „Retter“ der Welt wiederkehre. Zwar haben die Sozialisten nicht wirklich auf einen „Retter“ gewartet, aber pauperistische Sozialisten gab es in der Tat, wie es sogar einen Präsidenten Ahmdinedschad gibt, der glaubt, dass die Wiederkehr des Messias anstehe, weswegen er militärisch aufrüstet und aufrüstet.

Im Iran können die Baha´i allein wegen ihrer öffentlichen Identität verhaftet werden. Der islamistische Khomeinibewunderer und vermeintliche „Menschenrechtler“ Baqi sagt über die Organisation, die seit über 50 Jahren das Ziel verfolgt die Baha´i zu vernichten, dass die „Hojatiye dieselben Rechte haben sollen, wie alle anderen islamischen Gruppen in der Islamischen Republik Iran.“

Alle Islamisten unterschiedlicher Schattierungen sollen die gleichen Rechte haben, nicht aber die nicht-islamistischen Iraner, die sich als Muslime, Juden, Christen, Zoroastrier, oder Baha´i, als Frauen und Jugendliche, als Kurden, Araber, Türkmenen, Beluchen oder Perser für eine Trennung von Staat und Religion und für einen freien Iran einsetzen.

 

 

 


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