Ein iranischer Politiker in Voice of America

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Ein iranischer Politiker in Voice of America

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Die Iraner dürfen heute ihr zukünftiges Pseudoparlament „wählen“. Sie wählen nicht ihre Kandidaten, sondern die des khomeinistischen Politbüros, des Wächterrates und des Führers. Daher sollen hier Stimmen Gehör finden, die meist untergehen.

Dr. Nuruldin Pirmosen, von den heutigen Wahlen ausgeschlossenes Mitglied des Madschless, kritisierte die Wahlen in Voice of America.

Iran marschiert in die falsche Richtung: nach Russland

Nuruldin Pirmosen war der Sprecher der Minderheit im iranischen Pseudoparlament, Madschless. Bei seinem Aufenthalt in den USA gab er Wafa Mostaqim, Moderator der persischsprachigen Sendung von Voice of America, ein Interview. Inzwischen werfen iranische Medien die Frage auf, ob Pirmosen überhaupt in den Iran zurückkehren werde, denn er habe doch mit dem Interview dem Feindsender gedient.

Pirmosen gestand in Voice of America, dass er an Reformen geglaubt habe. Er habe sogar ein Jahr lang gewartet, bis er angefangen habe, die Regierung Ahmadinedschad zu kritisieren. Diese Regierung verbreite die „Kultur der List“ und habe alle Schlüsselpositionen mit ihren Anhängern besetzt. Die qualifizierten Kräfte seien dagegen nun disqualifiziert worden. Pirmosen kritisierte die Regierungspolitik, die zu Inflation und Kapitalflucht geführt habe. Die Regierung regiere eigentlich ohne das Madschless. Zumindest werde das Madschless erst gar nicht informiert. Die Mitglieder wüssten nicht, wie viel Geld beispielsweise an Russland bezahlt worden sei, damit die Leichtwasserreaktoren in Bushehr fertig gestellt werden. Die Regierung gäbe auch dem Madschless nicht bekannt, wohin genau die Öleinnahmen überhaupt fließen.

Pirmosen kritisierte in Voice of America die russlandfreundliche Politik des iranischen Regimes. Putin handle nicht gemäß iranischer Interessen. Iran müsse endlich mit den USA und der übrigen Welt verhandeln, zumal die USA dem Iran viel näher stünden als Russland. Pirmosen meint, dass er aus Ardebil an der iranisch-russischen Grenze stamme. Kaum ein Iraner wolle in Russland leben. Dagegen lebten 3,5 Millionen erfolgreich in den USA. Das Kapital der in den USA lebenden Iraner betrage allein 6000 Milliarden US Dollar.

Anstatt die „Mauer des Misstrauens“ zu durchbrechen, propagiere die iranische Regierung eine „Theorie des Aberglaubens“ gegen die USA und laufe Russland hinterher. Die russisch-iranischen Beziehungen würden aber den iranischen Interessen mitnichten nützen.

Pirmosen kritisierte die gefährliche Konfrontationspolitik des Iran in Hinblick auf das Atomprogramm. Immer wenn der UN-Sicherheitsrat Resolutionen gegen den Iran verabschiedet habe, sei am selben Tag ein Hamas-Führer mit iranischen Politikern demonstrativ aufgetreten. Weder der Wächterrat noch der Präsident nehmen offenbar die Entscheidungen der UNO ernst.

Pirmosen weist auf die 40 Millionen jungen Menschen hin, die andere Bedürfnisse hätten als die Iraner vor 30 Jahren. Die Reformer hätten sich zunächst für die Teilnahme an den Wahlen ausgesprochen, aber dank der hohen Zahl von Ausschlüssen schlittere das Land in eine „vollkommene Diktatur.“ Solange der Wächterrat alle Kandidaten im Vorfeld auswähle, würden die Wahlen stets eine Niederlage sein.

Bekannte Intellektuelle boykottieren die Wahlen

Ferner haben einige namhafte iranische Intellektuelle, die sich „nationalistische Kräfte“ nennen, angekündigt die Wahlen zu boykottieren. Sie stellen fest, dass ein „pluralistisches Parlament“ eine demokratische Herrschaft gewährleiste. Im Iran dürften die Bürger jedoch nicht ihre Kandidaten wählen. Die Institution, die über die Wahlen im Iran wache, verhindere, dass qualifizierte Persönlichkeiten die „Leitung der Gesellschaft“ übernehmen. Täglich würde das „Spektrum der wählbaren Kandidaten schmaler werden.“ Die Unterzeichner dieser Erklärung warnen, dass langfristig die Bevölkerung mit unterschiedlichen Methoden auf die Gleichgültigkeit und Gewalt der Regierung antworten werde.

Sie kritisieren, dass die staatliche Macht im Iran in den Händen einiger weniger Menschen konzentriert sei. Das Madschless könne nicht mehr das „Haus des Volkes“ genannt werden. Die Wahlen seien „lächerlich und würden das iranische Volk lächerlich machen.“

Tot geborene „Wahlen“

Die Website „Madresseye Feministi“, die „feministische Schule“, wurde im Vorfeld der Wahlen gefiltert, d.h. iranische Internetbenutzer können diese Website nicht mehr lesen. Im Folgenden wird ein Artikel zusammengefasst, der dort kurz vor dem Verbot veröffentlicht worden ist.

Die anonyme Autorin schreibt, je näher die Wahlen rückten, desto lauter würden die „Schreie der Reformer“ in den Wohnzimmern der iranischen Mittelschichten. Sie wirft die Frage auf, ob der vermeintlich existierende Dualismus zwischen dem republikanischen und dem islamischen Charakter des politischen Systems überhaupt eine ausschlaggebende Rolle spiele.

Die Reformer seien nicht wirklich eine relevante Bewegung im Iran. Republikanische Ziele könnten gar nicht im Rahmen der iranischen Verfassung umgesetzt werden.

Die Autorin fragt, was denn überhaupt zu erwarten wäre, wenn sogar die Reformkandidaten disqualifiziert werden würden. Zumal sie auch in den letzten 30 Jahren keine Reformen durchgesetzt haben. Die Wahlen im Iran seien eine Totgeburt.

Die Reformbewegung unter Khatami habe strukturelle Probleme im politischen System des Iran deutlich gemacht. Es seien Strukturprobleme, die elementare Freiheiten nicht zulassen würden. Die Reformer hätten stets ihre Partizipation am politischen System als einen Sieg gefeiert, als ob sie wirklich mit ihrer Teilnahme an der Macht auch erfolgreich Reformen durchgesetzt und Freiheiten eingeführt hätten.

Die Autorin differenziert zwischen dem Phänomen der Revolution von 1979, die erfolgt sei, um der Gesellschaft Freiheit zu bringen, und der historischen Tatsache der Errichtung eines politischen Systems, das durch den Klerus geschaffen wurde. Schon die frühere gesellschaftliche Unterstützung für den Ex-Präsidenten Khatami sei lediglich mit dem Wunsch nach Freiheit zu erklären. Diese Ideale seien jedoch durch den „Aberglauben“ an die Regierung „kanalisiert“ worden. Die Freiheitsvorstellungen der Iraner seien schließlich durch die „populistischen Konservativen“, die Ahmadinedschad unterstützen, vollends unterdrückt worden.

Die Autorin konstatiert, dass die Gesellschaft in der Reformbewegung Freiheitsvorstellungen formuliert habe, die schon in der Revolution von 1979 formuliert worden seien. Diese würden die „unerfüllten Hoffnungen“ der Iraner widerspiegeln.

Wahlen seien im Iran bedeutungslos. Dies sei bereits bei der Khatami-Bewegung deutlich geworden. Denn schon im Prozess der Wahlen der Khatami-Regierung seien alle gesellschaftlichen Akteure zum Gehorsam gezwungen worden. Auch die Khatami-Regierung habe potentielle politische Entwicklungen der Gesellschaft gänzlich eingeschränkt, indem vorgeschrieben worden sei, innerhalb der islamischen Verfassung arbeiten zu müssen. Diese Strategie habe schließlich zur Folge gehabt, dass das politische System es geschafft habe, seine Widersprüche zur gesellschaftlichen Realität zu kaschieren.

Es sei in der Logik des politischen Systems, dass nun auch manche „Kinder der Revolution und Anhänger von Imam Khomeini“ von der Kandidatenliste der Wahlen ausgeschlossen würden. Es sei ein Ding der Unmöglichkeit davon auszugehen, dass die Reformer jemals die Mehrheit im Madschless erreichen könnten und infolge dessen die politischen Verhältnisse ändern könnten.

 

 

 


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