Mit dem Limokopter über Israel
Serie: 60 Jahre Israel ULRICH W. SAHM Jerusalem, 19. April 2008 – „Dann möchte ich ja gerne wissen, wie ein normaler Helikopter aussieht, wenn dies ein Limokopter ist”, frotzelt Eli Ovitz vom „Israel Project”, während er auf der Bank mit abgewetztem tiefblauen Kunstleder Platz nimmt. Dieser pro-israelische Informationsdienst hat schon 750 Journalisten zu Rundflügen eingeladen. Der Pilot zurrt unsere Sicherheitsgurte fest. Und schon geht es sanft wie im Fahrstuhl in die Luft vom Flughafen Herzlija nach Norden, zur Wespentaille Israels. Nur 15 Kilometer ist Israel zwischen Mittelmeer und Kalkilja im besetzten Westjordanland bei Netanja breit. Zwei Minuten später fliegt der Limokopter an der Mauer entlang. Sie wurde 2003 errichtet. Palästinensische Häuser stehen bis hart an die „Grüne Linie”, der alten Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien. Entlang dieser Grenzlinie verlegte Israel seine erste Maut-Autobahn. Der 15 Kilometer breite Engpass zwischen dem Norden und Süden des Landes machte eine zusätzliche Verbindungsstraße notwendig. Die Höhe der Mauer, 8,5 Meter, wurde hier berechnet. Vom höchsten palästinensischen Haus aus sollte das Obergeschoss eines Doppeldecker Busses nicht von Scharfschützen getroffen werden können. Schon während des Baus der Autobahn und nach ihrer Fertigstellung wurden mehrere Israelis vom palästinensischen Gebiet aus mit gezielten Schüssen getötet. Nach einer halben Minute Flug endete die Mauer und mündete in eine helle Narbe durch die Landschaft, bis an den Horizont. Vom tief fliegenden Hubschrauber aus ist gut zu sehen, wie dieser Sicherheitszaun aus einer geteerten Patrouillenstraße, Maschendrahtzaun und geharktem Sand besteht, um darin Fußspuren auszumachen. Zwischen Hable und der Siedlung Alfei Menasche trennt wieder ein Stückchen Mauer die dicht beieinander stehenden arabischen und jüdischen Häuser.
Während Ovitz aus einer mitgebrachten Hochglanz-Broschüre Statistiken über einen drastischen Rückgang der Terroranschläge und der israelischen Toten seit dem Bau von Sicherheitszaun und Mauer vorliest, fliegt unser Limokopter in Richtung Jerusalem. Auf einigen kahlen Hügeln der biblischen Landschaft sind Ruinen von 1948 zerstörten arabischen Dörfern zu erkennen. Eine noch unfertige Eisenbahnbrücke endet im Nichts. Jenseits einer Autobahn öffnet sich ein riesiges Loch: ein Steinbruch. Und schon dreht der Pilot eine Runde über Jerusalem. Das Panorama Jerusalems mit der goldenen Kuppel des Felsendoms bietet aus der Vogelperspektive ungewohnte Motive. Innerhalb weniger Minuten ist der Chip der Digitalkamera voll mit einem Gigabyte Luftaufnahmen. Kirchen, die Knesset, das Israel-Museum und andere Sehenswürdigkeiten sind abgespeichert, als der Pilot mit dem Finger auf Ariel Scharons Privatfarm in der Nähe von Sderot weist. Nach einer Ehrenrunde für die Fotografen an Bord rund um die eingezäunte Farm landen wir auf einem Asphaltplatz neben Scharons Villa. Eine Limousine auf vier Rädern wartet schon auf unseren Limokopter. Ovits fährt mit uns zu einem Aussichtspunkt. Gaza ist in der Ferne zu erkennen. Der eigentliche Aussichtpunkt, einen halben Kilometer näher am Gazastreifen, ist gesperrt seitdem ein Berater des Sicherheitsministers einen Schuss „zwischen die Beine” abbekommen hat. Vor einer Woche hieß es, er schwebe nicht in Lebensgefahr, aber seine Verletzung werde „psychologische Folgen” haben. Alles ist ruhig, aber Ovits ist nervös. „Wir sollten uns hier nicht zu lange aufhalten.” Weiter geht es nach Sderot, vorbei an frisch aufgestellten vorgefertigten Bunkern, die bei Bushaltestellen als Unterstand dienen. Ovits will uns das „Kassam-Museum” zeigen, im Hinterhof der Polizeistation. Auf Metallregalen liegen da hunderte verbogene Reste von Kassamraketen, die vom Gazastreifen auf Sderot abgeschossen worden sind. Anhand der rot oder gelb angemalten Raketenflügel kann die Organisation ermittelt werden, die sie abgeschossen hat: Hamas, Dschihad, Al Aksa Brigaden. Auf einer Rakete klebt ein Sticker mit hebräischer und arabischer Inschrift. Auf dem Weg zum Helikopter meldet der Rundfunk neuen Raketenbeschuss. Wir fliegen nach Norden. „Wegen militärischer Aktivitäten müssen wir Distanz zum Gazastreifen halten”, erklärt der Pilot, während neben uns das häufig beschossene Rutenbergkraftwerk auftaucht. Das israelische Kraftwerk produziert 60 Prozent des im Gazastreifen benötigten Stroms. Der Jachthafen von Aschdod sieht aus der Luft aus wie ein siebenarmiger Leuchter. Wir dürfen sogar den Frachthafen von Aschdod fotografieren. Nur über Javne bittet der Pilot kurz, das Knipsen einzustellen. Links, in der Ferne, liegt der Versuchsreaktor Nahal Sorek. Nach dem Flug über die Vorstädte von Tel Aviv und dem alten Jaffo breitet sich bis an den Horizont ein riesiges Häusermeer aus: Israels Metropole. Und schon passieren wir die modernen Glashäuser der Hightech-Industrie, sowie ein etwas unordentlich aussehendes Hauptquartier des Geheimdienstes. Innerhalb von drei Stunden, mitsamt einer Stunde Aufenthalt in Sderot haben wir halb Israel gesehen. Es ist ein bemerkenswert winziges Land. Mit dem Limokopter über Israel
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