Von Hungersnot über Gasmasken zu Weltuntergangsparties – Serie: 60 Jahre Israel

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Jerusalem, 6. Mai 2008 – Dröhnende Popmusik drang aus dem Pub in einem der ehemaligen Klostergebäude des russisch-orthodoxen Hospiz mitten in Jerusalem. „Wir haben schon den Stellungsbefehl Nummer 8 in der Tasche”, sagte einer der jungen Männer, während Mineralwasserflaschen in den Jugendklub schleppt. Das war am 14. Januar 1991, am Abend vor Ausbruch des Irakkriegs. „Ehe es schon wieder in den Krieg geht, wollen wir noch einmal so richtig den Weltuntergang feiern.” Die gesamte Bevölkerung Israels war damals schon mit Gasmasken ausgestattet worden, aus Furcht vor irakischen Scud-Raketen mit Giftgas.
Die Szene könnte nicht typischer sein für das Selbstverständnis der Israelis. Das Leben muss weitergehen, hatten die Juden sogar in den Vernichtungslagern der Nazis gesagt. Sie malten, dichteten, komponierten Musik, sangen und spielten Theater. Der Lebenswille schreibt vor, selbst angesichts des Todes nicht in Stumpfsinn und Verzweiflung zu versinken. Das gilt umso mehr für den Staat Israel, der mit unheimlicher Regelmäßigkeit alle zehn Jahre mit Krieg konfrontiert war. Gleichzeitig hielt Israel an einer demokratischen Staatsform fest. Trotz Hungersnot nach der Staatsgründung und fast ohne Bodenschätze stieg Israel zu einer potenten Wirtschaft und einer der bedeutendsten Militärmächte der Welt auf. Das winzige Israel mit nur 7 Millionen Einwohnern und so groß wie Hessen zählt zu den zwanzig führenden Ländern beim Patentamt. Es produziert Computerchips, ohne die weder die Banken im Libanon noch die Internet-Fans in Deutschland ihre PC laufen lassen könnten. Nicht nur Kriege gegen die halbe arabische Welt musste Israel 1948, 1956, 1967, 1973, 1982, 1991 und 2006 bestehen, sondern auch mörderische Aufstände der Palästinenser. Hinzu kam noch eine internationale Kampagne der Entlegitimierung des jüdischen Staates. Erst wollten die arabischen Staaten die „Juden ins Meer werfen”. Die UNO folgte mit Erklärungen und Resolutionen, die teilweise so rassistisch motiviert waren, dass die Vereinten Nationen sogar eine ihrer böswilligsten Resolutionen annullierte.  Heute predigen ganz offen die palästinensische Hamas-Organisation, die libanesische Hisbollah, Osama Bin Laden und allen voran Irans Präsident Ahmadinidschad die Vernichtung Israels, teilweise kaschiert mit ideologisch korrekten Formeln wie „Antizionismus”, der Forderung nach einem vermeintlichen „Rückkehrrecht” für alle palästinensischen Flüchtlinge mitsamt ihren Nachkommen oder der Forderung nach einem „Staat für alle Bürger”.
Zu den wenig beachteten Phänomenen der kurzen Geschichte Israels zählt, dass der Staat in schneller Folge seine Verbündeten und damit auch seine Waffenlieferanten wechselte. Gleichzeitig weigerte sich Israel, seine Verteidigung einem formalen Bündnis wie der NATO oder gar fremden Soldaten zu unterwerfen. Die wichtigste Lehre aus dem Holocaust ist für die Juden, dass letztlich auf niemanden Verlass ist und dass nur sie sich selber verteidigen können. 1948 dachten die Amerikaner darüber nach, den jüdischen Staat nicht zustande kommen zu lassen, während die Sowjets unter Stalin in Israel einen potentiellen bolschewistischen Partner sahen und Waffen über die Tschechei lieferten. Die nächsten beiden Kriege bestritt Israel mit französischen Mirage und britischen Sherman-Panzern. Die Amerikaner betrachteten Israel erst ab 1970 als „unsinkbaren Flugzeugträger”. Und im Hintergrund erwiesen sich ausgerechnet die Deutschen als stillschweigende, aber durchaus vertrauenswürdige Freunde, obgleich sich die Bonner Republik erst 1965, infolge eines ägyptischen Verstoßes gegen die „Hallstein-Doktrin” (nicht-Anerkennung der DDR), überwand, Israel anzuerkennen. Die DDR sah fast bis zuletzt in Israel einen Vorposten des faschistischen Imperialismus. Sie unterstützte kräftig die Feinde Israels und stellte die Logistik für Terroranschläge der PLO, etwa in München 1972.
Das alles konnte die Israelis nicht abhalten, aus ihrer Metropole Tel Aviv eine „Stadt ohne Pause” zu machen, wo es um drei Uhr Nachts Verkehrsstaus vor Schwulenklubs gibt, entlang der Strandpromenade und bei den Theater- wie Konzerthallen. Auch wenn in Israel längst nicht mehr Wasser in Wein verwandelt wird, produzieren sie Weine, die in Frankreich preisgekrönt werden. „Die Juden lieben das Leben”, anerkennen sogar Palästinenser, während sie den schrecklichen Spruch hinzufügen: „so wie die Palästinenser den Tod lieben.” Auch wenn heute vor jedem Restaurant ein Wachmann mit Metalldetektor steht, an jedem Eingang die Taschen durchsucht werden, als wolle man ein Flugzeug besteigen, lassen sich die Israelis nicht einschüchtern, dennoch japanischen Suschi, Thai-Suppen oder arabischen Humus im Fladenbrot zu genießen. Junge Israelis  haben oft genug während ihres mehrjährigen Wehrdienstes dem eigenen Tod ins Auge geschaut. Für sie ist das Grund genug, nach dem Wehrdienst das Leben so richtig zu genießen. Zu Tausenden zieht es sie nach Südamerika, nach Goa in Indien oder nach Nepal. Wichtiger als ein diffuser Wunsch nach Frieden mit arabischen Diktaturen oder ideologisch verblendeten Islamisten ist wohl der Wille, zu überleben und gut zu leben. Und wo sonst gibt es heute ein Volk, dessen pure Existenz von Intellektuellen wegdiskutiert und dessen Selbstbestimmungsrecht als künstlich abgetan wird, dessen Überleben mit Kriegsdrohungen und sogar mit der Atombombe in Abrede gestellt wird.

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