Die Militarisierung der Wahlorganisation in Iran

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Die Militarisierung der Wahlorganisation in Iran 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Der ehemalige Geheimdienstminister des Iran, Ali Yunessi, kritisiert die Militarisierung der Wahlorganisation des iranischen Pseudo-Parlaments, Madschless. Auch die linksislamistische „Organisation der Mojahedine Enqelabe Eslami“ bezweifelt die Richtigkeit der Wahlergebnisse zum achten Madschless.

Nachdem die erste Runde der Wahlen am 14. März zu keinem endgültigen Ergebnis führte, gewann das zerstrittene Lager um den Präsident Ahmadinedschad in der zweiten Wahlrunde am 25. April die meisten Sitze.

In den ersten Jahren nach der islamischen Revolution von 1979 wurden bereits alle linken und rechten säkularen Kräfte im Iran und bald auch die Nationalreligiösen verboten. Inzwischen werden mehr und mehr sogenannte linksislamistische „Reformkräfte“ vom Zirkel der Macht ausgeschlossen. Die islamistischen Reformer, die bisher kaum Reformen durchsetzen konnten, schwören dabei vergeblich auf den ersten Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und auf die islamische Revolution.

Die Kritik des Ex-Geheimdienstministers

Kein Geringerer als der Ex-Geheimdienstminister Ali Yunessi beispielsweise beklagt die ungerechte Prozedur der Wahlen. Rund 70 Prozent der Wähler in den Großstädten seien frustriert und hätten deswegen nicht an den Wahlen teilgenommen, meint Yunessi in einem Interview mit der Zeitung Etemaad am 7. Mai.

Der Ex-Geheimdienstminister weiß, dass die Massendiktatur ohne die Masse immer schwächer wird. Daher kritisiert er die Politik, die ein solches Ergebnis in den Großstädten des Iran gezeitigt habe. Diese Politik richte sich gegen die Sicherheit des Staates, denn das Ziel der islamischen Revolution sei ursprünglich die Partizipation an den Wahlen gewesen. Er fragt, warum man sogar Muslimen, die sich dem Führer und der islamischen Revolution verpflichtet fühlen, disqualifiziere. Sogar hochrangige Richter, Gouverneure und Kleriker seien als Kandidaten disqualifiziert worden, obwohl sie schon heute sehr sensible Ämter bekleiden. Eine solche Politik entspräche nicht den nationalen Interessen und sei schädlich.

Yunessi, der Ex-Geheimdienstminister, vergleicht den innerislamistischen Streit und den Ausschluss der sogenannten islamischen Reformer der Diktatur mit den Methoden, die Kommunisten oder terroristische Organisationen verfolgt haben. Er spricht von einer „unmoralischen Krankheit, einer politischen Intoleranz.“ Diese Haltung sei inzwischen ein „herrschendes Prinzip, ein akzeptierter Diskurs“. Er schreibt von einer „schmutzigen Methode“, wenn politische Gegner bei den Wahlen zerstört werden.“ Offenbar „schmutzig“ weil inzwischen auch Islamisten der ersten Stunde ausgeschlossen werden.

Yunessi schreibt: „Gegenwärtig fühlen sich die Führungskräfte nicht sicher.“ Zudem würde sich „niemand, in keinem Amt mehr sicher fühlen.“ Sogar beim Freitagsgebet werden „Schlammschlachten“ ausgetragen.

Er kritisiert ferner, die „vorher nie so stark dagewesene Präsenz von Militärs.“ Diese haben die Wahlorganisation durchgeführt und sie gleichzeitig kommentiert. Ein Militärangehöriger, den Junessi nicht nennen wollte, habe beispielsweise gesagt, dass Pasdaran und Militärs sich im Krieg eingemischt hätten und sich selbstverständlich auch bei den Wahlen einmischen würden. Dies sei eine revolutionäre Tat.

Yunessi kritisierte dagegen, die Armee dürfe sich nicht in solche politischen Angelegenheiten einmischen, sonst würde sie sich kraft politischen Streits selbst schwächen.

Linksislamisten sprechen von Wahlmanipulation

Die iranische Zeitung Norooz veröffentlichte am 5. Mai eine Erklärung der linksislamistischen Organisation der „Mojahedine Enqelabe Islami“, der „Kämpfer der Islamischen Revolution“.

Der Erklärung der „Mojahedine Enqelabe Islami“ zufolge seien diese „Wahlen ohne Zweifel beispiellos gewesen.“ Möglicherweise müsse man inzwischen auch von einem „neuen Kapitel im Verhältnis zwischen Herrschaft und Volk“ sprechen.

Den Angaben des Wächterrates zufolge haben sich 7597 Kandidaten, unter ihnen rund 900 Reformer angemeldet. In einer ersten Runde seien 5000 Kandidaten von regionalen Wahlkommissionen des Wächterates anerkannt worden, d.h. rund 33 Prozent der ursprünglichen Kandidaten seien disqualifiziert worden. In einer zweiten Runde seien weitere 2000 Kandidaten disqualifiziert worden. In einer abschließenden Runde habe dann der Wächterrat einige der Disqualifzierten wieder qualifiziert und einige neu disqualifiziert, so dass 4755 Kandidaten an den Wahlen teilnahmen.

Mehr als 1/3 der Kandidaten seien vom Wächterrat abgelehnt worden. Für nur 50 der 290 Madschles-Sitze sei eine wirkliche politische Konkurrenz möglich gewesen. Daher seien die Wahlen im Vorfeld schon entschieden worden. Die Autoren dieser Erklärung schreiben, dass viele Reformkandidaten im Vorfeld gewarnt worden seien, sich erst gar nicht aufstellen zu lassen, da sie ohnehin abgelehnt würden. Viele seien daher erst gar nicht angetreten. Offiziell sei erklärt worden, wer sich im sechsten Madschless an Protesten der Reformer beteiligt habe, unter anderem wegen der damaligen Disqualifizierung von Kandidaten, werde nun endgültig selbst disqualifiziert. In der Erklärung wird kritisiert, dass 150 Sitze für das zerstrittene Lager um Ahmadinedschad reserviert worden waren, bevor die Wahlen überhaupt begonnen hatten.

Die „Mojahedine Enqelabe Islami“ kritisieren auch die angewandten Methoden bei der Durchführung der Wahlen. Auf verschiedenen Ebenen sei die Rolle der Pasdaran und der Bassidschi gestärkt worden. Zudem wird kritisiert, dass die Wahllokale hauptsächlich von Vertretern der „herrschenden Faktion“ – gemeint ist das in sich zerstrittene Umfeld von Ahmadinedschad – besetzt wurden. Viele Reformer wurden aus den Wahllokalen entlassen, heißt es in der Erklärung. Daher sei es sehr einfach gewesen, die Auszählungen zu manipulieren. Es sei ferner ignoriert worden, dass einflussreiche Personen, unter anderem Ex-Präsident Khatami, eine erneute Auszählung der Stimmzettel gefordert haben. Auf jeden Fall seien die Veranstalter und Beobachter der Wahlen dieselben Kreise gewesen.

Kritisiert wird auch die Tatsache, dass junge Wähler von der Wahl ausgeschlossen wurden: Den Angaben des Staatsministeriums zufolge sei die Anzahl der Wahlberechtigten ab achtzehn 43.700.000 Personen gewesen. Im Jahr 2006 sei jedoch vom Staatsministerium angegeben worden, dass 49.431.245 Iraner im November 2006 siebzehn Jahre alt gewesen seien. Auch wenn man die Zahl der Verstorbenen und der ins Exil gegangenen jungen Menschen berücksichtige, könne die Zahl nicht weniger als rund 48 Millionen betragen. Zwar sei das Wahlberechtigungsalter 2007 von 15 wieder auf 18 erhöht worden, aber dies spiele bei diesen Zahlen keine Rolle. Zudem habe der Staatsminister bekannt gegeben, dass sich 25 Millionen Menschen an den Wahlen beteiligt haben, und er habe von einer 60prozentigen Wahlbeteiligung gesprochen. Diese Angaben können nicht richtig sein, heißt es in der Erklärung.

Das Staatsministerium habe nach der ersten Wahlrunde erklärt, dass sich 40 Prozent der Teheraner Wahlberechtigten an den Wahlen beteiligt haben. Insgesamt waren 1.909.562 Stimmen abgegeben worden. Wenn diese Angaben stimmen würden, müssten 4,8 Millionen Wahlberechtigte in Teheran leben. Dabei hatte das Staatsminiserium zuvor angegeben, dass 6,5 Millionen Wahlberechtigte in Teheran lebten. Tatsächlich dürften sich bestenfalls 30 Prozent der Teheraner an den Wahlen beteiligt haben, schreiben die „Mojahedine Enqelabe Islami“.

Dieser Erklärung der linksislamistischen Organisation zufolge entsprächen die letzten Wahlen nicht den „hohen Zielen der Islamischen Revolution“. Die Autoren der Erklärung fordern, dass diese Mängel bis zu den kommenden Präsidentschaftswahlen behoben werden müssen.

 

 

 


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